Kolumne von Norbert Möller:
Wann ist Design eigentlich gut?
Designer müssen akzeptieren, dass Ästhetik alleine kein sicherer Bewertungsmaßstab für "gutes Design" ist. Sie brauchen zusätzliche objektive Kriterien, findet W&V-Kolumnist Norbert Möller.
Design ist ein inflationär verwendeter Begriff. Er vermittelt etwas Schöngeistiges und Ästhetisches und wird daher gerne eingesetzt, wenn irgendetwas einen besonderen gestalterischen Anspruch vermitteln soll. Design umweht die Attitüde des Äußerlichen, des Oberflächlichen, rutscht schnell in eine Ecke mit dem "guten Geschmack" – und genau dann wird es gefährlich: Jeder Designer kennt schließlich die Situation, dass man einen Entwurf präsentiert, von dem man selbst überzeugt ist, dieser aber dem Kunden nicht gefällt. War es das dann mit der Idee? Oder haben wir dann noch andere Argumente parat?
Wir Designer müssen akzeptieren, dass Ästhetik alleine kein sicherer Bewertungsmaßstab für "gutes Design" ist. Wir brauchen zusätzliche objektive Kriterien, um Kunden überzeugen zu können und ihnen die Entscheidung für einen neuen, im ersten Schritt ungewohnten, Entwurf zu erleichtern.
Design kann sich selbst finanzieren
Meine Wahrnehmung ist, dass ein Faktor hierfür immer entscheidender wird: Geld. Die Investition in Design ist schließlich eine Entscheidung, die nicht Markenverantwortliche alleine treffen, sondern bei der auch der Einkauf mit am Tisch sitzt. Übliche Bedenken sind, dass ein neues Design hohe Kosten nach sich ziehen könnte, zum Beispiel um sämtliche Druckerzeugnisse und Werbemittel umzustellen. Auf diese Argumente muss man vorbereitet sein. Noch besser, wenn man sie kontern kann und belegt, dass das neue Design Geld spart – oder auch: dass wir Designer dem Unternehmen damit so viel Geld einsparen, dass es uns davon bezahlen kann.
Dabei geht es nicht darum, an der Gestaltungsqualität zu sparen, ganz im Gegenteil. Vielmehr gilt es, die Stellschrauben zu identifizieren, an denen man gezielt drehen kann, um effizienter arbeiten zu können: Wo lauern in den Bereichen Management, Konzeption, Realisierung, Produktion und Ressourcen Kostentreiber? Wie können Prozesse auf Unternehmenseite optimiert werden?
Ein erster Schritt kann darin bestehen, die über viele Jahre gewachsenen Corporate-Design-Regeln zu entschlacken: Hier haben sich bei den meisten Unternehmen Ausnahmen und Spezialfälle angesammelt, die zu zentimeterdicken Manuals geführt haben. In der Anwendung kosten diese oft mehr Zeit und Geld, als dass sie einen Mehrwert durch klare Kommunikation brächten.
Als zweiten Schritt können wir die Gestaltungselemente selbst betrachten: Macht es wirklich Sinn, das Logo in acht verschiedenen Varianten auf unterschiedliche Packungsgrößen zu prägen, oder reichen drei Größen aus? Wie viel Geld lässt sich alleine dadurch sparen, dass die Maschinen seltener angehalten werden müssen, um Prägestempel auszutauschen? Können aufwändige Drucktechniken oder Farben vereinfacht werden, ohne dass der wertige Gesamteindruck verloren geht?
Unsere Arbeit hört nicht bei der Gestaltung auf
Andere Optimierungspotenziale lauern bei der Frage, wie die Anwendung von Corporate Design in der Praxis organisiert ist: Oft werden Vorlagen so komplex verwaltet, dass Mitarbeiter lieber inkonsistent improvisieren, in alten Versionen arbeiten und somit von unnützer Arbeit aufgehalten werden. Es gibt Best Practices, über die man sich über Abteilungsgrenzen hinweg nicht austauscht. Oder auch lizensierte Bilder, die nicht in einer zentralen Datenbank abgelegt, sondern individuell gehortet werden. Letzteres ist übrigens erschreckend häufig der Fall.
Solche Kostentreiber begegnen einem in jedem Unternehmen – und wenn man sie alle addiert, dann ahnt man, welche Effekte eine Optimierung haben kann. Nicht nur für das Unternehmen, das Kosten spart, sondern auch für den Designer, der den Wert seiner Arbeit belegbar macht. Für uns Designer bedeutet aber auch: Wir müssen für uns akzeptieren, dass unsere Arbeit nicht bei der Gestaltung aufhört, sondern dass wir uns fundiert damit auseinandersetzen müssen, wie Marken organisiert sind und wie sie Design anwenden.
Und übrigens: Das mit den Kosteneinsparungen klappt tatsächlich. Und zwar so gut, dass ich mir manchmal vorstelle, wie viel beide Seiten davon hätten, würden Kunden ihrer Agentur einen Anteil des gesparten Differenzbetrags als Honorar zahlen.