
Medien-Startup:
US-Frauenportal Refinery 29 startet deutschen Ableger
Das Lifestyle-Portal für Millennial-Frauen will den traditionellen Frauenmedienmarkt online aufmischen. Es gibt eine Inhalte-Kooperation mit Spiegel Online. WPP investiert.

Foto: Nora Cloudy by Eye Candy Berlin
Das digitale Medien-Startup Refinery 29 muss man sich vorstellen als eine Art Buzzfeed für die globale Millennial-Frau zwischen 18 und 35 Jahren. Die interessiert sich hauptsächlich für Promi-Klatsch, Entertainment, Mode, Stil, Essen, Wohlergehen und Popkultur, in Ausnahmefällen aber auch ein bisschen für Politik, Feminismus und so. All das bekommt sie in überschaubaren Viral-Häppchen, leicht konsumierbaren Texten und vor allem Videos von dem in den USA sehr erfolgreichen Distributed-Content-Unternehmen Refinery 29.
Das wollen die Amerikaner im deutschen Markt von Berlin aus als eigenständiges Produkt aufbauen - www.refinery29.de ist seit heute zu besichtigen. Dahinter steckt ein neunköpfiges Team. Chefredakteurin ist Claudia Zakrocki, Ex-Autorin des Modeblogs Les Mads und zuletzt Onlineredakteurin des Magazins "Interview". Für die Geschäftsentwicklung steht ihr Nora Beckershaus zur Seite, die ihre Karriere bei der Burda Style Group begann und zuletzt bei Springers AS Ideas Ventures das Social-Media-getriebene Jugendmagazin Celepedia leitete. Modebloggerin Katja Schweitzberger (Ex-Leiterin von Les Mads) und die Boulevardjournalistin Edith Löhle (u.a. "Bravo", "OK! Magazin") gehören ebenfalls zum Team.
Der 36-jährige gebürtige Kölner Philippe von Borries und sein Partner Justin Stefano hatten Refinery 29 2005 in Brooklyn ursprünglich als digitalen Lifestyleguide mit angeschlossenem E-Commerce gegründet. Inzwischen hat sich die Ursprungsidee zum rein werbefinanzierten Content-Distributor entwickelt. Die Gründer wollen global expandieren. Vom viertgrößten Werbemarkt Deutschland erwartet sich von Borries kommerzielles Potenzial: "Wir sehen die Möglichkeit, mit einer frischen, frechen Stimme ein junges agiles, weibliches Publikum zu bedienen, das von der traditionellen Frauenpresse nicht erreicht wird."
Zum Start von Refinery29.de gibt es 29 Porträts von Deutschlands inspirierendsten Frauen, dazu zählt das Team beispielsweise die Westwing-Gründerin Delia Fischer, Modemessen-Gründerin Annita Tillman oder die Bloggerin Daaruum. Es gibt Features, zum Beispiel über das Social-Media-Team von Angela Merkel, und ein Essay über eine Muslima und ihr künstliches Jungfernhäutchen.
50 Prozent der Inhalte entstehen lokal, 50 Prozent werden von dem amerikanischen Portal übernommen und übersetzt. Der Traffic kommt hauptsächlich über die Unterhaltungsthemen, die ernsthafteren Themen sollen aber dazu beitragen, die Marke aufzubauen und journalistisch aufzuwerten. Beim Markenaufbau soll auch eine Content-Syndication mit Spiegel Online helfen: Pro Woche verlinkt Spiegel.de mindestens einen Refinery-29-Artikel.
In den USA erreicht das Portal über seine Homepage 27 Millionen Unique Userinnen im Monat. Dazu kommen 175 Millionen Leserinnen, die über diverse Plattformen eingesammelt werden, darunter Facebook, Snapchat, Instagram, Youtube, aber auch neue Portale wie das Videoportal Younow. Drei Viertel des Traffics werden inzwischen über Videos erzielt. "Durch die Entwicklung von Mobile und Video hat sich der Fokus in den letzten 18 Monaten verschoben. Es geht viel mehr um Distribution als darum, die Leute zu unserer Webseite zu locken", sagt Borries.
400 Angestellte arbeiten in den Büros und Redaktionen in New York und Los Angeles, erst im November 2015 eröffnete ein 16-Leute-Büro in London. Das Geschäftsmodell ist das einer Distributed-Content-Agentur: 80 Mitarbeiter denken sich in der Inhouse-Agentur maßgeschneiderte Native-Advertising-Strategien und -Kreationen für Werbekunden aus. Weitere 80 Mitarbeiter sind für die redaktionellen Texte zuständig, die Videoredaktion umfasst derzeit ebenfalls 80 Leute, wächst aber am stärksten. Die anderen 160 Mitarbeiter verteilen sich auf die Bereiche Datenanalyse, Technologie und Sales.
Refinery 29 ist profitabel und wird 2016 nach eigenen Angaben erstmals einen neunstelligen Umsatz erreichen. Der Werbekonzern WPP und die Travelchannel Mutter Scripps Interactive Network haben zusammen 50 Millionen Dollar in den Content-Distributor investiert. Das privat finanzierte Medien-Startup wird inzwischen mit 300 Millionen Dollar bewertet, was etwa dem dreifachen des Umsatzes entsprechen dürfte.