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Tonies: Erfolgstöne im Kinderzimmer
Eine Idee aus dem Kinderzimmer erobert immer mehr Kinderzimmer: Die Toniebox, der weiche Würfel mit digitalem Kern, schwimmt weiter ganz oben auf der Erfolgswelle und ist regelmäßig ausverkauft.

Foto: Toniebox
Panisch suchende Eltern in einschlägigen Fachgeschäften, fast schon verzweifelte Hilferufe auf Social-Media-Plattformen. Verzweifelt gesucht: die Toniebox! Aktuelle Chancen, noch eine aufzutreiben: sehr gering! Szenen, wie man sie eher aus Geschichten um das iPhone kennt, spielen sich auf der Jagd nach der kleinen Box ab. Toniebox? Was Menschen ohne Kinder im entsprechenden Alter mit einem ratlosen Stirnrunzeln hinterlässt, ist für viele Eltern längst fester Bestandteil des täglichen Lebens. Genauer gesagt: für deren Kinder. Vereinfacht gesagt handelt es sich um ein Audio-Lösung, die eine ganze Reihe von Problemen auf sehr einfache Art aus der Welt schafft. Charmante Digitalisierung im Kinderzimmer sozusagen. Das System besteht aus einer Abspielstation, der Tonie-Box und Datenträgern, den Tonies eben. In den Figuren steckt ein NFC-Chip. Beim Aufsetzen der Hörfigur erkennt die Box den Tonie und weiß, was sie abspielen soll.
Damit ist auch schon eines der Erfolgsgeheimnisse erklärt. Die Bedienung ist so einfach, dass selbst Zweijährige damit ohne Hilfe von Erwachsenen problemlos zurechtkommen. Weiterer Vorteil: weder Gerät noch Tonträger sind so leicht kaputtzukriegen - vor allem im Vergleich zu CD, Kassette und den zugehörigen Abspielgeräten. Ebenso wichtig: Eltern wissen stets, was ihre Kinder zu hören bekommen - im Umgang mit Tablets, Smartphones oder Geräten wie Alexa gar nicht so leicht sicherzustellen. Das alles hat inzwischen offenbar so viele Menschen überzeugt, dass die Toniebox an Weihnachten zu den ganz großen Nummern unter dem Christbaum gehörte - wenn man sich denn rechtzeitig ein System besorgt hatte. In der Vorweihnachtszeit waren die Geräte schlichtweg ausverkauft. Wer nicht einen Glückstreffer im Geschäft landete oder das Mehrfache des Normalpreises auf Ebay und anderen Verkaufssplattformen investieren wollte, der musste sich bis Mitte Januar gedulden. Und wer jetzt nicht ganz schnell war, der hat schon wieder Pech gehabt. Die Toniebox ist aktuell erneut flächendeckend ausverkauft, inzwischen wird es sogar bei den Figuren zum Teil ziemlich eng.
"Die Nachfrage ist weiterhin gigantisch"
Die Väter des Erfolgs leben seit Monaten zwischen "sehr, sehr happy" und "wirklich schade". So jedenfalls beschreibt Patric Faßbender die Stimmungslage mit Blick auf die Tatsache, dass die Nachfrage das Angebot bei den Tonies weiter deutlich übertrifft. Faßbender hat zusammen mit Marcus Stahl die Tonies und Toniebox erfunden und die boxine GmbH gegründet, "zwei nicht mehr ganz junge Gründer eines jungen deutsches Startup-Unternehmens mit Sitz in Düsseldorf", wie Faßbender das Duo selbst beschreibt. "Wir hätten aber einfach nicht mehr herstellen können", sagt Faßbender rückblickend zum Buy-Out rund um Weihnachten. Auch jetzt seit die "Nachfrage weiterhin gigantisch". Man produziere und liefere weiterhin aus, auch deutlich mehr als ursprünglich geplant. Und dennoch: "Wir sind noch nicht in der Lage, die enorme Nachfrage komplett zu bedienen".
Man habe ein neues Produkt geschaffen, für das es bisher keine Referenz gegeben habe, sagt Faßbender. Das zeigen auch die Zahlen. Ursprünglich hatten die beiden Gründer mit maximal 20000 verkauften Boxen pro Jahr gerechnet. In 2017 gingen deutlich über 145.000 Boxen in den Handel. "Soweit wir wissen, sind die bis auf ein paar Einzelstücke alle verkauft worden", sagt Faßbender. Die verzweifelte Suche von potentiellen Käufern stützt seine These.
Die Geschichte der Toniebox ist fast schon mustergültig für die Erfolgsgeschichte eines StartUps. Grundvoraussetzung: das Produkt löst ein bei möglichst vielen Menschen existierendes Problem. Gründer Faßbender selbst gehört zu den Betroffenen, die Idee ist quasi im Kinderzimmer entstanden. Hinzu kommt eine erheblich Emotionalisierung in Zusammenhang mit dem Produkt. Bei den Tonieboxen lässt sich das schon an der Community erkennen, die sich beispielsweise bei Facebook ohne Zutun der Hersteller gebildet hat. Dort gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Gruppen rund um das Thema Toniebox, die einige tausend Mitglieder haben. Für die beiden Gründer auch finanziell ziemlich erfreulich. "Wir hatten nur ein sehr überschaubares Marketing-Budget", räumt Faßbender ein. Der Düsseldorfer kommt selbst aus der Werbung, hat unter anderem für Ogilvy mit vielen Marken gearbeitet und sagt: "Für den Erfolg, die Dynamik waren vor allem die Social-Kanäle verantwortlich. So haben wir die kritische Masse erreicht". Erst später habe man das mit kleineren TV-Spots bei Disney und auf SuperRTL begleitet. Wie intensiv über die Tonies im Netz gesprochen wird, zeigt auch eine Analyse von VICO Research rund um den letzten Black Friday, bei der rund 100.000 deutschsprachige Social-Web-Beiträge untersucht wurden. Im Ranking der stärksten Marken reihten sich da, für viele sehr überraschend, die Tonies direkt hinter Samsung und Apple auf dem dritten Platz ein, vor nicht ganz unbedeutenden Unternehmen wie Sony und Philips.
Die beiden Gründer wollen derweil weitere Kapitel der Erfolgsgeschichte schreiben. Mitte Februar wird es beispielsweise eine Tonies Hörnacht in Düsseldorf geben, weitere Auflagen in anderen Städten nicht ausgeschlossen. Ganz sicher ist, dass immer mehr erfolgreich Hörspiel-Formate auch auf die Toniebox drängen. Der nächste Neuzugang steht bereits fest: ab Februar wird Leo Lausemaus zur Familie der Tonies gehören und seine Geschichten erzählen - zumindest dort, wo es trotz der Lieferengpässe schon eine entsprechende Box gibt.