
Interview mit Erfindern der Teemaschine:
Temial-Gründer: "Vorwerk bietet uns die nötigen Gestaltungsspielräume"
Rund fünf Jahre tüftelten die Vorwerk-Manager Sascha Groom und Björn Rentzsch an der Teemaschine Temial. Mit W&V haben sie über die Entstehungsgeschichte, erste Reaktionen und die Pläne ihres Startups gesprochen.

Foto: Vorwerk / Temial
"Wir ergänzen uns sehr gut: ein Ingenieur und ein Kaufmann", finden Sascha Groom und Björn Rentzsch. Die Vorwerk-Manager entwickelten gemeinsam die Teemaschine Temial und leiten nun das gleichnamige Inhouse-Startup. Im Juni präsentierten sie die smarte Teemaschine der Öffentlichkeit - und ernteten ein durchwachsenes Echo.
Im Interview mit W&V berichten Groom und Rentzsch von der Entstehungsgeschichte, ersten Reaktionen und wie es nun weitergeht.
Rund fünf Jahre Vorarbeit, seit Juni ist die Teemaschine Temial bestellbar. Wie stolz sind Sie auf Ihr Baby?
Björn Rentzsch Wir sind sehr stolz darauf, in diesem Jahr im deutschen und chinesischen Markt zu starten. Fünf Jahre Vorarbeit hört sich nach einer langen Zeit an. Der eigentliche Startschuss, das neue Geschäftsfeld zu gründen, erfolgte vor circa zwei Jahren. Die drei Jahre davor haben wir verschiedene Marktforschungen und Vorstudien durchgeführt, um eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu haben.
Startup-Gründer mitten in einem Weltkonzern. Wie fühlt sich das an?
Sascha Groom Sehr gut! Vorwerk bietet uns Gestaltungsfreiräume, die wir als Neugründung benötigen. So entwickeln wir unsere Organisation und Prozesse vom neuen Geschäftsmodell her und müssen es nicht in bestehende Prozesse, die für große, etablierte Geschäftsfelder sinnvoll sind, integrieren. Darüber hinaus profitieren wir von zahlreichen Erfahrungen, Lösungen und der Unterstützung vieler Vorwerk-Kollegen, die in einem "externen Startup" nicht verfügbar wären.
Rentzsch So ist es z.B. ein sehr großer Vorteil für uns, dass Vorwerk seit einigen Jahren bereits vertrieblich in China aktiv ist. Ohne diese Erfahrung und Struktur im Unternehmen hätten wir nicht so schnell auch in China starten können.
Was waren vor Temial Ihre Hauptaufgaben bei Vorwerk?
Groom Nach meiner Promotion startete ich in der Forschung und Entwicklung der Vorwerk Gruppe und war in den ersten Jahren für den technischen Support der asiatischen Länderorganisationen rund um die häusliche Wasserfiltration verantwortlich. Weitere Leitungsfunktionen in der Produktentwicklung folgten, zuletzt leitete ich den Bereich Anwendungstechnologie.
Rentzsch Ich habe Vorwerk bereits während des Studiums kennen gelernt und war in verschiedenen Bereichen und Ländern tätig. Zuletzt als Investment Manager bei den Vorwerk Ventures, wo ich mich intensiv mit neuen Geschäftsmodellen, Vertriebsansätzen und Märkten auseinander gesetzt habe.
Wie wurden Sie zum Team?
Rentzsch Wir verfügen beide über langjährige, sich ergänzende Erfahrungen in der Vorwerk Gruppe. Wir haben uns recht früh im Unternehmen kennen gelernt und uns regelmäßig über neue Produkt- und Vermarktungsideen Gedanken gemacht.
Groom Bei einem internen Talentprogramm hatten wir dann schließlich die Idee zu dem, woraus Temial entstanden ist. Von da an haben wir uns regelmäßig zusammengesetzt und die Idee neben unseren Kernaufgaben weiterentwickelt.
Waren Sie schon immer Teeliebhaber? Woher kam die Idee?
Groom Die Liebe zum Tee hat sich in der Auseinandersetzung mit dem Thema entwickelt und gefestigt. In China haben wir neue Geschäftsansätze, Produkte wie Vertriebsmodelle für Asien reflektiert. Neben anderen Themen diskutierten wir verschiedene Ansätze für die Teezubereitung, da die Teemärkte in Asien sehr groß und digitale Elektrogeräte sehr weit verbreitet sind. Wir überlegten also, wie wir Teetradition und Digitalisierung verbinden können, um etwas mehr Entspannung und Ausgeglichenheit in den hektischen Alltag bringen zu können.
