Norbert Möller:
Thinking on Design: Über Logos, die man nicht verbessern kann
Im Pitch um den britischen Supermarktkonzern Coop hat sich eine Agentur mit einer verblüffenden Aussage durchgesetzt. W&V-Kolumnist Norbert Möller über Design-Evergreens und die überraschende Gemeinsamkeit einer Typografie-Legende mit einer unbekannten britischen Studentin.
Diese Kolumne hat zwei Gründe, die sich rein zufällig zu einem Thema verbunden haben. Der erste Grund ist der 2011 verstorbene Grafikdesigner und Professor Kurt Weidemann. Vergangene Woche veranstalteten wir bei einem Konzern einen Workshop zum Thema Corporate Design, in dem sich mehrere Gruppen mit den Anforderungen ihrer täglichen Markenarbeit beschäftigten. Um einen besseren Einstieg in die Diskussion zu bekommen und den Gruppen Namen geben zu können, haben wir bekannte Designer als Paten ausgewählt. Wie der Zufall es wollte, war meine Gruppe "Kurt Weidemann".
Ich habe ihn leider nicht persönlich kennengelernt, ihn aber immerhin einmal auf einem Vortrag erleben dürfen. Weidemann scheint zeitlebens ein Nonkonformist gewesen zu sein, mit revolutionärem Gedankengut – und zudem ein leidenschaftlicher Typograf. Er hat Erscheinungsbilder großer deutscher Konzerne entwickelt, wie die von Daimler-Benz und der Deutschen Bahn. Als wir in der Arbeitsgruppe über ihn sprachen, stieg meine Bewunderung für den Unangepassten und ich dachte mir: "Demnächst sollte ich über ihn schreiben!"
Der zweite Anlass dieser Kolumne ist das Redesign der weltweit größten Verbrauchergenossenschaft, der The Co-operative Group in Großbritannien, auch bekannt als Coop. Diese wurde 1844 gegründet und ist der fünftgrößte Lebensmitteleinzelhändler des Landes mit über 70.000 Mitarbeitern und 8 Millionen Mitgliedern. Bereits seit Mai dieses Jahres hat Coop ein neues Erscheinungsbild – nämlich das alte Logo von 1968, das sogenannte Kleeblatt-Logo.
Die Agentur North hatte sich im Pitch mit der Aussage durchgesetzt, dass es für einen Grafiker schlicht unmöglich sei, die Wortmarke von damals besser machen zu können.
Natürlich unterliegt die Beurteilung von Markendesign der Zeit, aber gibt es grafische Symbole, die zeitlos sind und es wert sind, erhalten oder wiederentdeckt zu werden. Eine Attitüde der Designer ist häufig, etwas nur um der Veränderung willen ändern zu wollen. Tatsächlich sieht das neue alte Coop-Logo aus, als stammte es aus unserer Zeit. Das nennt man dann zeitlos.
Und was haben beide Themen nun miteinander zu tun? Tatsächlich gestaltete Kurt Weidemann ebenfalls in den 60er Jahren das Logo der deutschen Coop-Supermärkte:
Ich war immer schon irritiert, dass es in verschiedenen Ländern Supermärkte gibt, die Coop heißen, aber unterschiedlich aussehen. Die Coop-Märkte in Großbritannien und in Deutschland haben – außer ihrer genossenschaftlichen Eigentümerstruktur – nichts miteinander zu tun. Außer eben, dass sie als Logo die gleiche Anordnung nahezu identischer Buchstaben zu einem Kleeblatt verwenden. Während für die Gestaltung des "deutschen" Logos also Kurt Weidemann verantwortlich war, wird die Urheberschaft des "englischen" Logos einer Designstudentin zugeschrieben, die für ihre Arbeit leider keine Vergütung erhalten hat.
Ich versuche mir vorzustellen, wie das damals war: Wie konnte gleichzeitig ein derart ähnliches Design entstehen? Vielleicht war es einfach naheliegend, die vier Buchstaben als Kleeblatt-Form anzuordnen. Und vielleicht ist es tatsächlich einfach parallel entstanden. Heute würde man sofort ein Plagiat unterstellen: Die Veröffentlichung im Internet macht es uns vermeintlich leicht nachzuverfolgen, wer mit seinem Entwurf "früher dran" war. Alles ist sofort verfügbar und prüfbar und entsprechend schnell kann behauptet werden, dass eine Arbeit nicht originär sei. Es wird immer schwieriger, eigenständiges Design zu entwickeln – und auch wenn man weiß, dass man es selbst entwickelt hat, kann man trotzdem nicht sicher sein, dass es nicht schon irgendwo existiert. Bei den hier zitierten Coop-Logos hat es anscheinend fünfzig Jahre gedauert, bis es aufgefallen ist.
Amüsant ist übrigens ein kleiner Filmschnipsel, man auf Youtube findet: Kurt Weidemann erklärt hier, dass die vier Buchstaben im Wort Coop eigentlich asozial sind, weil die Buchstabenformen rund und in sich geschlossen seien. Er behauptet, dass sie damit für sich genommen Egoisten seien – ganz entgegen der eigentlichen Bedeutung des Wortes. Buchstabenzeichen wegen ihrer Geschlossenheit als asozial zu bezeichnen, lässt mich als Gestalter natürlich schmunzeln und bringt zugleich die Unangepasstheit von Kurt Weidemann auf den Punkt.
Der Autor: Norbert Möller ist seit 2003 Executive Creative Director der Peter Schmidt Group und leitet deren Corporate Design Team am Standort Hamburg. Zu den von ihm betreuten Marken und Unternehmen zählen unter anderem Linde, Henkel, Kühne+Nagel, die Postbank, REWE, die Stadt Hamburg und das Goethe Institut. Möller studierte Visuelle Kommunikation an der HfBK Braunschweig und arbeitet seit 1992 bei der Peter Schmidt Group, darunter von 1999 bis 2003 als Geschäftsführer.