Stayalive mit Helmut Markwort: Trauern im Social Web
Ex-"Focus"-Chefredakteur Helmut Markwort beteiligt sich an einem Trauerportal, das Social Media für Tote ermöglicht. Seine eigene Motivation dabei bleibt aber eher vage.
Die Jahreszeit mit den fallenden Blättern ist ganz gut gewählt für die Vorstellung eines Trauerportals. Auch der Ort für die Pressekonferenz, ein Gewölbe tief unten im Hofbräukeller in München, schafft die passende morbide Atmosphäre. Vom "Fingerfood" im Anschluss ganz zu schweigen. Dabei will das neue Portal www.stayalive.com schon rein optisch nicht ausschließlich mit dem Thema Tod in Verbindung gebracht werden. Keine Lilien, kein Trauerrand, sondern weiße Schrift auf blauen Grund - so stellt sich das selbsternannte "Portal für die digitale Unsterblichkeit" der Internetgemeinde vor. Die Aufmachung ähnelt sehr der Facebook-Welt. Und ähnlich wie Facebook soll auch Stayalive funktionieren, Social Media verknüpft hier aber nicht schmachtende Teenager und alte Schulkumpel, sondern die Lebenden mit den Toten.
Um sein Portal bekannt zu machen, hat sich Initiator Michael Krage prominente Unterstützung ins Boot geholt. Ex-"Focus"-Chefredakteur Helmut Markwort gehört zu den sechs "Business-Angels", die mit einem Anteil von jeweils 16,6 Prozent das Start-up für die Toten zum Leben erwecken. Als "fantastische, komplette Idee" preist er Stayalive.com. Dabei ist die Idee, die Markwort bewogen hat, sein Geld und seine Prominenz einzusetzen, nicht neu. Es gibt schon einige Trauerportale, und wie sie will auch Stayalive das digitale Weiterleben nach dem Tod ermöglichen. Eines der bekanntesten ist das Portal emorial.de, das vor gut zwei Jahren von Martin Kunz, einem engen Mitarbeiter von Markwort bei Focus gegründet wurde. Markwort hatte hier tiefen Einblick, weshalb in den vergangenen Wochen spekuliert wurde, ob hier nicht eine Geschäftsidee kopiert wurde. Was Markwort verneint. "Die Idee für Stayalive ist nicht von mir, sondern von Michael Krage", stellt er klar.
Und die funktioniert so: Bereits zu Lebzeiten können sich die User eine virtuelle Gedenkstätte schaffen, mit Bildern, Filmen, Lieblingsrezepten und Dokumenten, die das eigene Leben preisen sollen. Die "Gedenkstätte" wird nach dem Tod des Kunden freigeschaltet und kann dann von Angehörigen und Freunden besucht und mit Kommentaren versehen werden. Vorausgesetzt, Stayalive erfährt vom Tod des Kunden. Was ein PDF mit Aktivierungscode bei den wichtigen Dokumenten zuhause und die Vernetzung mit Freunden auf Stayalive gewährleisten sollen.
Laut Michael Krage geht Stayalive mit seinem Angebot aber deutlich weiter als andere Portale. So können die Kunden in einem gesicherten virtuellen "Tresor" wichtige Dokumente oder Kontodaten lagern, die nach dem Tod einem vorab definierten Personenkreis zugeschickt werden. Über Google Maps lassen sich die realen Friedhöfe miteinander verknüpfen, um eine Art digitales Familien- oder Gruppengrab zu schaffen. Rund 2.500 Friedhöfe hat der Dienst dafür bereits erfasst.
Aber nicht nur für den "Eigenbedarf", auch für andere Personen kann eine Gedenkstätte errichtet werden. Und ja, auch das geliebte Haustier darf verewigt werden. Wobei Michael Krage auf "mehrere Rückkopplungen und Prüfmechanismen" verweist, die Missbrauch ausschließen sollen. Damit nicht womöglich ein Lehrer über Stayalive von seinem Ableben erfährt.
Finanzieren will sich das Portal nicht über Werbung, sondern über Nutzergebühren. Zum Ausprobieren der Funktionen sind die ersten 14 Tage kostenlos. Danach kostet ein Jahr in der virtuellen Welt 19,90 Euro, sechs Jahre sind für 49,90 gesichert. Ab zehn Jahren ist ein Scan-Service, etwa für alte Fotos aus Omas Schuhkarton, inklusive, das kostet dann zusammen 99,90 Euro. Und wer sich ewig an Stayalive und das Web binden will, ist mit 499,90 Euro dabei. Das eigene Konto mit allen Rechten kann dabei an andere User "weitervererbt" werden. Wobei offen ist, was mit den Daten und dem Geld passiert, wenn das Startup nicht überlebt. Über PR, Affiliate-Programme und Facebook wird das Portal beworben.
Helmut Markwort ist ein ganz spezieller Service wichtig: Eine Liste mit Leuten, die nicht zu seiner Beerdigung erscheinen sollen. "Und die wird jeden Tag länger", witzelt der 73-Jährige. Seine Motivation, sich ausgerechnet bei einem Trauerportal zu engagieren, bleibt jedoch ein wenig vage. Von einem "Internet-Gedenken, das gut und ehrenwert ist", spricht Markwort. Von einem "kompletten Konzept" und einem Thema "das eine große Zukunft hat". Und von seinem Freund Monti Lüftner, der im Mai 2009 tragisch ums Leben kam. Für ihn könnte sich Markwort eine virtuelle Gedenkstätte gut vorstellen. Eine eigene hat er noch nicht angelegt, doch der Gedanke, ewig weiterzuleben, und sei es nur im Web, gefällt ihm offenbar. Wie er selber gerne in Erinnerung bleiben würde? Mit seiner "Vielseitigkeit", der Liebe zu seiner Familie, dem Journalismus, dem Theater und dem Fußball.
Das Projekt ist sein eigenes, Burda ist nicht mit im Boot, auch Focus Online nicht. Darauf legt Markwort Wert, "wir sind kein Wettbewerber". Burda wurde aber laut Markwort vorab informiert. Ein Engagement seines Verlages schließt er aus, vielleicht gebe es irgendwann Schützenhilfe von Tomorrow Focus.
Michael Krage ist optimistisch, dass sein Startup gute Überlebenschancen hat. Bei rund 85.000 Sterbefällen im Jahr sei die Gemeinde der Trauernden groß und wachse weiter. Konkurrenz durch Facebook fürchtet er nicht. "Das ist eher ein Funportal", das Thema passe dort nicht. "Aber wenn Marc Zuckerberg anruft, machen wir gerne was zusammen". Schließlich habe Facebook das Problem, was mit Accounts von Usern passiert, die gestorben sind. Auch Konkurrenz durch Zeitungsverlage, die etwa auf www.trauer.de Todesanzeigen ins Web stellen, fürchtet Krage nicht. "Damit wird nur die alte Welt in das Internet übertragen. Das wird nicht überleben."