Rentzsch Wir haben dann aber schnell in Marktforschungen und der Analyse des Marktes gelernt, dass z.B. Kapselsysteme für Tee aus unserer Sicht nicht den richtigen Weg darstellen. Um Tee und seiner traditionellen Zubereitung gerecht zu werden ist die Idee und das Konzept zu Temial entstanden.
Das Produkt ist erklärungsbedürftig. Wieviel Überzeugungsarbeit war zunächst intern nötig?
Rentzsch Wir haben schnell gemerkt, dass es noch keinen Markt für Teezubereiter gibt, wie etwa im Vergleich zu Kaffeevollautomaten. Als wir begannen, wurden einige Kapselmaschinen für Tee getestet. Wenn Sie ein Produkt entwickeln, für welches es noch keinen ausgewiesenen Markt gibt, ist die Überzeugungsarbeit umso herausfordernder. Somit blieb eigentlich nur ein Ansatz: wir fragen Konsumentinnen und Konsumenten. Wir haben mehrstufige Konsumentenforschung betrieben, um sowohl psychologische als auch soziologische Grundlagen zu verstehen. Dies hat auch dazu beigetragen, dass wir relativ viel Zeit in die Entwicklung investiert haben.
Groom Am Ende sind wir zu dem Ergebnis gelangt, dass das Produktkonzept in verschiedenen Ländern sehr gut angekommen ist. Die Verbindung aus technischer Entwicklung und Omni-Kanal-Direktvertrieb passt wiederum sehr gut zu den Kernkompetenzen zu Vorwerk. Somit waren wir selbst überzeugt und konnten auch die Unternehmensleitung dafür gewinnen, das neue Geschäftsfeld im Gruppenportfolio zu gründen.
Und waren Sie zwei sich immer einig?
Groom Wir waren uns eigentlich immer in einem einig: wir möchten ein neues Geschäftsfeld entwickeln und mit der nötigen Selbstkritik auf Herz und Nieren prüfen, bevor es wirklich losgeht. Somit haben wir alle relevanten Aspekte mehrfach in Frage gestellt und stets neue Ansätze entwickelt.
Rentzsch In Bezug auf das gemeinsame Ziel sind wir uns immer einig gewesen, im Hinblick auf konkrete Lösungen und Verbesserungen sind wir kontrovers, kommen aber immer wieder zu Lösungen, die wir gemeinsam tragen.
Was waren und sind die größten Herausforderungen?
Rentzsch Einerseits war es eine Herausforderung, geeignete Konsumforschungsformate zu definieren, um verlässliche Ergebnisse zu erhalten. Daher haben wir mehrstufig gearbeitet und abschließend einen sehr aufwendigen Vertriebstest mit funktionsfähigen Prototypen in Deutschland und China durchgeführt, um konkrete Kaufentscheidungen von Konsumenten zu erheben. Interne Entscheidungsprozesse sehen wir ebenfalls als konstruktive Herausforderungen, um den gesamten Ansatz zu prüfen und sinnvolle Lösungen finden zu können.
Groom Der Aufbau der Teams in Deutschland und China war ebenfalls etwas herausfordernd, da wir möglichst schnell gute Talente finden wollten. Das ist uns gelungen. Der Aufbau in China ist noch einmal etwas ganz Besonderes: interkulturell wie organisatorisch. Wir investieren sehr viel Zeit und Energie in den Aufbau des dortigen Teams, was für uns und unser Vorhaben aber auch eine enorme Bereicherung darstellt.
Rentzsch Die größte Herausforderung steht uns nun bevor: der Erfolg im Markt. Die Tragfähigkeit des Modells erweist sich nur im Markt, weswegen wir froh sind, dass wir nun Erfahrungen und Reaktionen im Marktumfeld sammeln und unser Modell entsprechend weiterentwickeln zu können.
Mit Temial bringt Vorwerk nicht nur ein neues Gerät auf den Markt, sondern erstmals auch Lebensmittel und Zubehör. Ein ganz neuer Geschäftszweig wird dafür aufgebaut. Was sind dabei Ihre wichtigsten Lehren?
Groom Mit dem neuen Geschäftsfeld sind einige Bereiche verbunden, die für Vorwerk neue Erfahrungen bedeuten: Verkauf von Lebensmitteln, integrierter Omni-Kanal-Direktvertrieb, Start von Vertrieb in zwei Ländern gleichzeitig, technische Entwicklung einer gänzlich neuen Produktkategorie etc.
In China eröffnen wir übrigens einen Experience Store in Shanghai, wo wir auch gastronomische Lösungen ausprobieren und frischen Tee mit Snacks anbieten werden. Für den Verkauf von Lebensmitteln haben wir sehr gute Partnerschaften mit Lieferanten aufgebaut und neue Logistiklösungen entwickelt.
