Kolumne "Daten-Doktor":
Warum Sie Ihr eigener Datenstratege sein sollten
Die zentrale Marketingkompetenz der Zukunft wird sein, Daten zu verstehen und daraus Strategien abzuleiten. Warum das Ihr Job sein sollte, erklärt W&V-Kolumnist Jochen Schlosser.
Tusch, Vorhang auf, der Daten-Doktor betritt die Manege. Er ist der Datenvorstand, gerne auch liebevoll Datenonkel genannt. Der Daten-Doktor, das bin ich – und nach einer Stunde, gefüllt mit diversen Überschlagsrechnungen und Analysen, wird das Publikum (hoffentlich) begeistert sein. Diese Datenleute, einfach irre, großes Kino. Die Faszination für Daten ist da, leider ist der Abstand der meisten zu diesem Thema riesig. Am Ende eines solchen Meetings komme ich mir manchmal vor wie ein Artist im Zirkus.
Die Zukunft ist jetzt
Tja, die nötige Approbation für den Datenrezeptblock kann ja schließlich nicht jeder haben. Oder vielleicht doch? Damit sind wir beim Kern der Sache: "Ich war schon immer eine Niete in Mathe, habe es aber trotzdem zu etwas gebracht". Auch diese Ausnahme wird eine Regel bestätigen. Denn die Fähigkeit, Daten zu nutzen, um eigene Entscheidungen vorzubereiten oder Maschinen zu füttern, wird eine zentrale Fähigkeit in den nächsten Jahren sein. Sie ist es sogar heute schon.
"Ach, das dauert alles noch eine Weile!" und "im Marketing haben wir doch schon immer mit Daten gearbeitet", wird da geunkt. Aber mal ganz ehrlich: Wer genau hat da immer schon mit Daten gearbeitet?
Häufig sind es wenige Experten, die Excel-Templates aufbauen, Dashboards definieren und auch bei Analysen zu Rate gezogen werden. Das Wissen ist aber viel zu dünn gestreut, und selbst in den Basics sind viele nicht wirklich sattelfest.
Und auf einmal geht es dann rasend schnell. Die Fähigkeit, mit Daten Erkenntnisse für Produktentwicklung, Kommunikation und Sales zu generieren oder entsprechende Maßnahmen zu automatisieren und zu optimieren, wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Und dann? Wie lange dauert es, bis ein Unternehmen seine Kultur ändert und seine Mitarbeiter das nötige Handwerkszeug erlernt haben? Wie lange, bis angestaubtes Wissen rund um Statistik und Daten aufgefrischt oder sogar erweitert ist? Meine Empfehlung: Heute anfangen, sonst ist es irgendwann zu spät.
Data as a culture
Was wir brauchen, ist eine Datenkultur, Data as a Culture (DaaC). Doch leider kann man keinen Cloudservice buchen, der das eigene Unternehmen schrittweise transformiert. Analysefähigkeiten und Daten-Know-How – sei es Big, Smart, Small oder einfach nur Normal Data – müssen gefördert werden. Dazu braucht man in den meisten Fällen kein Mathematikstudium, eben keinen Daten-Doktor! Das Wissen muss rein in die Köpfe der langjährigen Kollegen.
Es geht darum Silos zu sprengen, nicht darum, neue Abteilungen aufzubauen.
Jeder sollte sich bewusst sein: Was heute bereits auf Datenbasis möglich ist und was sich am Horizont abzeichnet, ist bei weitem noch nicht das Ende der Reise. Basierend auf immer mehr und immer besseren Daten werden Automatisierung und künstliche Intelligenz über die nächsten Jahre viele Aufgaben übernehmen. Von uns allen werden Schritt für Schritt neue Fähigkeiten verlangt, um diese Maschinen zu bedienen. Das ist beängstigend, sicherlich, aber auch eine große Chance! Und die sollten jeder Einzelne und jedes Unternehmen für sich nutzen.