Kolumne:
Scrappy Startups bleiben länger in Form
Nico Lumma und Christoph Hüning vom Next Media Accelerator beschäftigen sich mit Themen, über die man im Laufe der Woche sprechen sollte. Diesmal: richtiger Umgang mit Risiko und Ressourcen
“Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not” - wir alle kennen dieses Sprichwort und wahrscheinlich fällt es vielen von uns schwer, im Alltag danach zu leben. Für Startups hat diese Redewendung jedoch eine besondere Bedeutung, denn meistens ist die Kapitaldecke noch dünn und ein effizientes Cash Management notwendig. Auch und gerade in guten Zeiten.
Startups unterscheiden sich von etablierten Unternehmen u.a. dadurch, dass sie “scrappy” sind. Jeder Euro wird mehrmals umgedreht, es wird immer nach ressourcenschonenden kreativen Lösungen gesucht und per Definition sind immer alle hands-on, denn einen Management-Wasserkopf kann sich ein Startup nicht leisten. Startups kommen erstaunlich weit mit erstaunlich wenig Geld, das ist auch ein Grund, warum sie aus der Sicht von Innovatoren so spannend sind: Es passiert einfach mehr in kürzerer Zeit.
Doch wie geht es nach den ersten Erfolgen und Finanzierungsrunden weiter? Viele Grown-Ups und Scale-Ups wollen dann die verdienten Früchte harter Arbeit genießen - und das natürlich auch zu Recht. Eines der sog. deutschen “Unicorns” (auch wenn die Holding in der Schweiz sitzt) ist GetYourGuide, ein Travel-Startup, das individuelle Touren an ein zumeist junges Publikum vermittelt. Vor Corona war GetYourGuide nicht nur ein ausgesprochen erfolgreiches Startup, sondern auch aktiver Vorreiter der Branche, wenn es darum ging, die Bedingungen für europäische Startups im internationalen Wettbewerb zu verbessern. Ein Hauptthema: Die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen. Hier waren die Gründer Vorkämpfer und auch bestens mit der Politik vernetzt, um eine steuerrechtliche Benachteiligung gegenüber anderen Ländern auszugleichen.
Doch seit Corona ist einiges anders. Es sind schwierige Zeiten für viele Startups und sicher sind Travel-Startups besonders betroffen, wenn das eigene Geschäft, das Reisen, quasi per Gesetz unterbunden wird. In einem aktuellen Spiegel-Artikel können wir nun lesen, wie es GetYourGuide schaffen will, gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen. Wir drücken dem Team die Daumen, dass alles so klappt, sehen diese Geschichte aber auch als ein gutes Beispiel, wie wichtig es ist, auch in Krisenzeiten seine Kosten im Griff zu haben. Und die Voraussetzungen hierfür werden in guten Zeiten gelegt.
Natürlich gehört es dazu, bei Wachstum in größere Büros zu ziehen, neue Mitarbeiter*innen einzustellen und entsprechende Anreizsysteme einzurichten. Aber nicht jedes Grown-Up muss bei der Ausstattung ihrer Büros mit Google mithalten können. Und wenn Anteile oder Optionen ausgegeben werden, muss allen Kolleg*innen klargemacht werden, dass unternehmerisches Risiko auch mal schief gehen kann. Denn eine Beteiligung am Startup ist der erste Schritt ins Unternehmertum und im positiven Fall die Keimzelle für weitere Gründungen aus der Belegschaft heraus.
Ein aktives Risikomanagement muss ab einer bestimmten Größe selbstverständlicher Teil von Startups sein. Natürlich konnte niemand das Ausmaß der Corona-Krise vorhersehen, aber wahrscheinlich ist ein Business Case, der eine hohe Abhängigkeit von Google aufweist, auch schon bei schwächeren Krisen nicht robust. Google selber machte 2019 nach Ansicht von Experten einen geschätzten Umsatz von $19 Milliarden und profitiert natürlich von den massiven Werbespendings von Booking.com und anderen - Google bietet diesen Unternehmen Zugang zu deren Kunden, für den Unternehmen in der Reisebranche viel Geld bezahlen.
Viele europäische Medienhäuser und auch einige unserer Startups kooperieren mit Google im Rahmen der Digital News Initiative. Wir sehen Google hier als wertvollen Partner, der Geld in die Zukunft des Journalismus investiert. Dass dieses Geld vorher an anderer Stelle verdient werden muss, scheint auch klar zu sein. Den Disput zwischen den Travel-Startups und Google können wir von außen nicht einschätzen, aber das Problem ist nicht neu, wir kennen es aus der Old Economy von den Zulieferern. Dabei ist es egal, ob es sich um den Lebensmittelhandel oder in der Automobilbranche handelt: Kleinere Player können zwar gut wachsen in der Abhängigkeit von einem großen Unternehmen, aber wenn das Sortiment verändert wird oder Baugruppen ausgetauscht werden, werden sie schnell das Nachsehen haben.
Startups sollten sich ihre Scrappiness bewahren und daraus eine Flexibilität ableiten, die sie resilienter macht im Vergleich zu eher starr agierenden etablierten Unternehmen. Aber immer nur auf andere zu zeigen, weil irgendwas gerade nicht so läuft, wie es sein sollte, gehört nicht zu den Tugenden, die wir von Gründer*innen erwarten.