Norbert Möller:
Thinking on Design: Das neue Logo rückt Juventus näher ans Geld
Das neue Logo von Juventus Turin markiert einen radikalen Bruch mit den Traditionen des italienischen Clubs. W&V-Kolumnist Norbert Möller lobt das Design, das aus dem Verein eine Marke macht. Doch er vermisst etwas ganz Entscheidendes.
Wenn ein Fußballklub sein Vereinszeichen modifiziert, so ist dies meist keine große Meldung wert: Im Vereinsforum diskutieren eingefleischte Fans und in Designblogs streiten Gestalter über Strichstärken, aber der große mediale Aufschlag bleibt meist aus. Bei Juventus Turin war dies anders: Am Montagabend präsentierte der Klub sein neues Logo – nur einen Tag später hatte nicht nur die Design-Fachpresse berichtet, auch große Nachrichtenportale wie Spiegel Online brachten die Meldung prominent. Radikalität schafft eben Aufmerksamkeit – oder umgekehrt gedacht: Wenn das Medienecho derart laut ist, muss das neue Zeichen verdammt radikal sein. Und tatsächlich ist es das.
Der Bruch zur Vergangenheit könnte größer nicht sein – und das bei der großen "alten Dame" des italienischen Fußballs! Seit 1905 hatte sich das Vereinswappen nur marginal verändert: Es umfasste ein ovales Schild mit schwarz-weißen Längsstreifen, einen Schriftzug, eine Krone sowie ein Tier, das kurioserweise meist ein Stier, mal ein Pferd, mal ein Zebra war. Kurzum: Es sah so aus, wie man sich als Fan gemeinhin ein Vereinswappen vorstellt. All das wurde am Montagabend kurzerhand davongewischt und durch ein reduziertes "J" ersetzt. Einfarbig, Schwarz-Weiß und so geschwungen, dass ganz subtil doch noch eine Schildform erkennbar ist.
Mit dem visuellen Zeichen ändert sich zugleich der Blick auf den Absender: Ein Wappen repräsentiert einen Verein – ein Logo steht für eine Marke. Genau dieser Wandel ist kein Zufall, sondern spiegelt die Entwicklung im modernen Fußball wider. Vereine sind Wirtschaftsunternehmen; Juventus Turin beispielsweise ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft, an der die Unternehmerfamilie Agnelli über 60 Prozent der Anteile hält. Als solche muss man sich natürlich nicht nur Gedanken über Tabellenstände machen, sondern über Wachstumsraten – und darüber, wie sich das eigene Geschäftsmodell erweitern lässt. "Über den Fußball hinaus" wolle sich Juventus entwickeln, verriet Manfredi Ricca, Strategiechef der mit dem Design beauftragten Agentur Interbrand. Für einen Fußballverein ist das eine fast ungehörige Aussage. Für eine Marke hingegen ist sie logisch.
Ich persönlich sehe das Design und glaube in der Tat schon fast nicht mehr, dass ich es mit einem Fußballverein zu tun habe, so stylish sieht es aus! Die exemplarischen Anwendungen, die es zu sehen gibt, sehen wahnsinnig gut aus, wirken sportlich, kraftvoll und stechen durch ihren konsequenten Schwarz-Weiß-Look heraus. Es gibt eine eigens entwickelte Schrift, die das Logo vortrefflich begleitet, charakterstarke Shirts und Taschen; nur selten kippt die Ästhetik: Das Logo als Kettenanhänger hat für meinen Geschmack eher etwas von einer prolligen Rappermarke und der perfekt durchinszenierte Einführungsfilm zeugt von einem Hang zum Größenwahn.
Ich kann jeden Fan verstehen, dem der Bezug zur Tradition des Vereins fehlt. Auch ich selbst bin hin- und hergerissen: Obwohl ich das Logo grafisch sehr gelungen finde und feststelle, dass es zur "Marke Juventus" passt, so frage ich mich doch, ob es wirklich nötig war, den Bezug auf die Tradition des Fußballklubs derart radikal zu kappen. Mir fehlt am Logo ein kleines, emotionales Detail, an dem sich Fanseelen festhalten können. Es fehlt das Storytelling. Oder auch anders zusammengefasst: Das ist nicht mehr ein Wappen eines Fußballvereins, sondern eine neue gut gemachte Unterhaltungsmarke. Denn wenn Giorgio Moroder glaubt mit dem neuen Logo von Juve die Zukunft des Fußballs gesehen zu haben, dann wird der Fußball wohl zur Disko.
Ein kleines Detail am Rande verdient zudem noch Erwähnung, weil in ihm mehr Symbolik steckt, als man auf den ersten Blick vermutet: Präsentiert wurde das neue Logo nämlich eben nicht in Turin, wie man annehmen könnte, sondern in Mailand, der Stadt der beiden großen Liga-Rivalen AC und Inter. Mehr Distanz zu den eigenen Fans geht wahrscheinlich kaum. Aber andererseits: mehr Nähe zur Börse auch nicht. Denn auch die hat in Mailand ihren Sitz.
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.