Kolumne:
TikTok, Daten und Trumps Narzissmus
Nico Lumma und Christoph Hüning vom Next Media Accelerator beschäftigen sich mit Themen, über die man im Laufe der Woche sprechen sollte. Diesmal: Was Europa aus dem Fall TikTok lernen kann.
In den letzten paar Jahren hat ein Social Network die Smartphones im Sturm erobert, das lange nicht auf dem Radar vieler Deutscher über 25 war: TikTok. 800 Millionen monatliche Nutzer soll dieses Startup haben, das zum chinesischen Konzern ByteDance gehört. Der breiten Öffentlichkeit ist es sicherlich erst gerade dadurch bekannt geworden, dass der amerikanische Präsident Donald Trump es aufgrund einer Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA zunächst verbieten wollte, jetzt aber anregt, das US-Geschäft an eine US-Firma zu verkaufen. Microsoft ist angeblich gerade in Verhandlungen und auch Twitter hat schon Interesse signalisiert.
Es ist auf den ersten Blick verwunderlich, wie ein mobile Social Network, das sich eher an jüngere Nutzer*innen richtet und durch viel User-generated Video-Content auffällt, eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA sein kann. Trump führt an, dass die Daten der Nutzer*innen an die Machthaber in China weitergegeben werden und so die amerikanischen Nutzer*innen ausgespäht werden. Das wirkt auch auf den zweiten Blick merkwürdig, denn bislang ist die USA nicht durch krasse Datenschutzrichtlinien aufgefallen oder hat sich gegenüber Firmen aus China allzu kritisch gezeigt. Zumal TikTok in den AppStores von Apple und Android ist und somit deren Prüfungsschleifen durchlaufen hat. Dem chinesischen Konzern Tencent bspw. gehört knapp die Hälfte an Epic Games und dennoch wird Fortnite in den USA immer noch gespielt und ist fester Bestandteil der Popkultur. Auch Grindr wird immer noch gerne genutzt, aber trotz Daten über sexuelle Vorlieben und einem chinesischen Besitzer scheinen diese Daten keine Bedrohung für die nationale Sicherheit der USA darzustellen.
Die Entscheidung, ByteDance aus dem US-Markt drängen zu wollen und TikTok in US-Hände zu geben, ist von Narzissmus getriebene Industriepolitik. Trump ist auf einem Rachefeldzug gegen TikTok, da koreanische K-Pop Kids und ihre Fans mit vielen, vielen Registrierungen dafür gesorgt haben, dass Trump und die Republikaner davon ausgegangen waren, dass seine Veranstaltung in Tulsa, Oklahoma ein großes Zeichen von Stärke und Zuspruch hätte sein müssen. Das Gegenteil war der Fall, die Halle war leer und auch vor der Halle war nichts los. Diese Blamage war der Auslöser für die jetzige Aktion gegen TikTok, die Bedrohung für die nationale Sicherheit ist nur konstruiert. Accounts wie Sarah Cooper, die für ihre Lip-Sync Clips zu Reden von Trump berühmt ist, sind es, die Trump missfallen. Zum Gesamtbild gehört auch, dass auf Twitter gerade unter dem Hashtag #TrumpmadeinChina zahlreiche Beiträge erscheinen, die dokumentieren, dass auch Merchandise und Kollektionen der Familie Trump in China gefertigt wurden und werden.
Aber aus europäischer Sicht ist das übergeordnete Thema interessant. Wir haben andere Vorstellungen von Datenschutz als die USA und als China und freuen uns darüber, dass der europäische Markt für Investoren aus den USA und China immer interessanter wird. Auch Exits von Startups in Richtung USA oder China werden zumeist gefeiert, wenn auch die Abwanderung von Ideen und Innovation nicht nur positiv ist. Wir halten die Abschottung von Märkten in einer globalen Welt für ein zweifelhaftes Konzept, aber die Durchsetzung von Standards sollten wir einfordern, zumal sich Firmen aus Europa an diese halten müssen. Auch wenn es unpopulär sein mag und große Konzerne es gut verstehen, die europäischen Staaten gegeneinander auszuspielen, so sollten wir darauf pochen, dass die EU nicht untergeht im Kampf um die Vorherrschaft im Netz.
Startups aus Deutschland haben es ungleich schwerer, in die USA oder nach China zu expandieren, aber im Gegensatz dazu machen wir den europäischen Markt weit auf und freuen uns über alle Startups, die hier Fuß fassen wollen. Anstatt von Egoismus geleitete Industriepolitik zu praktizieren, sollten Deutschland und die EU definieren, was in unserem Interesse ist und was nicht, damit entsprechende Maßnahmen getroffen werden können, um Intellectual Property und Daten in Europa halten zu können.