Spiegel-Chef stimmt auf neue Ära im Verlagsgeschäft ein
Die schwächelnde Anzeigenkonjunktur zwingt den Spiegel-Chef Ove Saffe zum Umdenken im Verlagsgeschäft. Er will mittel- bis langfristig stärker auf das Vertriebsgeschäft setzen, um sich von der Werbewirtschaft unabhängiger zu machen. Weitere Copy-Preiserhöhungen sind zu erwarten.
Ove Saffe stimmt den Hamburger Spiegel-Verlag geschäftlich auf neue Zeiten ein. Der Geschäftsführer will das Printhauses an der Brandstwiete mittelfristig bis langfristig stärker auf Vertriebs- als auf Anzeigenerlöse ausrichten. „Strategisch wollen wir uns stärker auf Vertriebserlöse konzentrieren“, sagte der ehemalige Stern-Geschäftsführer. So soll offenbar unter anderem beim Hauptprodukt „Spiegel“ der Copypreis in den nächsten Jahren weiter steigen. 2010 will der Verlagsmanager den Preis für das Nachrichtenmagazin weiter „moderat“ anheben. Um wie viel, ließ er aber offen. Anfang diesen Jahres hatte Saffe den Preis bereits um 0,20 Cent auf 3,70 Euro erhöht.
Die Stoßrichtung des Verlagschefs ist verständlich. Er will das Printhaus stärker vom Anzeigengeschäft unabhängiger machen. Denn wie fast alle deutschen Zeitschriftenhäuser leidet auch der Spiegel unter massiven Anzeigenrückgängen. So ging in diesem Jahr netto der Anzeigenumsatz des Nachrichtenmagazins um rund 30 Prozent zurück, 2008 lag das Minus bei 10 Prozent. Unklar ist, in welchem Maße das Geschäft mit der Werbung wieder zurückkommt, falls sich die Schatten der Wirtschaftskrise legen. Prognosen will er deshalb nicht wagen, zumal auch die Werbegelder zunehmend in andere Kanäle abwandern. Perspektivisch könne Saffe sich deshalb vorstellen, dass das Magazin in ferner Zukunft kaum noch Anzeigenerlöse erzielt. „Es ist denkbar, dass der Spiegel irgendwann ohne Anzeigenerlöse“ dasteht, meint der Verlagschef. Anzeigen, die die werbetreibende Industrie dann noch schaltet, seien die „Sahne oben drauf.“
Dass sich der Spiegel-Chef auf eine neue Ära im Verlagsgeschäfts einstellt, belegt deutlich die sich langsam veränderte Erlösstruktur der vergangenen Jahre. Noch 2000 hatte der Medienhaus verlagsseitig fast 70 Prozent seines Umsatzes im Anzeigengeschäft erzielt. In diesem Jahr halbiert sich der Anteil auf fast 36,6 Prozent. Und dieser Prozess ist noch nicht gestoppt. Saffe geht davon aus, dass der Verlag 2010 nur noch ein Drittel seines Umsatzes mit Anzeigen erzielt. Im Gegenzug wird das Vertriebsgeschäft immer wichtiger. In diesem Jahr wird es bereits rund 63,4 Prozent zum Verlagsumsatz beisteuern.
Saffe Strategie, beim Magazin und einigen Beibooten höhere Copypreise durchzudrücken, könnte aufgehen. Denn der Spiegel-Verlag stellt Produkte mit hohem journalistischen und investigativen Anspruch her. Viel zitiert seien deshalb in diesem Jahr Titelgeschichten um das Autoimperium Porsche und deren Familiefehde sowie eine detaillgetreue Analyse wie die US-Investmentbank Lehman Brothers das Weltfinanzsystem an den Rand des Abgrund steuerte. Für solche Geschichten sowie Scoops über Bestechungsskandale im internationalen Handball oder dubiosen Nebengeschäften des Ex-Arcandor-Chefs Thomas Middelhoff sei die Leserschaft bereit, mehr Geld am Kiosk zu lassen. So habe sich auch die Copypreis-Erhöhung im vergangenen Jahr in der Auflage nicht negativ niedergeschlagen, betont er.
Dennoch kann sich die Spiegel-Gruppe der Wirtschaftskrise nicht entziehen. So werde der Umsatz im laufenden Jahr voraussichtlich auf 300 Millionen Euro deutlich zurückgehen. Er wurde für 2008 mit 335,2 Millionen Euro beziffert. Zum Ertrag der Gruppe macht er keine Angaben Deutlicher wird Saffe hingegen beim Verlag, der rund zwei Drittel des Gruppenumsatzes ausmacht. Hier werde der Ertrag zwar im laufenden Geschäftsjahr zwischen 30 bis 50 Prozent sinken. Die Umsatzrendite sei aber „zweistellig“. Absolute Zahlen nennt er aber auch hier nicht. Die Ertragslage ist so gut, dass die Gesellschafter des Spiegel-Gruppe satzungsgemäß eine Dividende erhalten. Dazu gehören die Mitarbeiter-KG, die Familie Augstein sowie der Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr (Stern, Geo).
Trotz des rückläufigen Ergebnisses ist ein Personalabbau nicht vorgesehen. So würden lediglich freiwerdende Stellen nicht nachbesetzt. Zudem nutzt der Verlag die normale Fluktuation sowie Vorruhestandsregelungen aus, um die Personalkosten zu drücken. Dennoch seien teilweise Kündigungen offenbar nicht ausgeschlossen, heißt es. Betroffen könnte hiervon möglicherweise der Online-Ableger des Wirtschaftstitels "Manager Magazin" sein. Hier arbeiten 22 Redakteure. Im Gespräch sind rund zehn bis elf Stellen zu streichen, um die Ertragslage des Web-Ablegers zu verbessern. Ob es dazu kommt, könne Saffe aber nicht sagen: „Wir sind derzeit in Gesprächen“, meint der Geschäftsführer. Das Online-Portal soll zudem neu ausgerichtet werden. Zukünftig sollen mehr Redakteure des Print-Produkts fürs Web arbeiten.
Als profitabel bezeichnete er das Online-Angebot des Spiegel. Hier gebe es zwischen dem Online- und dem Print-Produkt erhebliche Überschneidungen in der Leserschaft. Dies wolle er sich stärker zu nutze machen. Paid-Content-Modelle für Spiegel-Online könne er sich "differenziert und spezialisiert" vorstellen. So prüft er offenbar die Möglichkeiten, ob der Leser für Exklusivgeschichten zusätzlich Geld bezahlen soll. Nachrichten, die von allgemeiner Bedeutung wäre, dürften auch zukünftig bei Spiegel Online kostenlos angeboten werden.
Eine „Rendite auf Marktniveau“ erzielt derzeit Spiegel TV, die Fernsehtochter des Verlagshauses. So bewege sich die Umsatzrendite zwischen fünf und sechs Prozent. Die Einheit beschäftigt rund 350 Mitarbeiter. Gerüchte über einen Stellenabbau wies er zurück. „Es ist ein sehr volatiles Geschäft, das man nicht planen kann“, so der Verlagschef. Spiegel TV präsentiert seit 1. Januar 2009 auf dem Bezahlsender Sky die Sendung „Spiegel Geschichte“. Ferner produziert die Gesellschaft auf RTL sowie SAT 1 diverse Formate.