Neue ProSieben-Show gestartet:
TV-Kritik: Für GTFOOMH zieht Newtopia ins Dschungelcamp
Selten stand die menschliche Verdauung so im Mittelpunkt eines Formats: W&V-Redakteurin Petra Schwegler hat die neue ProSieben-Reality-Show "Get the F*ck out of my House" gesehen - und bewertet.
Bei "Get the F*ck out of my House" sind am Donnerstag 45 Frauen und 55 Männer im 116-Quadratmeter-Haus von ProSieben eingezogen. Der jüngste Kandidat: 19 Jahre. Der älteste Kandidat: 82 Jahre.
#GTFOOMH ist fortan in den kommenden 4 Wochen immer donnerstags um 20.15 Uhr zu sehen - auf dem Sendeplatz, auf dem im Anschluss die neue Runde "Germany's Next Topmodel - by Heidi Klum" startet. Thore Schölermann und Jana Kilka moderieren als Paar mit "Get the F*ck out of my House" erstmals gemeinsam eine TV-Show. Sie sind für die Kandidaten der einzige Kontakt zur Außenwelt. Sie leiten die Spiele, beobachten und kommentieren.
Damit sind die harten Fakten schon aufgezählt. Aber wirklich spannend geht es jetzt nicht weiter. Der geneigte Fan von Container-Shows kann dem Neustart kaum Neues abgewinnen. Das tapfere und 2015 gescheiterte Sat.1-Vorabendexperiment "Newtopia" zieht ins Dschungelcamp, kommt aber nicht an "Big Brother" heran - so könnte man die 5-teilige Show-Produktion von Ufa Show & Factual zusammenfassen. Schölermann und Kilka wirken, als ob sie zur Vorbereitung das IBES-Team Sonja Zietlow/Daniel Hartwich studiert hätten.
Allerdings könnte das Format in den kommenden Ausgaben an Spannung gewinnen - wenn die Zahl der Kandidaten ab und die Zahl der Konflikte zunimmt. Der von ProSieben als Strategie-Reality-Show bezeichnete Neustart hat am Donnerstagabend zur Primetime 12,1 Prozent der werberelevanten 14- bis 49-jährigen Zuschauer erreicht – zwar ein Wert über dem derzeit mageren Senderschnitt, aber unter GNTM. Doch mit der Instagram-tauglichen Moderatorin Jana Kilka könnte der Münchner Sender in den kommenden Wochen ordentlich für GTFOOMH im Social Web trommeln.
Wie kommt es zu dieser Einschätzung?
Um Sie mitzunehmen ins #GTFOOMH-Reich, wird jetzt der Verlauf der Premiere im Detail geschildert. Das Haus auf dem Land. 4 Zimmer, Küche, Bad, kleine Terrasse. Eingerichtet für eine 4-köpfige Familie - mit einem Lokus für das gemeine Volk und einer Dusche für 100 Kandidaten. Hinzu kommen 34 Kameras.
Erste Eindrücke vom Schlaflager erinnern an Flüchtlingscamps - doppelt belegte Betten, Trios auf dem Teppich, wenige Glückliche unter Tischen, die sich einer gewissen Privatsphäre erfreuen. Und der Schweizer Senior Kurt muss beinahe mit 82 Jahren auf dem nackten Holzboden schlafen. Die erste soziale Aktion sichert dem rüstigen Rentner eine Matratze.
Einfach überall stehen und sitzen Menschen mit ihren Kisten, die das Nötigste für einen Monat TV-Silo enthalten. Gewusel allerorten und die Dauerschlange vor der Toilette. Beim Einzug ertönt noch Jubel, Träumen von einer "ruhigen Ecke", 12 Stunden später die ersten Heulkrämpfe und die Feststellung "Die krasseste Show der Welt." Denn: Die Nächte sollen Bewährungsprobe sein. Während die einen feiern und diskutieren, versuchen andere wirklich zu schlafen. Überall, sogar auf der Küchenarbeitsplatte.
Nach nur 90 Minuten verlässt mit Fitore die erste Kandidatin das F*ck-Haus und zieht die stets offene Haustüre den 100.000 Euro Siegprämie vor. Bevor am Eingang der Geldkoffer prominent platziert werden kann, der die Genervten beim Hinauseilen nochmals zum Innehalten bringen soll. Kandidat 2 entschwindet recht unbemerkt nächtens dem Haus und der Show. Nacht 1 sowie die Kamera im Bad vertreiben insgesamt 5 Mitspieler.
