Kolumne:
Thinking on Design: Was ist die Marke AEG - und wenn ja, wie viele?
Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit hat die Traditionsmarke AEG ihr 100 Jahre altes Logo verändert. Aber wer und was ist AEG jetzt eigentlich noch? Und wie führt man eine Marke, die fast totlizensiert worden ist?
Es gibt eine ganze Reihe deutscher Elektronikkonzerne, die einst eine hohe Reputation besaßen und für Wertarbeit "Made in Germany" standen, aber dennoch nicht überlebt haben. Sei es, weil sie Preisschlachten mit der asiatischen Konkurrenz nicht gewinnen konnten, Trends verschlafen oder eklatante Managementfehler gemacht haben. Braun, Grundig, Dual, Nordmende oder Telefunken sind hierfür nur einige Beispiele. Oder eben AEG. Die Nostalgiker erinnern sich vielleicht noch an den Konzern AEG-Telefunken: 1970 stand dieser in der Weltrangliste der größten Elektrounternehmen an zwölfter Stelle und beschäftigte weltweit 178.000 Mitarbeiter. Und heute?
Heute gibt es das Unternehmen AEG nicht mehr, die Marke selbst ist seit rund zwanzig Jahren Teil des schwedischen Electrolux-Konzerns. Dieser führt in eigener Regie die Hausgerätemarke AEG, vergibt darüber hinaus aber auch eine Vielzahl an Lizenzen an fremde Unternehmen. Deshalb gibt es von AEG Elektroartikel fast jeder Kategorie – zum Beispiel Bohrmaschinen, Leuchtmittel, Musikanlagen, Autoradios, Ladegeräte, Mobiltelefone, Nähmaschinen und auch Haustechnik. Allerdings gibt es keine ersichtliche Produktstrategie, keine Portfolioübersicht und auch keinen Hinweis, welches Unternehmen hinter der Produktion steckt.
Und dennoch reicht der bloße Markenname AEG offensichtlich aus, um die Produkte verkaufen zu können. Er ist ein gutes Beispiel dafür, dass der Glanz großer Marken, die sich irgendwann einmal als "deutsche Wertarbeit" in die Verbraucherhirne eingebrannt haben, nur langsam verblasst. Darüber, warum dies so ist, lässt sich nur spekulieren: Vielleicht geht ein Besitzerwechsel an vielen Leuten vorbei; vielleicht wollen sie nicht wahrhaben, dass immer seltener in Deutschland produziert wird. Oder sie freuen sich einfach darüber, im unüberschaubaren Produktangebot eine vermeintliche Orientierung zu haben, indem sie eine Marke wiedererkennen?
Egal wie: Die Marke AEG besitzt einen guten Klang und deswegen hat sich Electrolux entschieden, die entsprechenden Hausgeräte konsequenter im Premiumsegment zu positionieren. Zwei Jahre lang wurde an dieser Ausrichtung gearbeitet, auf der IFA wurde sie unlängst präsentiert. Die neuen Produkte will ich nicht bewerten. Ich finde zwar, dass diese auf den ersten Blick nicht als Premium-Angebot aus dem Wettbewerb herausstechen, aber wer weiß – vielleicht sind die technischen Features ja tatsächlich wegweisend.
Neu ist auch der Markenauftritt mit einem veränderten Logo: 100 Jahre haben die vom Architekten Peter Behrens gestalteten drei Buchstaben AEG unverändert überstanden, jetzt sind sie schlanker geworden und die Serifen entfallen. AEG bleibt rot, steht aber aufgrund des Premiumanspruchs auf Schwarz. Zum Glück ist zudem das Bildzeichen von Electrolux vor dem AEG Schriftzug verschwunden, denn ich fand: Entweder ist ein Produkt von Elektrolux oder von AEG – warum sollten beide Marken gleichzeitig absenden? Insgesamt sieht das neue Design nicht besonders innovativ aber doch hochwertig aus und passt auch besser zur Technologiebranche.
Ich bedaure also nicht das Sterben einer Ikone, denn wie gesagt: AEG ist längt nur noch eine Hülle, die keinen Bezug mehr zur einstigen "Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft" und dem sinnstiftenden Claim "Aus Erfahrung gut" hat. Was mich jedoch irritiert ist, dass die jetzige Neupositionierung nicht zum Anlass genommen wurde, eine neue Story zu suchen: Auf der neuen Internetseite gibt es keinerlei Aussage dazu, wofür die Marke stehen will.
Und noch eine Frage stelle ich mir: Es ist ja schön, dass sich Electrolux entscheidet, die Hausgerätemarke AEG hochwertig zu positionieren – aber was passiert denn eigentlich mit den ganzen Lizenzprodukten anderer Hersteller? Müssen diese beim alten Schriftzug bleiben? Oder wie gelingt es, diese unter das gemeinsame Markendach zu bewegen? Diese Fragen werden letztlich darüber entscheiden, ob AEG auch weiterhin als konsistent und werthaltig wahrgenommen wird.
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.