Try No Agency:
Start-ups als Kunden: Vom Umgang mit "Gründer-Stammtisch-Parolen"
Die Berliner Agentur Try No Agency hat mehr als 20 Start-ups auf ihrer Kundenliste. Im Gespräch mit W&V Online erklären die Agenturgründer Stefan Nagel und Friedrich Tromm, welche Herausforderungen die Zusammenarbeit mit jungen Unternehmen bietet.
Nach gemeinsamen Stationen bei BBDO Stuttgart und Jahren als Freelancer gründeten Stefan Nagel und Friedrich Tromm 2011 ihre eigene Agentur Try No Agency in Berlin. Mit ihrem Netzwerk aus freien Kreativen, Beratern und Produzenten betreuen sie vor allem junge Unternehmen, mittlerweile stehen mehr als 20 Start-ups auf ihrer Kundenliste, darunter Misterspex, Department47 und Discavo. Auch die Social Selling Community Pippa&Jean, das Sprachlernportal Babbel und die Sportnahrungs-Plattform Egg.de gehören dazu, sowie neu seit Oktober das Schmuckportal Valmano. Try No Agency löst damit als Etathalter Scholz & Friends Berlin ab.
Im Interview mit W&V Online erklären Stefan Nagel und Friedrich Tromm, wie die kreative Zusammenarbeit mit jungen Start-ups läuft und welche Herausforderungen es zu bewältigen gilt.
Sie betreuen Department47, Discavo und neu auch Valmano. Alle sind Marken des Inkubators Epic Companies, dessen Aus Prosiebensat.1 vor kurzem verkündete. Wie geht es da jetzt weiter?
Tromm: Unsere Zusammenarbeit ist davon kaum betroffen. Die Marken wurden im ProsiebenSat.1-Netzwerk verteilt oder haben inzwischen neue Investoren gefunden. Somit wurden die Wege teilweise noch kürzer und direkter. Daher hat sich für uns nichts geändert, außer das die Unternehmen nun noch freier agieren können, was man auch in der Zusammenarbeit merkt.
Bei Valmano treten Sie in große Fußstapfen, der Etat wurde bisher von der Agentur Scholz & Friends betreut, die für Spots mit „Signor Valmano“ einen bronzenen Cannes-Löwen gewann. Nun wird "Signor Valmano" beerdigt. Was ist jetzt geplant?
Nagel: Unser Agenturmodell erlaubt es uns, geduldig zu sein und mit unseren Kunden zu wachsen. Darum ist unser Plan auch bei Valmano langfristig angelegt. Im ersten Schritt wollen wir den Menschen ganz einfach erklären, was Valmano für sie tut und, dass sie den Marken, die dort vertreten sind, vertrauen können. Es geht ganz klar um Performance. Sobald der Markt dann nachgezogen hat, wird es darum gehen, mit abgefahrener Kreation und ungewöhnlichen taktischen Maßnahmen die Marke zu pushen.
Tromm: "Signor Valmano" war extrem aufmerksamkeitsstark. Aber zu wenige Menschen da draußen haben vor lauter Dada-Coolness verstanden, was Valmano eigentlich tut. Darum liegt unser Fokus zunächst darauf, das Geschäftsmodell von Valmano zu erklären und die Performance der TV-Spots für den Kunden zu steigern. Vielleicht haben wir da ein anderes Kreativitätsverständnis als viele Kollegen. Aber für uns gehören "Werben" und "Verkaufen" immer untrennbar zusammen. Und bis jetzt geben die Zahlen uns da recht.
Sie haben Try No Agency 2011 gegründet und sind auch noch recht neu am Markt. Mittlerweile stehen rund 20 Start-Ups auf Ihrer Kundenliste. Warum dieser Fokus auf Jungunternehmen?
Tromm: Mittlerweile sind es sogar noch ein paar mehr junge Marken. Wahrscheinlich, weil deren Gründer einer neue Generation von Unternehmern angehören. Und für uns gibt es einfach nichts Schöneres, als Marken von Anfang an mit zu gestalten, Wachstumsraten zu generieren, die bei alten Brands unmöglich wären und ganz klar zu sehen, wieviel unsere Arbeit wirklich bewirkt. Denn oft ist es ja das erste Mal, dass unsere Kunden überhaupt außerhalb von SEM-Massnahmen mit den Menschen da draußen in Kontakt treten.
Nagel: Außerdem sind ja die Jungunternehmen von heute oftmals die Konzerne von morgen, wenn man sich Google, Amazon oder Ebay anschaut. Daher gibt es bei uns weniger einen Fokus auf Jungunternehmen, sondern vielmehr auf Kunden, mit denen man gemeinsam wachsen kann und die bereit sind, Neues zu probieren.
Was sind im Umgang mit Start-Ups – abgesehen von sicherlich nicht gerade üppigen Budgets - die größten Herausforderungen?
