Was läuft eigentlich schief?

1. Der Wettbewerb unter den Agenturen wird vom Preis der Medien bestimmt, nicht von der Qualität der Beratung. Die Mediaberatung und –planung wird kaum honoriert und ist auch deutlich schwerer zu vergleichen, deshalb sind schiefe, im Agenturinteresse liegende Mediapläne eher die Norm als die Ausnahme.

2. Große Kunden haben kein Interesse an einem Fair-share der Konditionen, welche die Agenturen kundenübergreifend mit den Medien vereinbaren: der größte Gorilla will keinen gerechten Anteil, sondern die meisten Bananen. Pitches werden aber natürlich nur mit überproportionalen Konditionen gewonnen, die die Agenturen im Interesse des Agenturwachstums von den kleineren an die größeren Kunden umverteilen. Weil kleineren Kunden aber nicht nur die Marktmacht, sondern meist auch das Know-how fehlt, erleiden sie systembedingte und unfaire Wettbewerbsnachteile im Kampf um mediale Präsenz.

3. Schließlich können die Medien im Markt nur bestehen, wenn sie den Rabattforderungen der Agenturen stattgeben. Gerade Medien, die ihre Zielgruppen durch Qualität überzeugen, können in diesem System nur verlieren, weil die Incentivierung für die Agenturen naturgemäß gerade bei denjenigen Medien hoch ist, die es nicht von allein auf den Mediaplan schaffen. Medien stehen vor einer ausweglosen Entscheidung: Entweder sie verzichten direkt auf Werbekunden oder sie geben die Preishoheit an die Agenturen ab. In beiden Fällen müssen sie Qualitätsabstriche machen, um die Kosten ihrer Redaktion oder ihres Programms den reduzierten Werbeeinnahmen bzw. erhöhten Agenturkonditionen anzupassen. Verkürzt bedeutet das: Die Shareholder der Agentur-Networks entscheiden, ob wir in Deutschland weiterhin den Spiegel lesen können.

Allerdings: es geht hier nicht um Redlichkeit. Man kann fordernden Großkunden, umverteilenden Agenturen oder incentivierenden Medien kaum die Schuld geben. Sie alle handeln rational in einem System, in dem mittelfristig der Erhalt der Medienvielfalt und damit der Informationsfreiheit auf dem Spiel steht. Ansätze einer staatlichen Regulierung bestehen:

–  in der Trennung zwischen der unsinnigen Einheit von Mediaplanung und -einkauf, der dazu führt, dass ein guter Arzt nur dann eine Chance hat, wenn er billige Medizin im Köfferchen hat.

–  in einer rigoroseren Wettbewerbsüberwachung: wenn die Preishoheit für Medien bei den Agenturen liegt, ist das entweder Erpressung oder Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung.

–  einem verpflichtenden Nachweis durch unabhängige Wirtschaftsprüfer, dass in der Beratung die Neutralität der Planung gewährleistet ist.

Transparenz im Mediageschäft mit Hilfe staatlicher Regulierung: Ein Siegel „Media Made in Germany“ wäre ein erhellendes und zukunftssicherndes Zeichen aus dem immer noch viertgrößten Mediamarkt der Welt.

*Über den Autoren: Martin Albrecht ist Co-Geschäftsführer der unabhängigen Mediaagentur Crossmedia. Er arbeitete zuvor für Ogilvy und gründete 2000 den Crossmedia-Ableger in New York.

In einer neuen Serie befasst sich W&V intensiv mit der Media-Debatte. Die Titelgeschichte der aktuellen Ausgabe informiert über das französische Anti-Kickback-Gesetz Loi Sapin und die aktuelle, medienpolitische Diskussion in Deutschland. Probeabo?

Lesen Sie dazu auch: SPD-Politiker Eumann will Mediageschäfte überprüfen


Autor: W&V Gastautor:in

W&V ist die Plattform der Kommunikationsbranche. Zusätzlich zu unseren eigenen journalistischen Inhalten erscheinen ausgewählte Texte kluger Branchenköpfe. Eine:n davon habt ihr gerade gelesen.