Schokolade:
Toblerone: Süßer Gipfel mit Format
Die Toblerone, seit über 100 Jahren auf dem Markt, verkörpert Schweizer Lebensart auf eine ganz besondere Weise. Und lieferte schon Josef Ackermann seine Kraftreserven.
Toblerone ist Schokolade in einzigartiger Form: Die Entstehungsgeschichte von Produkt und Verpackung ist so geheimnisvoll wie das Rezept. Für die einen lieferte das Matterhorn die Vorlage, für die anderen die Choreographie aus der Pariser Revue Folies Bergères, wo sich die Damen zu einer kunstvollen Pyramide formierten – so erzählten es jedenfalls später die Gründersöhne; andere wiederum glauben, dass das Freimaurersymbol Pate stand. Wie auch immer: Kaum ein Produkt ist so sehr zu einem haptischen Synonym für die Schweiz geworden wie die in 122 Ländern verkaufte Schokoladenmarke Toblerone mit dem Matterhorn auf der Packung.
Seit der Berner Chocolatier Theodor Tobler (1876 bis 1941) anno 1908 seine Kreation aus Kakao, Honig und Mandeln in die Geschäfte brachte, wurden gut 400 Millionen Exemplare davon verkauft. Sie alle kommen aus einer grauen, unscheinbaren Fabrik in Bern-Brünnen. In diesem nicht gerade mondänen Viertel der Schweizer Hauptstadt steht die weltweit einzige Produktionsstätte von Toblerone. Sie ist Jahr für Jahr das Ziel von 166 Güterwaggons mit Kakao und 350 Waggons voll mit Zucker. Die Milch, mit der das alles zusammengerührt wird, stammt aus den Eutern von 14.000 Kühen auf 680 Schweizer Bauernhöfen.
Schon als die ersten Päckchen mit dem ungewöhnlichen Format in die Öffentlichkeit gelangten, trieb ihren Schöpfer eine panische Furcht vor Nachahmern um. Dass die Toblerone zu großem Ruhm gelangen würde, stand für Theodor Tobler von vornherein fest. Jetzt galt es nur noch, das Produkt zu schützen. Die Anmeldung 1909 beim Eidgenössischen Patentamt Bern fand just im selben Gebäude statt, wo noch ein paar Jahre vorher ein kauzig wirkender "Technischer Experte 3. Klasse" komische Berechnungen auf einen Zettel schrieb: Auch Albert Einstein wusste, dass er mit seiner Arbeit die Welt verändern würde.
Die Welt der Chocolatiers jedenfalls wurde um eine Kreation bereichert, die bis zum heutigen Tag die Fantasie der Nichtberufenen beflügelt. Rund um die Welt hat Mondelez International – so heißt heute der Lebensmittel-Multi Kraft Foods, dem Toblerone nach vielen Zwischenschritten gehört – Horch- und Guckposten installiert, deren Aufgabe darin besteht, aufzupassen, dass keine Plagiate wo auch immer in die Läden schwappen. "Es kommt vor allem im asiatischen Raum immer mal wieder vor, dass Nachahmerprodukte auftauchen", berichtet Mondelez' Corporate-Affairs-Managerin Anita Geiger. Dann werden alle Register des Internationalen Patent- und Warenrechts gezogen, um die Unterwanderung zu stoppen.
Toblerone, die laut "Brand Asset Valuator 2013" zweitstärkste Marke der Schweiz, sieht sich auch unter "normalen Umständen" herausgefordert. Als weltweit bekannte Ikone möchte man bei den Konsumenten von New York bis Abu Dhabi weiterhin "Top of Mind" bleiben. Dafür wirbt die Marke Above- und Below-the-Line, mit starker PoS-Präsenz - und indem sie stets innovativer Neuprodukte entwickelt.
Doch bei aller Internationalität hat die Marke ihre Heimat nicht vergessen. Man setzt in der Kampagne auf die Schweiz, ihre Berge und den damit verbundenen Lifestyle. Zermatt, Arosa, Lenzerheide und Haute Nendez bilden die Kulisse für die Werbung. Dass dabei auch neue Konsumenten und deren Kommunikationsverhalten berücksichtigt werden, ist klar: Allein die Schweizer Toblerone-Facebook-Fanpage besitzt über 140.000 Fans, die internationale Marken-Fanseite 2,8 Millionen. Daher verlautet auch aus dem Marketing, dass man "den Kunden sehr gerne eine Plattform zum Meinungsaustausch bieten" möchte, dass man aber anderseits diese Möglichkeit selbstverständlich für die News-Kommunikation nutzt: "Wir setzen auf ganzheitliche Kommunikationskonzepte, die den Konsumenten mehrfach erreichen", erklärt Anita Geiger. Zum Beispiel Gewinnspiele. Einen Jubiläumsspot im Fernsehen 2008. Oder Anzeigen von Beginn an.
Eingefleischter Toblerone-Fan, schon lange bevor Facebook die Fans einte, ist übrigens seit Jahrzehnten der frühere Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Und der prominente Kunde greift offenbar vor allem dann zur Dreieicksschokolade, wenn Probleme auftauchen. Ackermanns Biograf Stefan Baron beschreibt das in seinem Buch so: "Wenn es mal eng wurde, war es wichtig, dass für Notstände genügend Toblerone-Schokolade in der Schublade" lagen. Die Kraftschachteln scheinen dem aus dem Appenzell stammenden Banker geholfen zu haben. Denn er erreichte, wie vorgesehen, seine Altersgrenze im Amt. Ob Josef Ackermann bei seinem Folge-Job als Verwaltungsratspräsident der Zurich Gruppe den Nachschub vergessen hat, ist nicht überliefert. Jedenfalls blieb er dort nicht länger als 15 Monate.
Über 100 Jahre erfolgreich auf dem internationalen Markt – eine bemerkenswerte Leistung. Von den großen Schokoladenmarken, die eine solche Strecke vorweisen können, gibt es noch nicht einmal ein halbes Dutzend. "Wir pflegen unsere Marken im Rahmen einer klar definierten Equity-Strategie", sagt Geiger. Von dieser würden alle Kommunikations-Aktivitäten abgeleitet. Was man dabei berappt, mag Anita Geiger nicht sagen; sie belässt es bei Auskünften über das Handwerk.
Das Produkt hat sich dem veränderten Publikumsgeschmack angepasst. So kam es erst 1969 neben der klassischen Ausgabe (in verschiedenen Größen) zu Toblerone Dunkel; seit 1973 gibt es die weiße, seit den 90er-Jahren die blaue, 2008 die lila Toblerone und 2009 kam "Honey & Crisp" dazu.
An einem allerdings wird vermutlich auch in den nächsten 100 Jahren nicht gerüttelt: Es ist die Dreiecksform. Dabei scheuen die Schokoladenmacher zwischenzeitlich aber nicht vor dem Sakrileg zurück: Erstmals kreierten sie im vergangenen Jahr eine Toblerone Flachtafel – immerhin: natürlich dreieckig.