Deutscher Werberat:
Sexismus nach wie vor häufigster Kritikpunkt
Der Deutsche Werberat zieht Bilanz. 523 Fälle hat das Gremium 2021 geprüft, gerügt davon wurden 14. Der Grund: Sexismus vor allem im Mittelstand. Denn der, so der Weberat, werbe meist nicht professionell.
Ärgernis Werbung? Kommt immer wieder und wieder häufiger vor. Die Selbstregulierung der deutschen Werbewirtschaft entschied im Vorjahr über 523 Fälle - 5 Prozent mehr als noch 2020. In den eingeleiteten Verfahren folgten laut Werberat rund 90 Prozent aller Unternehmen dem Votum des Gremiums, stoppten oder änderten ihre Werbung.
Der Werberat blieb demnach auch 2021 die Anlaufstelle für Bürgerbeschwerden zu Werbeinhalten. 1.444 Personen, Institutionen und Organisationen hatten sich im vergangenen Jahr an den Werberat gewandt - rund 8 Prozent mehr als 2020. Das, so die Verantwortlichen in einer Mitteilung, spiegele die wieder höhere Medien- und damit auch Werbenutzung im zweiten Corona-Jahr.
Beklagte Unternehmen reagieren schnell
Die Menschen wenden sich mit den unterschiedlichsten Anliegen an den Werberat in Berlin: Sie sehen allgemein geltende Moralvorstellungen verletzt, eine unangemessene Bezugnahme auf Unglück oder Leid. Sie kritisieren, wenn Gewalttaten verherrlicht werden, Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Sie machen Geschlechterdiskriminierung geltend oder kritisierten Werbung als rassistisch.
Von den 586 vom Werberat geprüften Motiven oder Spots lagen 63 Fälle wie zum Beispiel politische Wahlwerbung nicht im Zuständigkeitsbereich des Werberats. Auffällig: Beschwerden richten sich häufiger als früher gegen die beworbenen Produkte oder Dienstleistungen selbst und nicht gegen ihre Bewerbung und dies wird auch weniger von Bürger:innen, sondern verstärkt von Organisationen oder zivilgesellschaftlichen Gruppierungen vorgebracht.
Ein Freispruch ist möglich
Von Kritik freigesprochen wurden im Bilanzjahr 385 von 523 Werbemotiven, da kein Verstoß gegen die Verhaltensregeln des Deutschen Werberats vorlag. In 138 Fällen dagegen kontaktierte der Werberat werbende Unternehmen zur geäußerten Bürgerkritik auf Grundlage des geltend gemachten Verstoßes. 124 Werbekampagnen wurden von den betroffenen Unternehmen daraufhin zurückgezogen oder geändert. Wie schon im Vorjahr folgten 90 Prozent der kontaktierten Unternehmen der Entscheidung.
Lediglich in 14 Fällen waren die Unternehmen nicht einsichtig, so dass der Werberat öffentlich Rügen aussprechen musste (siehe Bilder). Sie verhängte der Werberat 2021 ausschließlich zu sexistischer Werbung und an kleine oder mittlere Unternehmen, deren Kommunikation nicht von professioneller Seite begleitet wird.
Einfach im Netz melden
Wichtiger Hinweis: Der Deutsche Werberat nutzt den auf www.werberat.de abrufbaren Leitfaden zum Werbekodex, um über das Thema verantwortungsvoller Werbung zu informieren und die
Verhaltensregeln der Branche anhand von fiktiven Werbemotiven zu erläutern. Der Leitfaden wird vom Deutschen Werberat für Schulungen innerhalb der Branche verwendet, steht aber auch externen Bildungseinrichtungen zur Verfügung.
"Den Bürgern ist es auch im zweiten Coronajahr wichtig gewesen, den Werberat zu kontaktieren, wenn Werbung als unangemessen empfunden wurde. Dies zeigen die gestiegenen Beschwerde- und Fallzahlen. Gleichzeitig belegt die hohe Durchsetzungsquote von 90 Prozent seine breite Akzeptanz in der Wirtschaft", sagt Katja Heintschel von Heinegg, Geschäftsführerin des Deutschen Werberats.
Von Sexismus bis Lebensmitteln
Wie bereits in den Vorjahren war "Geschlechterdiskriminierende Werbung" mit insgesamt 266 Fällen auch 2021 der Hauptbeschwerdegrund und betraf die Hälfte aller Fälle (523). An zweiter Stelle und mit deutlichem Abstand folgten Fälle zu "Ethischen und moralischen Mindestanforderungen" (52). In diese Rubrik fällt ein breites Spektrum an Beschwerdegründen und wird vom Werberat anhand seiner "Grundregeln zur kommerziellen Kommunikation" beurteilt.
Die "Diskriminierung von Personengruppen" fiel 2021 von Position zwei auf drei. 2020 hatte sich die Debatte um die Black-Lives-Matter-Bewegung in der erhöhten Anzahl von Beschwerden beim Werberat widergespiegelt und war mit einer höheren Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für Werbesujets einhergegangen, die verschiedene Ethnien abbildeten. 2021 verringerte sich die Fallzahl auf 46 Fälle zu 66 im Jahr 2020.
An vierter Stelle und damit ungewöhnlich weit oben in der Statistik standen Beschwerden zum Lebensmittelkodex des Werberats. Diese Kategorie wurde von zwei Massenbeschwerden einer Kampagnenorganisation zahlenmäßig in die Höhe getrieben, wie der Rat meldet: 33 Beschwerden im Jahr 2021 im Vergleich zu einer im Jahr 2020.
Die vorgebrachten Beschwerden der Organisation wurden allerdings als unbegründet zurückgewiesen (30 von 31 Fälle). In einem Fall wurde die Werbung geändert, nachdem das Unternehmen vom Werberat zur Stellungnahme aufgefordert worden war.
Wer es genau wissen will, klickt hier, hier und hier
Online vor TV
Die höchste Zahl an Reklamationen verzeichnet der Werberat seit einigen Jahren bei Online-Werbung. Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass durch die Nutzung von Smartphones eine Beschwerde über digitale Werbung sofort an den Werberat weitergeleitet werden kann.
Über 156 Fälle von Online-Werbung – darunter fallen soziale Netzwerke/Plattformen, unternehmenseigene Internetseiten, Video-, Display-, Mobile- bzw. App-Werbung - entschied der Werberat 2021. Mit 103 Fällen folgte TV- vor Plakatwerbung mit 82 Beispielen.