Medientage München:
Warum Radio das Netz braucht
Die Zukunft von Radio ist digital. Darüber ist sich die Branche bei den 31. Medientagen einig. Der Webradiomonitor 2017 zeigt die Trends.
Welcher digitale Übertragungsweg wird sich in Zukunft durchsetzen. DAB + oder Webradio? Auf dem VPRT-Panel "Die Radio-Agenda: Ready for Boarding? 5G, UKW, DAB – Was kommt, was bleibt?" ging es genau darum. Aber die Richtung war bald klar. Zum Verlgeich ein Blick ins Ausland: Norwegen hat als erstes Land UKW abgeschaltet, Schweden dagegen DAB+ gestoppt, genauso wie Hongkong, dort soll noch in diesem Jahr das Aus für DAB+ stattfinden. Tatsächlich hält es das Gros der Panel-Diskutanten mit dem asiatischen Stadtstaat und den Schweden.
Jörg Sunnus vom IFAK Marktforschungsinsitut ist sich sicher, dass das sich digitales Radio per Stream durchsetzen wird, wenn 5 G ein Erfolg wird. In Deutschland beträgt die Abdeckung mit DAB-Geräten gerade mal acht Prozent, die mit Internet-Radio elf Prozent, die Handy-und Smartphone-Abdeckung liegt dagegen bei 95 Prozent, so seine Argumentation. Die Tagesreichweite bei Personen, die bereits ein DAB+-Gerät im Haushalt haben, liege bei UKW bei 60 Prozent versus 22 Prozent über DAB+. Radio sei ein Nebenbei-Medium, das bereits jetzt in fast allen Haushalten über verschiedene Kanäle verfügbar sei. Die DAB-Nutzung sei eine Zusatznutzung, dafür würden sich aber nicht automatisch alle Radiohörer extra ein neues oder zusätzliches Gerät kaufen, so der Marktforscher.
UKW-Abschaltung bedroht Existenz von Privatradios
Auch die kommerzielle Seite sieht DAB+ sehr kritisch. Gert Zimmer von RTL Radio Deutschland: "UKW abzuschalten bedeutet die Bedrohung unserer Existenz." Durch die Migration gingen zu viele Hörer verloren. Und die vermarktbare Reichweite 14 bis 49 Jahre sinkt jährlich. 2017 um sieben Prozent, im Jahr zuvor um fünf Prozent. Radio habe andere Herausforderungen wie die Fragmentierung des Marktes durch Streamingdienste und Youtube zu bestehen. Gerade die junge Zielgruppe ist sehr internetaffin und über diesen Weg zu gewinnen.
Abschaltung ist keine Glaubensfrage
Auch wenn die öffentlich-rechtlichen Sender bis 2028 UKW abschalten wollen, kann von Glaubenskrieg keine Rede sein, sagt Klaus Schunk vom VPRT. Die Zukunft von Radio sei digital, das sei eine Existenzfrage und keine Glaubensfrage. Wenn es dazu einen Konsens gebe, müsse man dafür einen Ordnungsrahmen schaffen. Erst wenn die UKW-Nutzung unter zehn Prozent liegt, will der VPRT über eine Abschaltung nachdenken.
Der Weg geht eindeutig Richtung Internetradio, so das Panel einvernehmlich. Denn für die Privatsender stellt sich auch die Frage nach dem Mehrwert von DAB+ im Bereich Vermarktung. Internetradio hat den Vorteil, dass der Hörer adressierbar, zielgruppengenaue Ansprache also möglich ist. Und Audio lässt sich im Netz um vermarktbare Bewegtbildformate erweitern. Beispiel Radioplayer: In England ist auf dem Aggregator Bewegtbild buchbar. Das Stichwort sei Kanalrentabilität, sagt Zimmer von RTL. Wenn über DAB nur acht Prozent der Haushalte erreicht würden, sind die Verbreitungskosten höher als die vermarktbare Reichweite einbringt.
Die fünf Trends aus dem Webradiomonitor 2017
Den Wandel dokumentiert auch der Webradiomonitor 2017 von BLM, BVDW und VPRT. Demnach legt bei Internetnutzern der Radio- und Musikkonsum deutlich zu, auch, weil immer mehr via Smartphone gelauscht wird. Genutzt werden dabei vor allem die klassischen Radiomarken, Webradio- und Online-Audioangebote holen aber zügig auf. Für die Studie hat Goldmedia vom 14. bis 26. Juli neben 1104 Online-Audiohörern auch 277 Webradio- und Online-Audioanbieter befragt.
71 Prozent der Online-Audiohörer gaben an, Simulcast-Wellen zu hören, gefolgt von Video- und Musik-Streamingdiensten (56 und 55 Prozent). 29 Prozent nutzen reine Online-Marken der Radioanbieter, 28 Prozent Online-Only-Radio. Der Anteil der mobilen Audionutzung liegt übrigens inzwischen bei einem Drittel. Dabei entspricht der Online-Audio-Konsum über Smartphone mit 65 Prozent fast der Nutzung über Laptop und PC mit 70 Prozent. 2019 soll er auf 40 Prozent steigen.
Neu: Der Webradiomonitor 2017 hat erstmals Podcasts in die Befragung integriert. Sie werden von 17 Prozent der Online-Audiohörer genutzt. Im Großen und Ganzen gilt: Tagsüber wird UKW gehört, abends Podcasts.
Trend eins und zwei: Online Audio erweitert die Primetime von Radio und die klassischen Radiomarken sind stark
31 Prozent der Hörer hören Online-Audio. Interessant: Webradio ergänzt klassisches Radio. Denn am liebsten wird Simulcast gehört, sprich der Livestream der klassischen Radiomarken, und das zur klassischen Radiozeit, nämlich vormittags.
Trend drei und vier: Podcasts können immer und überall gehört werden, sie sind im Mainstream angekommen
Das Format kommt raus aus der Nische, sagt Klaus Goldhammer von Goldmedia. 36 Prozent der Podcast-Hörer hätten ihren Konsum gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Über die Hälfte hört Podcasts nonlinear als Download, 46 Prozent als Stream. Die Gründe liegen auf der Hand: Über die Hälfte nutzt das Format wegen der Download-Option und 50 Prozent, weil Themen dort intensiver besprochen werden. Am beliebtesten sind Unterhaltungsformate, Hörspiele und Wissens-Podcast. Entsprechend produzieren immer mehr Medienmarken Podcasts. Beispiel Spiegel Online: „Spiegel Online soll eine Audio-Marke werden“, sagt Charlotte Meyer-Hamme von Spiegel Online.
Trend fünf: Sprachsteuerung revolutioniert Audio
Obwohl es Sprachassistenten wie Alexa erst seit einem Jahr gibt, hören bereits vier Prozent Online-Audio über sprachgesteuerte Geräte. Radio gehört zu den Top 3-Anwendungen beim Sprachassistenten.