Nagel: Dank unseres disruptiven Businessmodells sind die meisten Budgets absolut ausreichend, wenn man weiß, was man möchte und mit dem Kunden klare Ziele verfolgt. Sowohl inhaltlich als auch budgetär. Das unterscheidet uns ja von herkömmlichen Agenturen. Neulich sagte ein ehemaliger Kollege: „Ist doch gut, dass die jetzt bei euch sind. Für uns sind die einfach zu popelig.“ Wir versuchen dagegen immer, die Potenziale zu sehen. Ob Carl Benz oder Larry Page - viele haben mal in einer Garage angefangen. Und wir freuen uns, wenn wir von Anfang an mit dabei sein dürfen.
Inwiefern sind Sie als Kreative und Berater anders gefordert als bei Unternehmen mit jahrzehntelanger Marketingerfahrung? Wo müssen Sie am meisten Überzeugungsarbeit leisten? Oder auch mal bremsen?
Tromm: Größte Herausforderung ist es immer, den Spagat zwischen Image und Performance zu schaffen. Dazu gehört auch, Gründer-Stammtisch-Parolen wieder aus den Köpfen zu verdrängen. Aussagen wie: „Wir wollen eine Premiumbrand sein“, und „Der TV Spot von XY hat nur 600 Euro gekostet“, passen einfach nicht zusammen. Glücklicherweise sind unsere Kunden alles andere als beratungsresistent. Im Gegenteil: Das ständige Voneinanderlernen und die praxisorientierte Erweiterung des Horizontes auf jedem Job sind ziemlich geil.
Der Aufbau von Bekanntheit ist die eine Sache, nachhaltig im Markt präsent bleiben und Kunden halten, eine ganz andere. Welche Marketingstrategie empfehlen Sie da Ihren Kunden?
Tromm: Häufig konzentriert man sich nur auf einzelne taktische Maßnahmen und verliert darüber schnell das große Ganze aus den Augen. Das Geheimnis einer funktionieren Beziehung besteht ja darin, dass man dem Partner - oder den Kunden - wirklich zuhört, ein Gefühl der Wertschätzung vermittelt und jeden Tag aufs Neue verführt.
Nagel.: Misterspex ist da ein gutes Beispiel. Der Claim „So kauft man Brillen heute“, funktioniert auch drei Jahre nach dem ersten TV-Flight noch sehr gut und lässt sich in allen Kanälen immer wieder mit neuen Botschaften aufladen. Darum ist uns die richtige Weichenstellung am Anfang auch immer eine echte Herzensangelegenheit.
Sie haben selber als Freelancer für namhafte Agenturen gearbeitet. Was gab den Impuls für die Gründung der Agentur und dieses Modells?
Tromm: Ehrlich gesagt hatten wir irgendwann einfach die Schnauze voll vom Awardwahnsinn, den gefakten Cases. Wir erlebten da ein System, in dem viele sehr gute Leute verheizt wurden, um sehr oft sehr mittelmäßige Dinge zu produzieren. Wir durften zwei Jahre lang beim MediaArtsLab London für Apple arbeiten. Darum zitieren wir nach wie vor gerne Steve Jobs: “Wenn heute der letzte Tag meines Lebens wäre, würde ich das tun wollen, was ich für heute geplant habe?” Und jedes Mal wenn die Antwort zu viele Tage hintereinander “Nein” war, wusste ich, dass ich etwas ändern musste.“ So ungefähr ging uns das auch nach je einem Jahrzehnt in klassischen Agenturen.
Start-Ups setzen sich immer wieder neue Ziele. Was sind Ihre?
Tromm: Momentan wachsen wir sehr gesund. Sowohl wirtschaftlich. Als auch, was unser Know-how und unser Netzwerk angeht. Dieses Wachstum auch in Zukunft fortzusetzen ist ein klares Ziel.
Nagel: Ein Ziel das wir erreicht haben, ist sicherlich, dass wir jeden morgen gerne zur Arbeit gehen und unsere Entscheidung, eine zeitgemäße Art von Werbeagentur aufzubauen, noch nicht einen Tag bereut haben.
Wenn Sie an Ihre eigenen Anfänge denken: Was würden Sie heute anders machen? Was haben Sie unterschätzt? Und was war der beste Rat, den man Ihnen gegeben hat?
Nagel: Wir hätten uns ein paar Jahre in Agenturen sparen und uns noch früher mit unserem eigenem Baby selbstständig machen sollen. Unterschätzt haben wir, dass heute viele Menschen Fernsehwerbung in Auftrag geben, aber selber kein Fernsehen mehr schauen. Das macht den Job manchmal schwieriger als nötig. Was am Anfang sicherlich eine der größten Aufgaben war, ist eine Art von Agentur zu gründen, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Sprich sowohl Freelancer aber auch Kunden von diesem Konzept zu begeistern und sich auf dem Weg dahin immer wieder zu hinterfragen und zu verbessern.
Tromm: Ein Rat, der uns tagtäglich bei der Arbeit hilft, stammt von Guy de Maupassant: „Der Geschichtenerzähler muss uns deutlich machen, inwiefern ein Droschkengaul fünfzig anderen Gäulen, die ihm folgen oder vorangehen, nicht gleich ist.“