
W&V Online deckt auf: Aida-Affäre setzt DDV unter Druck
Der Skandal um dubiose Methoden im E-Mail-Marketing schlägt hohe Wellen. Jetzt hat die Affäre auch Trusted Shops und den DDV erfasst. Denn: Einer der in Verruf geratenen Dienstleister ist noch Mitglied im Verband. Zahlreiche enttäuschte Kunden haben sich nach der Veröffentlichung bei W&V Online gemeldet. Gerichtsverfahren sind anhängig. Indes ist eine neue Firma im Konglomerat aufgetaucht.
Die Affäre um dubiose Methoden im E-Mail-Marketing zieht weite Kreise: Von den Machenschaften eines Münchner Konglomerats aus E-Mail-Marketing-Dienstleistern sind auch Verbände betroffen: Der Deutsche Dialogmarketing Verband (DDV) und Trusted Shops. Ein Dienstleister, dem von zahlreichen Kunden vorgeworfen wird, er habe sie trickreich um ihre Vorkasse geprellt, ist immer noch Mitglied im DDV. Offenbar war das auch ausschlaggebend dafür, dass viele der mitunter sehr namhaften Kunden den Angeboten blind trauten. Bei W&V Online haben sich nach Veröffentlichung des Skandals noch zahlreiche betroffene Kunden gemeldet, die ebenfalls heute noch auf die Rückzahlung ihrer Vorkasse warten. Teilweise haben sie Verträge mit sechsstelligen Summen unterschrieben.
Wie berichtet, handelt es sich bei dieser Praxis um mehrere Firmen, die aber alle einen treibenden Kopf gemeinsam haben: Steffen Lutz F. Unter Aida Media Ltd, Aida Gesellschaft für E-Direct-Marketing mbH (hier: Aida GmbH) und Roundup Media hat er Kunden E-Mail-Marketingkampagnen auf CPO-Basis angeboten. Über geschickt konstruierte Vertragsbedingungen haben die Firmen Vorkasse kassiert und dann in zahlreichen Fällen gar nicht oder äußerst mangelhaft geliefert. Die üblicherweise von den Firmen verlangten 30 Prozent Vorkasse wurden aber oft nicht zurückgezahlt. Teilweise geht der Schaden in den sechsstelligen Bereich. Die Zahl der allein W&V Online bekannten betroffenen Kunden: Fast 20. Die tatsächliche Zahl der Betroffenen darf wegen zahlreicher Hinweise weitaus höher geschätzt werden. Einige klagen, andere erwägen derzeit weiterführende juristische Schritte. Erschwert wird dies allerdings dadurch, dass die letzte in Deutschland noch aktive Firma der drei genannten, die Aida Gesellschaft für Direct Marketing mbH, im Juli Insolvenz angemeldet hat. Dieser Antrag datiert auf den 7. Juli 2011. Zwei Tage zuvor hatte W&V Online bei Steffen Lutz F. nachgehakt.
Der DDV, den die Redaktion auch schon vor der ersten Veröffentlichung des Skandals angefragt hatte, reagiert gegenüber W&V Online bislang eher zurückhaltend. „Der DDV prüft den Vorgang gerade intensiv. Wenn sich herausstellen sollte, dass die Vorwürfe, die gegen einige Firmen im AIDA-Verbund bestehen, sich für die Firma Aida Gesellschaft für E-Directmarketing mbH bewahrheiten sollten, wird der Verband mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln reagieren,“ lässt Paul Nachtsheim, DDV-Geschäftsführer, auf Anfrage wissen. Ein DDV-Insider sagte gegenüber W&V Online, man denke über einen Ausschluss nach, wolle aber erst alle Implikationen juristisch prüfen. Ende Oktober treten die Gremien wieder zusammen, die über weiteres befinden können.
DDV-Mitgliedschaft ausgenutzt
Aber: Noch ist die Aida GmbH Mitglied im Verband. Bis vor kurzem war auch auf der Website noch das entsprechende Verbands-Logo zu sehen, im Impressum wird darauf hingewiesen. Dieses Logo hat eindeutig Vertrauen geschaffen, denn die Kunden, die W&V Online gesprochen hat, haben genau diesem vermeintlichen Gütesiegel getraut. Unter anderem auch acht Händler, die auch bei Trusted Shops registriert waren. Ebenfalls einem Siegel, dem die Branche Vertrauen entgegen bringt. Die Organisation hatte in einem Newsletter an ihre Mitglieder für ein Media-Angebot der Aida GmbH offen Werbung gemacht. Immerhin hat man in Köln sofort reagiert, als ruchbar wurde, dass die empfohlene Firma oftmals äußerst schlechte Leistung lieferte sowie die Vorkasse einbehielt. Sofort, nachdem im Händler-Forum von Trusted Shops darüber diskutiert wurde, habe man die restlichen Mitglieder „vor Vertragsabschlüssen mit der Aida GmbH gewarnt.“ Und auch sonst hat die Organisation Konsequenzen gezogen: „Trusted Shops lehnt seitdem Media-Buchungen von Fremdfirmen an seine Mitglieder bis auf weiteres strikt ab,“ so Mitgründer und Geschäftsführer Ulrich Hafenbradl.
Auch bei den Betroffenen hat er Schadensbegrenzung betrieben: Den betroffenen Mitgliedern habe man „kulanzhalber Kompensation im Gegenwert von 1.000 Euro angeboten, die von allen Beteiligten dankbar angenommen wurde.“ Aber der Knackpunkt bleibt auch hier: Gerade die DDV-Mitgliedschaft hatte bei Trusted Shops für die Aida GmbH Vertrauen geschaffen. Der Deal zwischen beiden kam nämlich erst zustande, nachdem sich Trusted Shops vom Verband die Mitgliedschaft beim Dialogmarketingverband hatte bestätigen lassen.
Mit einem der betroffenen Händler sprach W&V Online. Er ist einer von einer Handvoll Kunden, die sich alle nach Erscheinen des Beitrags bei W&V Online meldeten und von Unregelmäßigkeiten berichteten. Der Trusted-Shops-Kunde jedenfalls ist entsprechend aufgebracht – denn sein Gerichtstermin mit der Aida GmbH und Steffen Lutz F. platzte – die Insolvenz kam dazwischen. Eine bekannte Masche: Auch als die erste Firma aus dem Konglomerat, die Aida Media Ltd 2007 Insolvenz anmeldete, liefen Gerichtsverfahren und offene Forderungen ins Leere. Steffen Lutz F. machte weiter mit seinen E-Mail-Marketing-Geschäften unter der Aida GmbH und später der ausländischen Roundup Media, die – so hat es eine Quelle W&V Online bestätigt - bis vor kurzem noch Verträge abgeschlossen hat.
Nun scheint das Konglomerat noch eine weitere Firma zu umfassen - und auch die ist Mitglied im DDV.
Mehr dazu am morgigen Freitag.