Rentzsch Für unsere Handelsvertreter bieten wir durch das Lebensmittelangebot eine sehr gute Möglichkeit, auch langfristig von einem Kundenstamm zu profitieren. Sie haben so die Möglichkeit, regelmäßig ein neues Sortiment vorzustellen und an Nachbestellungen zu verdienen. Es lohnt sich also, möglichst früh dabei zu sein.
Wieviel Freiheiten haben Sie innerhalb des Konzerns? Und wie werden Sie unterstützt?
Groom Wir haben die Freiheiten, die es benötigt, um ein neues Geschäftsfeld mit anderen Anforderungen als bestehende, große Geschäftsfelder aufzubauen Die Nähe zur Unternehmensleitung, zu den Kolleginnen und Kollegen der Holding und der Schwestergesellschaften ist für uns sehr hilfreich und wichtig.
Hier erfahren wir sehr große Unterstützung durch Hilfestellungen, die den Markteintritt erleichtern, aber auch durch kritische Auseinandersetzung mit Erfahrungswerten und Lösungsansätzen. So ist es nicht jedem Startup vergönnt, mit einem etablierten professionellen Kundenservice, Logistikpartner oder einem Netzwerk aus über 50 eigenen Läden zu starten.
Wie stark lastet der Erfolgsdruck auf Ihnen und dem Team?
Rentzsch Bei der Entwicklung des gesamten Geschäftsfelds haben wir Potentialanalysen und Geschäftsszenarien entwickelt, die als Grundlage für die Investition dienten. Diese Pläne möchten wir mit allen Mitteln realisieren, um ein langfristig erfolgreiches Geschäftsfeld für das Vorwerk-Gruppenportfolio aufzubauen.
Dies erzeugt natürlich einen gewissen Druck und eine große Verantwortung, was uns allen sehr bewusst ist. Wir empfinden es aber nicht als Belastung, sondern als Herausforderung.
Groom Im Rahmen unseres Führungsverständnisses reflektieren wir diese Verantwortung regelmäßig, um sie produktiv und lösungsorientiert umsetzen zu können. Vorwerk zeigt als Familienunternehmen, dass es in langfristigen Zusammenhängen eine vernünftige Portfolio-Strategie verfolgt und bereit ist, unternehmerisch in Neugeschäft zur Erschließung neuer Märkte zu investieren. Dieser Nährboden ist unternehmerisch sehr wichtig, um sich auf die Zukunft vorzubereiten.
Welche Reaktionen auf die Teemaschine Temial freuen Sie?
Rentzsch Die Reaktionen auf Temial haben uns etwas überrascht, aber gleichzeitig sehr gefreut. Als Teil der Vorwerk-Portfolio-Familie haben wir mit einer bestimmten medialen Aufmerksamkeit gerechnet. Jedoch haben wir nicht mit dieser großen Reichweite gerechnet.
Unsere eigene Marktforschung hat gezeigt, dass wir innerhalb weniger Tage in der Öffentlichkeit sehr bekannt geworden sind, sogar die konkrete Markenbekanntheit hat einen sehr guten Wert erreicht. Und das alles ohne Marketing-Kosten. Auch hat uns die Aufmerksamkeit in Social Media sehr geholfen.
Groom Die meisten kritischen Kommentare sind der Tatsache geschuldet, dass nur sehr wenig über die Produkteigenschaften und das ganze Konzept bekannt war, als bereits erste, polarisierende Meinungen geteilt wurden. Wir haben dadurch einen deutlichen Zulauf in unseren Stores verzeichnen können, weil sehr viele Personen herausfinden wollten, was es mit diesem Produkt auf sich hat.
Darüber hinaus hat die hohe Bekanntheit dazu beigetragen, dass wir enorm viele Anfragen für eine Tätigkeit im Außendienst erhalten haben. Vielleicht reicht die geplante Struktur zum Start nicht aus, um dieser Nachfrage nachkommen zu können.
Worüber ärgern Sie sich?
Groom Bedauerlich finden wir eine wahrgenommene Grundhaltung: eigentlich wünschen wir uns in der deutschen Öffentlichkeit mehr Mut zu unternehmerischem Risiko, um neue Lösungen auszuprobieren und uns wirtschaftlich wie gesellschaftlich weiterzuentwickeln. In unserem Fall spüren wir hingegen eine teilweise negativ gefärbte Grundhaltung, die wir gar nicht nachvollziehen können.
Rentzsch Davon lassen wir uns allerdings nicht demotivieren. Es spornt eher an, aktiv mit klassischen Medien und Social Media zu arbeiten und wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Wir werden mittelfristig sehen, wie sich das Geschäftsfeld am Markt etabliert. Spekulationen helfen aktuell nicht weiter, Erkenntnisse hingegen sehr. (fs/ds)
Einen ausführlichen Bericht über die neue Vorwerk-Marke Temial lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der W&V, Nr. 33.