Am Sonntagabend war es zwischen Merkel und Schulz im großen TV-Duell ziemlich kuschelig zugegangen. Gerade junge Zuschauer waren genervt, dass keine Sekunde über Bildung und so gut wie gar nicht über das schnelle Internet geredet wurde, mit denen einige prominente Youtuber mittlerweile mehr Geld verdienen als Spitzenpolitiker oder Manager.

Denkt Schulz über manche Hasskommentare nach, wenn er abends ins Bett geht, möchte Interviewer "MarcelScorpion" alias Marcel Althaus wissen, der mehr als zwei Millionen Abonnenten bei Youtube hat. Schulz gibt das unumwunden zu. "Das verletzt einen natürlich, ganz klar." Auch von seiner weithin bekannten Alkoholsucht erzählt er. Wie sein Traum platzte, Fußballprofi zu werden, er von der Schule flog, zur Flasche griff, davon loskam, dann Buchhändler wurde. Sein Rat an die junge Generation: "Schmeißt euer Leben nicht weg!"

Vielen der bis zu 15.000 Zuschauer, die das Gespräch bei Youtube verfolgen und bei Twitter kommentieren, gefällt, wie offen der 61-Jährige sich präsentiert. "Schulz ist deutlich sympathischer und nicht so "Fake" wie Merkel. Er ist deutlich spontaner, und das gefällt mir", twittert ein "Alex".

So erfährt die Netzgemeinde, dass die Schulzens mal Wellensittiche hatten, er in Brüssel Vorkämpfer für den Tierschutz gewesen sein will ("Wie ich nur konnte"), seine Ehefrau, die er sonst strikt aus dem Wahlkampf heraushält, eine "Nachhaltigkeitspedantin und -pädagogin" sei, die rund um Würselen für bedrohte Arten kämpfe. Ein Serienjunkie ist Schulz nicht, kennt aber "House of Cards" (wie Francis Underwood will er nicht werden). Nach der Wahl sollte im Bundestag ohne Parteizwang über eine Legalisierung von Cannabis abgestimmt werden.

Mirko Drotschmann alias "MrWissen2Go" will noch herausfinden, ob der Berufspolitiker den Alltagscheck besteht. Was kostet der Liter Milch bei Aldi? Schulz liegt mit 70 Cent ganz gut, ebenso kennt er die auf bis knapp zwei Euro gestiegenen Butterpreise. "Ich hab' mich nicht vorbereitet", beteuert er. Auch die miesen Umfragewerte der SPD sind Thema. Hat er mit der Mission Kanzleramt abgeschlossen? "Ich habe das nicht abgeschrieben. Ich kämpfe bis zum letzten Meter."

Im großen TV-Duell am Sonntag konnte Schulz zwar bei unentschlossenen Wählern punkten, insgesamt verlor er aber den Umfragen zufolge gegen Merkel. Der Ausflug in die Netzwelt hat ihm viel besser gefallen. "Hat Spaß gemacht", twittert er zu einem Selfie mit den vier Youtubern. "Formate mit vier Interviewern können doch aufgehen", stichelt Schulz. Nur eine Sorge treibt ihn um. "Aber bitte: Macht das mit dem Waschpulver nicht zu Hause nach!" (mit dpa)


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Autor: W&V Redaktion

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