"Welt bleib wach" gegen Leserschwund:
Thalia wirbt mit Bücherhasser Trump für das Bücherlesen
Thalia kündigt eine Neuausrichtung an und startet eine ungewöhnlich angriffslustige Werbekampagne für das Bücherlesen. Unfreiwilliger Helfer: Donald Trump. Auch Youtube und Netflix bekommen ihr Fett weg.
Dem deutschen Buchhandel laufen die Leser weg. Allein in den vergangenen fünf Jahren verlor er nach Daten des Börsenvereins des Buchhandels rund 6,4 Millionen Kunden. Deutschlands größte Buchhandelskette Thalia will dem Trend nicht länger tatenlos zusehen. Thalia-Chef Michael Busch kündigte deshalb am Mittwoch in Düsseldorf eine Neuausrichtung der Kette an, die annähernd 300 Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz betreibt. Die Buchläden sollen viel stärker als bisher zum Begegnungsort werden, mit Cafés, Lesebereichen und Spielecken für Kinder, aber auch mit einer Vielzahl von Veranstaltungen.
Zeitfresser Youtube und Netflix
Der Buchhändler hofft so anderen Medienangeboten von Youtube bis Netflix, die immer erfolgreicher um knappe Zeit der Verbraucher buhlen, mehr entgegensetzen zu können. "Unsere Welt ist zunehmend schnelllebig und oberflächlich - geistiges Junk Food dominiert. Irgendwo zwischen Serien-Bingewatching und Springen von Screen zu Screen haben die Menschen verlernt, tief in Inhalte einzutauchen. Jeder Vierte liest überhaupt nicht mehr. Das wollen - und müssen - wir ändern", sagte Busch.
"Donald Trump liest nicht gern"
Gleichzeitig plant der Buchhändler unter dem Claim "Welt bleib wach" eine ungewöhnlich angriffslustige Werbekampagne für das Bücherlesen. Unfreiwilliger Helfer dabei: der nicht gerade als Bücherfreund bekannte US-Präsident Donald Trump. "Donald Trump liest nicht gern", ist einer der Slogans, mit denen Thalia das Image des Bücherlesens wieder stärken will. Andere lauten "Fantasie lernt man in keinem Youtube-Tutorial" oder "Es gibt mehr Gefühle als Emojis". Ab dem 21. September sind vier Motive deutschlandweit über verschiedene Kanäle zu sehen. Ab Ende November starten zusätzlich Out-of-Home und ein TV-Spot. Verantwortliche Kreativagentur ist Wynken, Blynken & Nod.
Lesen verliert an Bedeutung
Die Werbekampagne für das Lesen scheint durchaus nötig. Nach einer in diesem Jahr veröffentlichten Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels verliert das Lesen in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung. Die Zahl der Menschen, die im Jahresverlauf mindestens ein Buch kauften, sank zwischen 2013 und 2017 von 36 Millionen auf 29,6 Millionen. Die Zahl der jährlich verkauften Bücher ging in den vergangenen zehn Jahren um 37 Millionen auf 367 Millionen zurück. Weil aber der "harte Kern" der Bücherfreunde immer mehr Geld für sein Hobby ausgab, blieben die Branchenumsätze einigermaßen stabil.
"Unser Ziel ist ganz klar: Lesen muss wieder populär werden und darf nicht nur Luxushobby des Bildungsbürgertums sein", forderte Busch. Als Konkurrenz sieht er nicht so sehr andere Buchhändler, sondern Online-Dienste wie Youtube oder Netflix, die sich einen immer größeren Teil des Zeitbudgets der Verbraucher sicherten.
Online-Anteil liegt bei 20 Prozent
Thalia starte seine Kampagne aus einer Position der Stärke heraus, betonte Busch. Die Handelskette, die noch vor einigen Jahren um das Überleben kämpfte, stehe zwei Jahre nach der Übernahme durch ein Eigentümerkonsortium um die Freiburger Verlegerfamilie Herder "wirtschaftlich gesund" da. Im noch zwei Wochen dauernden Geschäftsjahr 2017/2018 habe das Unternehmen Umsatz und Ergebnis erneut gesteigert und werde Ende September schuldenfrei sein. Genaue Zahlen nannte Busch nicht.
Auch im Online-Handel mit Büchern sieht sich Thalia trotz der Dominanz des US-Giganten Amazon, der nach Branchenschätzungen zwischen 50 und 70 Prozent des E-Commerce-Geschäfts mit Büchern auf sich vereint, auf Erfolgskurs. Der Online-Anteil am Geschäft liege inzwischen bei knapp 20 Prozent und wachse weiter zweistellig, berichtete Busch. "Im Vergleich zum restlichen Buchhandel sind wir da in hoher Reiseflughöhe unterwegs."
Agilere Arbeitsweisen
Die Neuausrichtung prägt auch die Unternehmenskultur. Am neuen Gesamtauftritt der Marke Thalia haben mehr als 100 Mitarbeiter des Unternehmens über eineinhalb Jahre lang mitgewirkt. Diesen Prozess habe das Unternehmen "bewusst nicht hierarchisch angelegt", so Michael Busch "Vom Praktikanten bis zur Abteilungsleiterin sind sich alle auf Augenhöhe begegnet und haben gemeinsam zukunftsweisende Ideen entwickelt." Von der Einführung dieser neuen agilen Arbeitweisen mit mehr Transparenz und Eigenverantwortung habe die gesamte Organisation profitiert.
(fs mit dpa)