Das Aufkommen des Craft-Beer-Trends hat obergärigem Bier zu einer neuen Bühne verholfen. Bier also, das bei einer Temperatur von 15 bis 20 Grad gebraut und damit anfälliger für Verunreinigung durch Milchsäurebakterien ist. Dieser Umstand erhöht den Aufwand für die Qualitätskontrolle und macht das Endprodukt zusammen mit geringeren Braumengen und höherem Hopfenanteil teurer.

Als Designer freue ich mich, dass Bier jetzt auch Rock’n’Roll ist oder sogar Punk sein kann, wie bei der schottischen Craft-Beer-Brauerei BrewDog, mittlerweile die größte Brauerei in Schottland. Deren erfolgreichstes Bier ist das "Punk Indian Pale Ale" und ungewöhnliche PR, wie zum Beispiel mit einem Panzer zu einer Pub Eröffnung durch London zu fahren oder das angeblich stärkste Bier in ausgestopften Eichhörnchen zu verkaufen, verschaffte ihr nicht nur Freunde – aber große Aufmerksamkeit.

Diese Kreativität setzt sich beim Craft Beer auch in der Etikettengestaltung fort. Hier will man nicht den Aufwand der großen Brauereien betreiben, sondern bewusst improvisieren, kreativ und unangepasst sein. Oft kann dies bemüht und aufgesetzt wirken, oder aber man kann sich – wie viele amerikanische und belgische Sorten – auf eine längere Historie berufen und dieser für einen selbstbewussten Markenauftritt nutzen. Dieses Level muss der deutsche Markt noch erreichen. Vielleicht auch durch eine Rückbesinnung auf Tradition: Fancy Design macht einfach noch keine Marke.

Dennoch ist es für den Moment richtig, in Deutschland mit Rock’n’Roll weiterzumachen: Der hiesige Biertrinker muss erst einmal verstehen, dass das Reinheitsgebot keine Langeweile bedeutet und dass man mit hundert Hefe- und zweihundert Hopfensorten interessante Biere brauen kann. Und was spricht dann irgendwann dagegen, dass man auch nach älteren Bierrezepten forscht und Sauerbiere entdeckt, wie das Gose-Bier aus Goslar, das mit Kochsalz und Koriander gebraut wird? Und zwar schon vor tausend Jahren! Die Zukunft des Bieres ist wieder spannend. Cheers!

Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.


Autor: Norbert Möller

Unser Design-Kolumnist Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Er studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.