Norbert Möller:
Thinking on Design: Die Tücken der Frakturschrift
Die Diskussion um ein missglücktes Logo der Polizei Sachsen nimmt W&V-Kolumnist Norbert Möller zum Anlass, um über den richtigen Einsatz der gebrochenen Schrift zu sinnieren.
Die Polizei Sachsen sorgte in dieser Woche mit zwei neuen SEK-Panzerwagen für Aufregung. Konkreter mit den Stickereien, die Hersteller Rheinmetall auf die Sitze sticken ließ. Denn das Wappen mit Lorbeerkranz, Adlerschwingen und Frakturschrift erinnert stark an die Nazi-Zeit. W&V hat Kolumnist Norbert Möller, ECD der Peter Schmidt Group, um eine Einschätzung gebeten.
Fragt man mich, wie ich ein Logo finde, will ich als erstes dessen Anwendung sehen. Ich will wissen, ob das Zeichen funktioniert, wie es funktioniert und welche anderen Elemente es noch gibt, die die Wahrnehmung der Marke prägen. Ein Logo ohne Zusammenhang zu bewerten, ist eigentlich nicht seriös. Aus diesem Grund fällt es mir schwer, das – ja, ist es das überhaupt? – Logo des Spezialeinsatzkommandos der Polizei Sachsen zu bewerten: Es ist streng genommen "nur" eine geschmacklose Stickerei auf den Sitzen von zwei Polizeifahrzeugen. Es ist auch kein Logo der Polizei, sondern ein Konglomerat verschiedenster Versatzstücke. Das ist alles nicht gut, aber doch eigentlich kein Fall für eine Logokritik.
Zwei Aspekte würde ich jedoch gerne in einem seriöseren Kontext noch einmal ausdiskutieren. Einerseits: Die Rolle einer gebrochenen Schrift, die schon seit dem 12. Jahrhundert existiert und leider durch die Nationalsozialisten einen schlechten Ruf bekommen hat. Diese waren es aber kurioserweise auch, die die Fraktur 1941 abschaffen und durch die Antiqua ersetzen wollten. Richtig eingesetzt bietet eine gebrochene Schrift allerdings sehr schöne Möglichkeiten, um den Traditionsbezug von Marken zu vermitteln. Und in Kombination mit modernen Elementen lassen sich spannungsreiche Auftritte erzeugen, die fröhlich und aufgeschlossen wirken.
Der andere Aspekt ist die starke Codierung von Gestaltungselementen. Sowohl Markenverantwortliche wie Designer können nicht ignorieren, dass jedes Bild, jede Form, jede Farbe, jedes Kommunikationsthema mit Werten aufgeladen ist, die unterbewusste Assoziationen hervorrufen und die schneller funktionieren, als jede rationale Überlegung. Diese Codes kann man sehr gezielt einsetzen, um die Wirkung einer Gestaltung bei der Zielgruppe zu lenken – oder aber man sollte sie meiden. Adlerschwingen, Lorbeerkranz und Frakturschrift sprechen hier eigentlich eine eindeutige Sprache. Aber damit wäre ich schon wieder bei einer Logokritik, die ich eigentlich vermeiden wollte.
In den sozialen Medien verbreitete sich ein Foto mit den Stickereien. Die Polizei Sachsen will nach Medienberichten die Stickereien entfernen:
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.