Recruiting:
Warum ein Steuerberater mit dieser Stellenanzeige für Furore sorgt
Eine Steuerkanzlei in Ostfriesland hat eine Azubi-Stelle zu vergeben. Und probiert in der Stellenanzeige mal was anderes aus. Mit Erfolg.
Mit dieser Resonanz auf seine Stellenanzeige hat Johann Grensemann nicht gerechnet. Der Steuerberater führt zusammen mit Enno Gembler eine Kanzlei in Aurich, Ostfriesland. Seit die Stellenausschreibung im regionalen Anzeigenblatt erschien, bekommt er viele Anrufe. Von Kunden, von Banken, von anderen Unternehmen aus der Region. "Gefühlt redet halb Ostfriesland darüber", erzählt er. Und noch wichtiger: Bisher landeten schon 20 Bewerbungen für die Azubi-Stelle auf seinem Tisch.
Grensemann wollte einfach mal etwas anderes ausprobieren. Eine Anzeige schalten, die Jugendliche und deren Eltern anspricht, die für ihre Zöglinge nach Lehrstellen suchen. Eine Anzeige, die sich abhebt von den anderen, ohne "08/15-Text", und die vielleicht auch ihren Weg in die sozialen Netzwerke findet. Das ist dem Steuerberater gelungen. Dabei kann man den Text, inspiriert durch Recherche im Internet, durchaus als provokant bezeichnen:
Du bist nicht komplett verpeilt, bist in der Lage, Dich selbst im Supermarkt mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen, scheiterst nicht am EC-Terminal, brauchst nicht in den nächsten fünf Wochen ein Urlaubssemester, weil Du erstmal selbst zu Dir finden musst, Du kannst die Uhr lesen, musst nicht alle drei Minuten eine Whats-App schreiben, Facebook checken, beherrschst die Grundrechenarten, kannst Dich in deutscher Sprache verständigen, Du kannst Dir vorstellen, mindestens fünfmal die Woche zu arbeiten, ohne gleich an einem Burnout Syndrom zu erkranken? Dann melde Dich...
"Mir ging es vor allem um Aufmerksamkeit", erklärt Johann Grensemann auf Anfrage von W&V Online. Auch wenn es sich auf den ersten Blick anders liest: Er selber habe keine schlechten Erfahrungen mit Auszubildenden gemacht, die sich ständig krank melden oder nur aufs Smartphone starren, versichert der Auricher. Nur einer habe während der Arbeit privat öfter mal auf Facebook gesurft. Keine gute Idee.
Auch wenn Grensemann die allgemeine Smartphone-Verrücktheit manchmal nervt: Grundsätzlich hat er ein positives Bild von der Jugend, ist zufrieden mit seinen Auszubildenden, von denen er seit Gründung der Kanzlei 1994 schon viele übernommen hat. "Ich sehe das mit der Jugend nicht so schwarz wie manche andere", sagt Grensemann. Deshalb ist er auch überzeugt, bald den passenden Kandidaten zu finden.
Wichtig war es ihm auch, das eigene Unternehmen und den Beruf des Steuerfachangestellten ins Gespräch zu bringen. Das ist nämlich nicht so einfach bei jungen Leuten, die laut Grensemann oft "ein völlig falsches Bild" von den Aufgaben haben. Viele stellen sich staubtrockene Aktenberge und endlose Zahlenkolonnen vor, dabei sei sein Beruf alles andere als langweilig. Die Ausbildung biete viele Möglichkeiten, sei eine gute Basis, um in vielen Bereichen Fuß zu fassen. Als Steuerberater müsse er sich stetig weiterbilden, habe ständig mit neuen Herausforderungen, Problemstellungen, Steuergesetzen und sehr verschiedenen Kunden zu tun. Wer jahrelang in dem Bereich arbeitet, wird zum Menschenkenner.
Dennoch ging die Zahl der Bewerber für Steuerfachangestellte in den vergangenen Jahren zurück, weshalb die Bundessteuerberaterkammer vor zwei Jahren die Gattungskampagne mehr-als-du-denkst.de startete.
Grensemann ist zufrieden mit der Resonanz, die seine Stellenanzeige auslöste. Was den oder die neue Auszubildende erwartet? Ein kleines Team von zehn Leuten, das sich kümmert. Vielfältige Aufgaben von Anfang an. Mittendrin, statt nur am Kopierer. "Nur zum Tee kochen oder Telefondienst sind unsere Auszubildenden nicht da", sagt Grensemann. "Wir bilden für uns aus." Worauf er Wert legt, abgesehen von den geforderten "Qualitäten" in der Stellenanzeige? Auf Teamwork und Zuverlässigkeit. Zeugnisnoten sind Grensemann nicht so wichtig, aber die Grundrechenarten sollte man schon beherrschen.
Das Video zur Gattungskampagne: