Mediaplus-Chef Andrea Malgara:
Von Ad-Fraud bis Zeitbudget: Die Mediatrends 2017
Nutzer und Werbungtreibende können aus immer mehr Medienkanälen auswählen - und wollen dies zuweilen gar nicht mehr. Andrea Malgara hat als Geschäftsführer von Mediaplus neue Strategien parat.
Am Beginn einer "Ökonomie der Aufmerksamkeit" sieht Andrea Malgara die Medien- und Werbebranche stehen. Für den Geschäftsführer der Münchner Mediaagentur Mediaplus ist das gerade gestartete Jahr 2017 daher ein besonders spannendes, das auch viele Fragen aufwirft.
Fakt ist: Die Mediennutzungszeit entspricht nicht mehr der Mediazeit. Werden im Schnitt pro Tag rund 520 Minuten täglich vor TV, Zeitung, Buch oder Internet verbracht, so sinkt die Zeit, in der Werbung wirklich wahrgenommen wird. Das Zeitbudget, das mit Medien verbracht wird, nimmt seit einigen Jahren nicht mehr zu.
Eine weitere Medienfragmentierung sorgt für immer mehr Werbekanäle: Allein zwischen 2005 und 2015 hat laut Malgara die Zahl der deutschen Sender um 66 Prozent zugenommen, es gibt innerhalb dieses Jahrzehnts 34 Prozent mehr Werbekanäle, zig Millionen Apps eingeschlossen. Dabei konzentriert sich die Mediennutzung auf wenige Sender: 80 Prozent der TV-Nutzung entfällt auf sieben TV-Programme, 80 Prozent der Online-Mobile-Nutzer nutzen nur fünf Apps.
Klassische Medien tun sich ungleich schwerer: Große Internetunternehmen dominieren den Markt. 80 Prozent der deutschen Online-Werbeinvestitionen fließen an Google und Facebook.
Hier einige Mediatrends, die sich laut Andrea Malgara aus diesen Entwicklungen ableiten und für 2017 abzeichnen:
- Probleme wie Ad-Fraud oder Intransparenz der Währungen der verschiedenen Medienkanäle müssen gelöst werden.
Die zum Teil dramatisch sinkenden Sichtbarkeitsraten sowie Meldungen über Klickbetrug und wachsenden "Non-Human Traffic" beunruhigen die Werbekunden massiv ("Ad-Fraud"). Malgara bezieht sich auf US-Studien, wonach hinter bis zu 60 Prozent des Kampagnen-Traffics im Netz inzwischen Bots stecken könnten, kleine Programme im Netz, die autark Informationen sammeln und sogar verbreiten.
Der Planer hat zudem die Qual der Wahl, will er nach TKP, Unique User, ROI, Awareness, Click, Viewability usw. buchen. Auch die Kennzahlen im Mediageschäft würden immer intransparenter, beklagt der einstige TV-Vermarkter Malgara.
- Die Multiscreennutzung nimmt zu.
Mit Vor- und Nachteilen: Nur 28 Prozent der Aufmerksamkeit liegt heutzutage während eines Werbeblocks im Fernsehen auf TV. 74 Prozent der Zuschauer mailen oder chatten nebenher, 59 Prozent surfen, 51 Prozent beschäftigen sich offline. Kompensieren kann den Verlust an Effizienz beispielsweise das Zubuchen von Bewegtbild im Netz – Werbebudgets werden verlagert.
- Immer mehr Nutzer neigen zu Digital Detox – Marken leiden.
Das Smartphone hat Funkpause, bewusst werden Funklöcher gesucht. Medieninhalte wie Werbung werden gemieden. Deshalb werde es immer schwieriger, traditionelle Marken zu etablieren, so Malgara: 60 bis 80 Prozent der Neueinführungen floppen, 70 Prozent der Neukäufer sind Einmalkäufer.
Dem entgegenwirken könnten Werbungtreibende durch ein Umdenken im Mediaplan: durch das Belegen von Spartensendern. Zielgruppenmedien als gute Möglichkeit, um Kampagnen zu optimieren.
Nur bedingt geeignet ist aus Malgaras Sicht Youtube: Hinter 2 Dritteln der Nutzungsdauer bei Googles Videoplattform stehen nur 9 Prozent aller Nutzer. Und 47 Prozent der Nutzungsvorgänge dauern dabei weniger als eine Minute.
- Klassik treibt Online.
Zumal Online-Unternehmen klassisch auf TV werben, um bekannt zu werden. Der Mediaplus-Chef hebt zudem hervor, wie wichtig eine Aktivierung durch ein klassischen Medium beim Trendthema Content Marketing sei. "Paid Media aktiviert Earned Media", betont Malgara.
- Die Maschinen werden intelligenter.
Programmatic Advertising – also datengestützte Entscheidungen im Zusammenspiel von Reichweiten, Daten und Kreation auf servergestützten Medien – greift um sich. Den um rund 10 Prozent höheren Kosten im Vergleich zu klassischen Kampagnen muss mehr Qualität, Effizienz und Ergebnis gegenüberstehen, fordert Malgara.
Big Data hilft aus seiner Sicht massiv, Effizienverluste in diversen Medienkanälen mit zielgerichteter Aussteuerung zu kompensieren.
Das Fazit: "Nicht nur für die Mediaplanung gilt: Es ist eine komplexere Welt geworden, in der man wissen muss, was man tut", so Andrea Malgara.
ko/ps