
Vizeum über Vorlieben:
Warum TV oft am Publikum vorbeisendet
Der Zuschauer sucht im TV zunehmend nach Geborgenheit und Sicherheit. Laut Vizeum bieten die Sender aber eher Formate wie "Navy CIS". Mit Folgen für den Mediamix.

Foto: Vizeum Deutschland
"Bergdoktor schlägt Dschungelcamper" lautete im Januar eine Schlagzeile. Trotz großer Marketingmaschinerie musste sich die RTL-Show "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!" dem bedächtigen Hans Sigl geschlagen geben, der bei der Gelegenheit nicht einmal den größten Reichweitenerfolg beim ZDF erdokterte.
Woran liegt es, dass der Zuschauer das beschauliche Bergglück beispielsweise dem Häme-Spektakel in Australien vorzieht? "Die deutschen Fernsehzuschauer wünschen sich zunehmend Sendungen, die Geborgenheit und Sicherheit vermitteln", beantwortet eine Studie der Mediaagentur Vizeum Deutschland die Frage.
Für die Analyse "Motivations to Connect" befragte das Wiesbadener Dentsu-Aegis-Network online rund 10.000 Personen zu ihren Beweggründen beim abendlichen Griff zur Fernbedienung. Untersucht wurden die Einstellungen der Zuschauer zu den Vorabend-und Primetime-Formaten der größten deutschen Sender (ARD, ZDF, RTL-Mediengruppe und ProSiebenSat.1) im März sowie im September 2016. Anschließend wurden die Antworten insgesamt acht verschiedenen so genannten Motivatoren zugeordnet: Vergnügen, Geselligkeit, Geborgenheit, Sicherheit, Kontrolle, Anerkennung, Macht und Vitalität.
"GZSZ" bedient Vorlieben gut
Die deutschen Fernsehzuschauer sehnen sich laut der Vizeum-Befragung eher nach dem "Bergdoktor" als nach Inspector Gibbs von "Navy CIS". Sie suchen der Studie zufolge vor allem Geborgenheit (27 Prozent) und Sicherheit (18 Prozent). Und damit Sendungen wie die RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", die Vox-Serie "Club der Roten Bänder" oder eben den eingangs erwähnten ZDF-Serienklassiker – alte und noch junge Dauerbrenner, die sich mit guten Quoten im TV-Angebot fest eingemeindet haben.
Auch Programme, die Geselligkeit (13 Prozent) und Vergnügen (12 Prozent) vermitteln, werden demnach gewünscht. Formate, die auf Macht (6 Prozent) oder Vitalität (8 Prozent) abzielen, werden hingegen weniger häufig genannt. Dennoch kommen Vizeum zufolge auch gute Quoten bei vielen "vitalitätsorientierten" Formaten zusammen – so zum Beispiel bei "Game of Thrones".
Vizeum folgert aus den Erkenntnissen, dass die im Fernsehen gesendeten Formate die Bedürfnisse des Publikums "nicht umfassend" widerspiegeln würden. Der größte Anteil des Programms, rund 38 Prozent aller untersuchten TV- Formate, würden "Vitalität" als Hauptmotivator bedienen, fanden die Wiesbadener heraus. Dazu zählen US- Serien wie beispielsweise "Criminal Intent", "Navy CIS" oder die RTL-II-Serie "Game of Thrones". Danach folgen mit 26 Prozent Programmanteil Formate, die vorrangig dem Vergnügen zuzuordnen sind - also Comedy und auch US-Sitcoms wie "Two and a Half Men" oder "Mike & Molly".
Formate rund um Geborgenheit und Sicherheit sind kaum im TV zu finden
Vizeum bemängelt: "Die von den Zuschauern in der Befragung genannten Hauptbeweggründe Geborgenheit (3 Prozent) und Sicherheit (0 Prozent) sind mit passenden Formaten zum Erhebungszeitraum im deutschen Vor-und Hauptabend damit unterrepräsentiert." Das deutsche TV sendet ergo in Teilen am Zuschauer vorbei.
Schlecht für den Mediaplan: Laut Karin Libowitzky, CEO Vizeum Deutschland, hat das Programmangebot Auswirkungen auf die Positionierung von Marken im Medium.
"Wenn Werbetreibende, deren Markenkern Geborgenheit und Sicherheit vermittelt, heute im Hauptabendprogramm nach passenden Programmumfeldern suchen, finden sie wenig Angebot und dies erschwert ihnen den optimalen Einsatz ihrer Werbeinvestition. Denn Werbebotschaften erzielen erst dann den höchsten Wirkungsgrad, wenn die Motivatoren des Zuschauers, des Programms und der Marke zusammenpassen."