Digital-Gründer:
Tour de Start-ups in München: Android und Anzug
Die Start-up-Branche in Bayern verfolgt den Internet-Boom in Preußen besonders aufmerksam. Der Hype aus der Hauptstadt bringt auch den Münchner Digital-Gründern Schwung und Kapital. Der nächste Teil der W&V-Start-up-Tour quer durch Deutschland.
Laptop und Lederhosen. Zeigt auch dieses Bild, dass Bayern lange Zeit nach Investitionen in IT-Start-ups mit an der Spitze lag, so führt inzwischen aber Berlin dieses Ranking an. Dennoch wächst in München eine rege Gründerszene heran, gefördert von vielen Geldgebern, Medienkonzernen, Unternehmen und Hochschulen. Normalerweise mögen sie in Bayern die Preußen nicht besonders. Doch der Berlin-Boom kommt vielen im Süden durchaus gelegen.
Beispielsweise Arash Houshmand. Laut dem Chef des App-Anbieters Contigua fördert der Hype das Unternehmertum in München sowie die Begeisterung fürs digitale Business. Das gelte auch für Angestellte: "Es gibt viele Talente, die nicht mehr den klassischen Karriereweg gehen möchten und gerne für Start-ups arbeiten", sagt der Contigua-Chef.
Etablierte Starthilfe kommt von einer staatlich und durch Unternehmen geförderten Institution: "Evobis bietet den Gründern vor allem Kontakte über sein Netzwerk, aber auch Weiterbildungen und Finanzierungen", erklärt Geschäftsführer Carsten Rudolph. Evobis veranstaltete Ende Oktober zudem die Münchner Start-up Demo Night. 50 Gründungen und 600 Besucher zeigen das hohe Interesse in der Stadt. Zu den potenziellen Evobis-Kapitalgebern gehören nicht nur Banken, sondern auch ein Netzwerk aus Privatpersonen, Business-Angels sowie Venture Capitalists. Im letzten Jahr erreichte Evobis ein Finanzierungsvolumen von 17 Millionen Euro. Auch der Kontakt zur Wissenschaft ist gesichert: Die Hochschulen sind Gesellschafter. Zu den unterstützten Firmen gehören die Crowd-Testing-Plattform Testbirds und der Online-Medien-Marktplatz Crossvertise.
Das von Evobis unterstütze Crossvertise ist kürzlich in größere Räume umgezogen und stockt personell auf – dank einer Millioneninvestition vom Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer. Den lokalen Arbeitsmarkt bezeichnet Mitgründer Matthias Völcker als angespannt. "Neben einigen schnell wachsenden und zudem hoch finanzierten Start-ups mit großem Personalbedarf, buhlen auch Medienhäuser, Agenturen und die Industrie um gute Mitarbeiter", erklärt Völcker. So zieht der Berliner Inkubator Rocket Internet in München derzeit mit Westwing, 21Diamonds und Paymill große Start-ups hoch. Für Berliner Gehälter würde allerdings wegen der hohen Lebenshaltungskosten in der bayerischen Landeshauptstadt keiner arbeiten.
Investoren sind in München zwar reichlich vorhanden, doch die Geldsuche gerade in der Frühphase gestaltet sich schwierig. "Dies war mit ein Grund, dass wir die Venture Wiesn zusammen mit anderen Gründern ins Leben gerufen haben, um Gründer und Investoren in zünftiger Atmosphäre zusammenzubringen", sagt Völcker. Hier pitchen die Geldgeber vor den Start-ups und nicht andersherum. Dagegen lädt der Scout24-Inkubator You Is Now regelmäßig Gründer zum Networken ein. "Im Vergleich zu Berlin gibt es deutlich weniger Events", so Inkubator-Chef Stefan Lemper. Das steigere die Resonanz und die Sichtbarkeit der Treffen. In Berlin engagiert sich You Is Now wegen ImmobilienScout24 in diesem Segment. Am Hauptsitz der Scout24-Gruppe deckt der Inkubator alle anderen Bereiche ab - vor allem aber auch AutoScout24.
Ähnlich macht es der TV-Konzern ProSiebenSat.1, der neben dem Beteiligungsarm SevenVentures eine eigene lokale Talentschmiede gelauncht hat. "Unser Accelerator-Programm funktioniert nur an unserem Headquarter in München", sagt New-Media-Vorstand Christian Wegner. Vor Ort stehen über 2200 Kollegen von ProSiebenSat.1 mit unterschiedlichstem Know-how als potenzielle Coaches zur Verfügung.
Sebastian Schmidt, früherer Geschäftsführer von Groupon Deutschland, ist dagegen von Berlin zurückgekehrt und hat in München die Internet-Holding Brandlab gegründet. Zuletzt hat er die Veranstaltung "Wirtschaftsdinner" ins Leben gerufen, wo sich Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft, Old-Economy und Web-Economy treffen. "Hier sehe ich im Vergleich zu anderen europäischen Städten noch Nachholbedarf in München für eine bessere Vernetzung nicht nur der wachsenden Gründerszene", sagt Schmidt.
Das gilt auch für andere Bereiche: "München als Standort schafft es leider nicht, sich entsprechend zu vermarkten, hier können wir von Berlin noch lernen", so Völcker. Allerdings wollen die Münchner die Preußen nicht imitieren. Hiesige Jungunternehmer geben sich anders als die in Berlin: "Bei uns treffen Sie noch Gründer im Anzug", erklärt Rudolph. Statt Laptop und Lederhosen müsste es dann Tablet, Android und Anzug heißen.
Auswahl vielversprechender Start-ups: Adwalk, Jobcrowd, miBaby, Paymill, Regiondo, Shave-Lab, Soma Analytics, Testbirds, Tickethelden, Tiramizoo, Wywy
Auswahl lokaler etablierter Start-ups: 10Stamps.de, 21Diamonds.de, Altruja, Carpooling.com, Crossvertise, HolidayInsider, Lingoking, Stylight, Westwing, Zooplus
Auswahl Geldgeber vor Ort: Astutia, Burda Digital Ventures, Earlybird, German Ventures, Holtzbrinck Ventures, SevenVentures, Target Partners, Wellington
Auswahl von Inkubatoren: Rocket Internet, VentureStars, Wayra, You Is Now
Standortbedingungen: Vorteile: Renommierte Hochschulen, viele Investoren und Inkubatoren, etablierte, öffentliche Förderung, hervorragende Infrastruktur, Nachteile: Hohe Kosten, Anspruchsvolle Klientel, Hohe Arbeitsmarktkonkurrenz
Start-up-Wettbewerbe/Events: Businessplan Wettbewerb, DLD, Echtzeit, Münchner Start-up Demo Night, Münchner Webwoche, Munich Venture Summit, Usability Fix, Venture Wiesn.
W&V hat sich in einer "Tour de Start-ups" in neun deutschen Städten umgesehen. Besucht wurden: Berlin, Hamburg, Leipzig, Dortmund, Köln, sowie Frankfurt, Karlsruhe, Stuttgart und München.