Spannung baut sich kaum auf
So weit, so gut. Etwas Spannung kommt allerdings erst nach dem ersten Werbebreak auf, als im vollen TV-Zuhause ein erster Hausboss mit eigenem Zimmer nebst Bad und Klo (!) sowie Entscheidungsbefugnissen gekürt werden soll. Erst da kann sich der Zuschauer in der neuen ProSieben-Show rudimentär mit ersten einzelnen Mitspielern identifizieren.
Die Wahl für Woche 1 fällt auf den 56-jährigen Norbert, einen Hausmeister-Typ, der die Essensbestellung fürs Rudel verantworten soll. Der dann auch gleich mal punktet, weil er seine Toilette den weiblichen Kandidatinnen zur Verfügung stellt und sich selbst im normalen WC-Pulk anstellt. Schlimm, als dann noch beim Volks-Klo in der Nacht die Türklinke abfällt! Selten stand die menschliche Verdauung so im Mittelpunkt eines TV-Formats ...
Weil Nacht 1 schon so "hart" gewesen ist, erfahren nur noch 93 Kandidaten, dass Hausboss Norbert am Ende seiner Woche über den Rauswurf mehrerer Hausbewohner entscheiden darf. Ausgewählt aus einem Pulk derjeniger, die bei der Chefwahl kaum Stimmen erzielt haben. Sie befinden sich in der roten Zone. (Endlich Drama - und Tränen!)
Es wird auf die Tränendrüse gedrückt ...
Norbert tut indes sein Bestes, um für Ruhe zu sorgen. Doch dass der Mann im roten Einteiler beim Hausparcour zum Erspielen der Essensration den Überblick unter den 20 Auserwählten verliert, kann der Zuschauer nachvollziehen. Choreographie, Schnitt und Musik verschärfen das Chaos in der Fernsehhütte. Moderatoren und Crewmitglieder wuseln mit.
Mit Torwandschießen und Frisbeezielwerfen, Basketballkorbwurf und Kartenschnippen erspielen die Spieler nur wenig Haushaltsgeld für Woche 1. (Mehr Drama!) Hungrige Mitspieler sorgen für den ersten Zwist, die ersten Gleichgesinnten finden sich. Kartoffeln und Wasser statt Pizza und Bier. Der erste Kandidat dehydriert, kollabiert und wird über die Schwelle aus dem Spiel getragen. (Noch mehr Drama!)
Als die ersten 14 Kandidaten weg sind, entbrennen (endlich mal) Konflikte ums Hamstern von Essen, Schlafplätzen und Klopapier. Norbert ist gefragt, er sorgt vor Nacht 2 für Deeskalation, ebenso vor Nacht 3. Der zwanghafte Druck auf die Tränendrüse nimmt zu.
Nach Woche 1 sind vor der Rauswahl noch 85 Gewinnwillige übrig, danach 75, von denen 3 freiwillig und mit einem 1000-Euro-Köder ausgeschieden sind. Die anderen "scannt" Norbert raus. Der dafür bis zum Weinkrampf (!) angefeindet wird …
Wer dort Werbung schaltet
Beworbene Marken, die sich zwischen die GTFOOMH-Mitspieler zwängen, kommen – passenderweise – aus dem Bereich Kosmetik (Axe, Neutrogena, Pantene Pro V), Technikhandel (Tink Smart Home, Braun Beautyprodukte, Saturn), Mobiliar (Who's Perfect, Roller, Moebel.de) und natürlich FMCG beziehungsweise Lebensmitteleinzelhandel (Aldi, Lidl, Edeka) sowie Diät- und Fitnessprodukte zum Jahresstart (Veluvia, McFit).
In den gut gefüllten Werbeblocks lässt allerdings so manche Buchung schmunzeln – aus den Bereichen Reise (Ab in den Urlaub, Alltours, Weg.de) oder Umzug (Move 24). Gehäuft wird für Weiterbildungsangebote (Fernschule ils, Babbel, Euro-FH) geworben oder für geliefertes Essen (Lieferando).
Warum wohl der Schwangerschaftstest Clearblue in diesem Werbeumfeld auftaucht? Und die Windelmarke Pampers? Natürlich nutzt ProSiebenSat.1 die im Vorfeld stark beworbene Show, um dort Werbung in eigener Sache zu machen (Amorelie, Verivox).
Das Fazit
Solide produziert ist "Get the F*ck out of my House", doch kämpfen Format und Zuschauer mit den Menschenmassen. Zumal das Teilnehmerfeld zügig reduziert und die Identifizierung mit einzelnen herausragenden Mitspielern dann möglich wird, hat die ProSieben-Show allerdings noch Potenzial. Neu erfunden haben Sender und Produzent das Genre indes nicht.