Image-Kampagne:
Vetrauensverlust: Katholische Kirche setzt auf provokante Plakate
"Für dein Leben gern": Das Bistum Münster startet als erstes katholisches Bistum eine breit angelegte Image-Kampagne und setzt dafür auf professionelles Marketing – und streitbare Heads.
Mit dem Spruch "Nichts für Warmduscher" samt Foto eines irritiert dreinblickenden Säuglings wirbt die Kampagne für die im Bistum stattfindenden Taufen, und das Bild eines vom Dreirad auf das Gesicht gestürzte Kleinkind wird mit "Läuft nicht immer" betitelt, um auf die Eltern und Kind-Angebote der katholischen Kirche aufmerksam zu machen.
Das zweitgrößte deutsche Bistum Münster mit 1,9 Millionen Katholiken (nach Köln mit 2,61 Millionen) setzt auf provokante Sprüche, Marketing-Experten und die Düsseldorfer Agentur Castenow, um das "verloren gegangene Vertrauen der Menschen" wieder zu gewinnen: So stehen laut Bischof Felix Genn, Generalvikar Norbert Köster, Heribert Meffert, emeritierter Direktor des Instituts für Marketing am Marketing Centrum Münster, sowie Jochen Huppertz, Geschäftsleiter bei der Düsseldorfer Agentur Castenow neue Schwerpunkte in der Seelsorge und neue Leitungsstrukturen in den Gemeinden auf der Agenda. Im September wird dazu auf Großflächenplakaten, mit Postkarten und in Sozialen Netzwerken auf Angebote hingewiesen, die die katholische Kirche im Bistum Münster den Menschen macht: Von der Seelsorge über Schulen und Kitas bis hin zu Beratungsangeboten oder Familienbildungsstätten.
Kampagne rückt Nachteile in den Mittelpunkt
Laut Huppertz ist die Kampagne das Gegenteil von dem, was man von der Kirche erwarten würde:"Gezeigt wird nicht, wie toll die Angebote der katholischen Kirche im Bistum sind. Vielmehr werden vermeintliche Nachteile – das berühmte Haar in der Suppe, das immer jemand findet – in den Mittelpunkt gestellt. Über die vermeintlichen Nachteile beziehungsweise Angebotslücken werden die Vielfalt und Leistungsfähigkeit der Angebote, die die katholische Kirche im Bistum Münster den Menschen macht, inszeniert. Das geschieht mit lustigen, zum Teil natürlich sehr überzeichnenden Fotos und Sprüchen, die das scheinbare Defizit auf den Punkt bringen. Es ist nach unserer Einschätzung sehr humorvoll. Und Humor steht gewiss nicht ganz oben auf der Liste der Attribute, die man der katholischen Kirche sofort zuschreibt."
Provokation scheint also die Devise der Kampagne zu sein, doch ganz treu bleibt die Kampagne ihrem Konzept nicht. Vor allem die Plakate mit den Angeboten Kinder betreffend sind augenscheinlich aggressiver gestaltet, als für erwachsene Menschen: Die Altenheime der Caritas beispielsweise werden mit einem lächelnden, basketballspielenden Senioren-Pärchen illustriert und wirken ungleich harmlos.
Dreiecke in verschiedenen Rottönen
Das neue Markenzeichen des Bistums zeigt ein Kreuz, das sich aus Dreiecken in verschiedenen Rottönen zusammensetzt und dem ein Teil des Querbalkens fehlt. Daneben steht als Wortmarke: Katholische Kirche, Bistum Münster. In angepasster Form werden viele katholische Einrichtungen die Wortbildmarke übernehmen: vom Bischöflichen Generalvikariat und Offizialat, über die Kreisdekanate bis hin zu den Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen
Laut Bischof Genn versteht das Bistum Markenentwicklung als Prozess einer inhaltlichen Selbstvergewisserung der eigenen Identität. Und in diesem Verständnis ist es "hilfreich, dass wir als katholische Kirche professionelles Marketing betreiben", erklärte er. Die Kirche steht laut Genn vor massiven und radikalen Veränderungen. Zugleich vertrauten viele Menschen der Kirche nicht. und eben dieser Vertrauensverlust sei sehr schmerzlich.
Radikales Konzept gegen Unzufriedenheit
Die Kampagne ist eine Reaktion auf die alarmierenden Ergebnisse eine Umfrage von 2015. Vor drei Jahren hatte das Bistum in einer Zufriedenheitsstudie 1.000 Katholiken befragt, wie zufrieden sie mit den Angeboten der katholischen Kirche seien. "Die repräsentativen Ergebnisse zeigten nicht nur eine insgesamt sehr hohe Unzufriedenheit. Wir konnten der Studie auch entnehmen, dass viele Menschen gar nicht wissen, bei welchen Angeboten, die sie gerne nutzen, es sich um solche der katholischen Kirche handelt. Das möchten wir im Zuge der Markenentwicklung ändern: Wo katholische Kirche drin ist, sollte auch katholische Kirche draufstehen."
Ob das verhältnismäßig radikale Konzept aufgeht, und sich vor allem Familien von den provokanten Plakaten angesprochen fühlen, bleibt abzuwarten.