Norbert Möller über die Rückkehr von Memphis Design:
Thinking on Design: Die neue Sehnsucht nach Spaß
Unser Designkolumnist Norbert Möller hat einen Trend entdeckt, der ihm persönlich gar nicht so gefällt: Die Rückkehr von Memphis Design. Warum jetzt die 80er zurückkommen.
Zu Beginn des Jahres kann man darüber nachdenken, welche Designtrends uns wieder mal bevorstehen. Dabei machen die Trends ja eigentlich nicht vor einem Jahreswechsel halt. Und manche Trends geben nie auf und kommen immer mal wieder.
In der vergangenen Woche zeigte mir eine Kollegin einen Entwurf für einen kleinen Messestand mit geringem Budget. Ihrer Meinung nach sollte der Stand, da er klein sei, auf jeden Fall auffallen. Er war gestaltet in bunten Bonbonfarben und auffälligen Streifenmustern – es sah aus wie ein Memphis-Design.
Auf meine Nachfrage hin, wie sie auf diese Gestaltungssprache gekommen sei, die ja immerhin schon dreißig Jahre zurückliegt und mich sofort an meine Studienzeit erinnerte, meinte sie, dass das der totale Trend sei. Sofort wurden mir die aktuellen Interior-Design-Magazine vor die Nase gehalten, voll mit Adaptionen von Memphis. Hin und wieder waren mir im letzten Jahr schon Motive aufgefallen, die mit Versatzstücken von Memphis in der Gestaltung arbeiten, auch die aktuelle Spotify-Kampagne spielt ja mit dem Thema.
Man möge es mir verzeihen, aber mit Memphis kam ich nie klar. Obwohl die grundsätzliche Idee in den 80ern etwas Sympathisches hat. Eine Gruppe Designer um Ettore Sottsass hatten die Nase voll vom Industriediktat und gründeten in Mailand die Designgruppe Memphis. Aus "Form follows function" wurde "Form follows fun". So entstand eine Art Antidesign. Bunt, verspielt und absurd. Es war in gewisser Art und Weise rebellisch gedacht, vor allem, weil es auch damals nicht nur Liebhaber gab. Memphis wollte mit funktionalem und sterilem Design brechen und mit Witz, Ironie und Widersprüchlichkeit für mehr Emotionen und Sinnlichkeit sorgen. Von den Gründern war es auch nicht als Designbewegung gedacht, sondern als ein ständiger Diskurs in unserer ausdruckslosen Welt.
Und in Memphis steckt auch Musik: Der Name gründete auf einem Bob-Dylan-Song, "Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again". Angeblich soll bei der Gründungssitzung bei Ettore Sottsass zu Hause die Plattennadel beim Wort Memphis versprungen sein. Und letztendlich steht Memphis für Rock’n’Roll, wegen der Verbindung der Stadt in Tennessee zu Elvis Presley. Was ich mir wahrlich nicht vorstellen konnte, im Zuge des Revivals jedoch gelernt habe, ist, dass David Bowie eine der größten Memphis-Sammlungen besaß. Ich finde ja: Man muss echt Mut haben, um mit den Möbeln leben zu wollen – aber Bowie wollte eben ein Rebell sein und die Memphis-Bewegung auch. Das passt dann doch irgendwie.
Aber: Was macht den neuen und alten Trend im Moment aus? In den 80ern wurden ein paar andersartige Ikonen geschaffen, die auf den Möbelmessen für Furore sorgten. Heute werden eher Elemente davon zitiert. Farben, Formen, Oberflächen und Muster werden dekorativ eingesetzt. Skandinavisches Möbeldesign wird mit Dazzle-Mustern ergänzt oder Ornamente tauchen in der Mode auf. Es ist damit kein kompromissloser Kitsch mehr, aber immer noch ein Zeichen für die Freude am nicht-funktionalem Design.
Warum der Trend gerade jetzt wieder Fahrt aufnimmt: Mein Eindruck ist, dass wir in einer sehr funktionalen Welt leben und der Spaß gerade abnimmt. Vielleicht brauchen wir daher genau jetzt wieder Memphis als Gegengewicht. Wir sollten mal darüber nachdenken.
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.