Wirkstoff TV:
TV-Wirkungstag: "Multiscreen meistert man lächelnd oder gar nicht“
Das Fernsehen verändert sich rasend schnell, der Second Screen birgt Chancen und Risiken - wie der TV-Wirkungstag aufzeigt.
Pro und Contra der Entwicklungen im Fernsehgeschäft zeigt der TV-Wirkungstag 2013 in Düsseldorf gleich zum Start auf. In seiner Eröffnungsrede unter dem Motto "Multiscreen: Alles Fernsehen oder was?!" erweist sich der frühere RTL-Group-CEO Gerhard Zeiler als bedingungsloser Optimist, was das Medium Fernsehen betrifft. Zeiler, der heute als Präsident von Turner Broadcasting Systems International durch die Welt fliegt, skizziert die positiven Veränderungen, die das Fernsehen dank Internet, Mobile oder Social TV genommen hat.
Weder der Abgesang auf die Gattung, den die Werbewirtschaft immer wieder angestimmt hat, noch der zunehmend durch andere Medien und Distributionskanäle abgelenkte Zuschauer hätten dem Medium bislang geschadet, so Zeiler. Im Gegenteil: Es würde heute mehr ferngesehen denn je – wenn auch nicht mehr nur über den First Screen. Der erfahrene TV-Manager kehrt dabei nicht die Risiken unter den Tisch. Dazu gehören neue Konkurrenten ebenso wie der verschärfte Kampf um gute Inhalte, mit denen die Zuschauer bei der Stange gehalten werden können. Doch alles in allem ist sich Gerhard Zeiler sicher: Fernsehen bleibt das wichtigste Medium und wird sich in Deutschland über kurz oder lang mehr als aktuell 22 Prozent vom Werbekuchen abschneiden.
Zum Innehalten und Nachdenken über den Wert des Werbemediums Fernsehen, das sein Publikum zunehmend mit parallelen oder begleitenden Angeboten auf dem Second Screen teilen muss, ruft dagegen Manfred Kluge auf. Der Chef der Omnicom Media Group Germany regt bei den neun Veranstaltern des TV-Wirkungstags – fast alle Fernsehvermarkter Deutschlands, vertreten durch ihre 2012 gegründete Initiative Wirkstoff TV - an, erneut ihre Hausaufgaben zu machen, alte Erkenntnisse über Bord zu werfen und für die Vermarktung von Multiscreen-Angeboten neue Strukturen zu schaffen.
So sei beispielsweise keine einheitliche Währung in Sicht, betont Kluge. Die Expertise für neue Arten von Werbung müsste erst auf allen Seiten geschaffen werden. Speziell an das Fernsehen gerichtet, wünscht sich der Mediaplaner Qualität fürs Programm, damit die Sender ihren Status Quo beim Zuschauer auch in Zukunft halten könnten. Wichtig ist Mandfred Kluge auch, das noch sehr komplexe Thema greifbarer zu machen, es einfacher zu gestalten, die Ansprechpartner zu bündeln. Der Omnicom-Manager rät (etwas abgewandelt) zu einer chinesischen Weisheit: "Multiscreen macht man lächelnd oder gar nicht!"
Die Botschaft des Media-Managers scheint bereits angekommen zu sein: Die Gattungsinitiative Wirkstoff TV wird die Forschungsarbeit neu aufstellen. Unter der Leitung des neuen und zweiten Geschäftsführers Martin Krapf (links; ehemals IP Deutschland), der den Job am Donnerstag in Düsseldorf von Jan Kühl (El Cartel Media) übernommen hat, wird nun dem Verbund ein neuer Nutzerbeirat zur Seite gestellt. Dorthin sollen Verbände der Werbekunden und Agenturen mehrheitlich Mitglieder entsenden. Das Gremium soll dann die Forschung strukturieren und entscheiden, wo Informationsbedarf besteht. Im Frühsommer sollte der TV-Beirat stehen; Details werden noch nicht genannt. Die neue Gesellschafterversammlung von Wirkstoff TV mit dem Vorsitzenden Jan Kühl wird auch im Nutzerbeirat vertreten sein.
Des Weiteren wird Krapf, der anders als sein Vorgänger Kühl für unbestimmte Zeit an der Spitze von Wirkstoff TV stehen wird, zusammen mit den Gesellschaftern aus dem Vermarkterkreis einen Wirkungsatlas aufstellen. Dort werden Daten zum Kundenverhalten, demographische Daten oder auch technische Erkenntnisse gesammelt, analysiert und ausgewertet. Von den Partnern mit internationalem Hintergrund wie Viacom/MTV, Discovery und Sky/News Corp. werden auch weltweite Forschungsarbeiten in diese neue Datenbank rund um TV und Bewegtbild einfließen. Alle sollen an den Ergebnissen teilhaben, alle dürfen den Forschungspool speisen. Der Nutzerbeirat entscheidet mit, was an Forschungsergebnissen noch zusätzlich eingebracht werden muss. Die neue Struktur soll der Entwicklung von Fernsehen hin zum Multiscreenmedium Rechnung tragen. Krapf: "Wir wollen es besser machen als früher." Auch wenn Ergebnisse aus der Bewegtbildforschung nicht immer TV zum Vorteil gereichen sollten. Apropos Bewegtbild: Wirkstoff TV gibt sich weiter offen für neue Gesellschafter, auch aus dem Kreis der Online-Anbieter - so lange sie "professionell" Bewegtbild anbieten.
Übrigens: Die Talkrunde ähnelte einem Klassentreffen – Ex-RTL-Chef Gerhard Zeiler im Gespräch mit RTL-Moderator Wolfram Kons und Ex-RTL-Vermarkter-Boss Krapf auf einem grünen Sofa (von Vitra).