Besonders bitter stößt Spiegel Online die Forderung nach einer erneuten Ausarbeitung eines Digitalkonzepts auf, nachdem man zwei Jahre genau daran gearbeitet hat. Sie wollen, dass es nun endlich zu einer sachlich-inhaltlichen Auseinandersetzung um das Konzept Spiegel 3.0 und zu einer zügigen Umsetzung kommt. Eine Zusammenarbeit der Ressortleitungen von Print und Online sei nötig, auch wenn dies mit einem partiellen Machtverlust für die Print-Ressortleiter verbunden sei.

Es gehe doch vor allem darum, eine sinnvolle Organisationsstruktur zu schaffen, die es ermöglicht, flexibel zu entscheiden, welche Inhalte exklusiv für Print reserviert werden, welche frei Online zugänglich sind und welche als Paid Content Online zur Verfügung gestellt oder angeteasert werden sollen. "Alle Kanäle und alle Möglichkeiten zu nutzen, ist eine Selbstverständlichkeit in der digitalen Welt und kein Drama," heißt es. 

Nun fürchtet die Belegschaft von Spiegel Online, dass es einen Chefredakteur von Gnaden der Print-Ressortleiter geben könne. Einem Büchner-Nachfolger, dem es wieder nur um das gedruckte Heft geht, nicht um die komplette Marke. "Wir sind erschüttert von der fehlenden Dialogbereitschaft der Print-Ressortleiter und der öffentlichen Selbstdemontage," sagen führende Mitarbeiter. Bei Spiegel Online schließt man nun ebenfalls nicht aus, mit einer Gegenpetition aktiv zu werden. "Wir wollen, dass das Konzept umgesetzt wird. Denn jetzt sind wir noch in einer komfortablen Situation: Wir können gestalten und sind nicht Getriebene einer digitalen Entwicklung."

Hier die Erklärung der Print-Fraktion im Wortlaut:

"ERKLÄRUNG Die Redakteurinnen und Redakteure des SPIEGEL sind in großer Sorge um die Zukunft des Verlages. Das wirtschaftliche Umfeld, die Umstellung auf den Erscheinungstermin Samstag sowie die Suche nach einem schlüssigen Konzept zur digitalen Zukunft des SPIEGEL und zur Kooperation der Redaktionen von SPIEGEL, SPIEGEL Online und SPIEGEL TV stellen das Haus vor große Herausforderungen. Vor diesem Hintergrund können die Redakteurinnen und Redakteure des SPIEGEL ihre Aufgaben nur dann erfüllen, wenn sie von einem Chefredakteur geführt werden, der das Vertrauen aller Gesellschafter sowie der Redaktion in seine journalistische und strategische Führungskompetenz genießt. Nun aber gibt es beim SPIEGEL ein offensichtliches Führungsvakuum, nicht zuletzt nachdem öffentlich geworden ist, dass die Gesellschafter bereits Gespräche zur Nachfolge Wolfgang Büchners geführt haben. Das lähmt die redaktionelle Arbeit und verhindert dringend notwendige Entscheidungen. Die Redakteurinnen und Redakteure des SPIEGEL rufen die Gesellschafter daher auf, diesen Schwebezustand unverzüglich zu beenden."


Autor: Judith Pfannenmüller

ist Korrespondentin für W&V in Berlin. Sie schaut gern hinter die Kulissen und stellt Zusammenhänge her. Sie liebt den ständigen Wandel, den rauhen Sound und die thematische Vielfalt in der Hauptstadt.