
Lesetipp:
Schleswig-Holstein präsentiert sich als Männerland
Mit einem Imagefilm wirft sich Schleswig-Holstein als Gastgeberland für den Tag der Deutschen Einheit in Pose. Aber SZ-Autor Ralf Wiegand vermisst da was.

Foto: Schleswig-Holstein
Zweieinhalb Minuten lang ist der Imagefilm von Schleswig-Holstein. Er zeigt das Bundesland, das in diesem Jahr die Feier zum Tag der Deutschen Einheit ausrichten darf, von seinen besten Seiten. Schiffsbau von Holz bis Hightech, sogar Robotik wird im Norden erprobt, das Handwerk gedeiht, von Fischfang über Ackerbau und Backkunst, es gibt großartige Landschaften und leistungsfähige Industrieanlagen, Unis, Sportwettkämpfe, Unterwasserwelt, Rockfestivals, Fußball: Da staunt man. In Schleswig-Holstein gibt es ja praktisch alles.
Alles. Außer Frauen. Der Film dauert 2 Minuten, der Abspann mit den Infos zum Videomaterial eine weitere halbe. 32 Unternehmen und Organisationen sind hier aufgeführt, die Bilder beigesteuert haben. Und alle 32 sind offenbar sehr sparsam mit weiblichen Darstellern umgegangen.
Oder leben hier gar keine Frauen? Entwarnung: In Schleswig-Holstein seien 50 Prozent der Erwerbstätigen Frauen, im Bund seien es lediglich 48 Prozent, zitiert SZ-Autor Ralf Wiegand den Gewerkschaftsbund.
In seinem Artikel nimmt er das Video-Phänomen auseinander. Und findet gerade mal eine Frau, deren Auftritt diese Bezeichnung verdient. Sie bewundert bei etwa 00:30 das Lübecker Holstentor. Alle anderen Szenen: frauenfrei.
Wer ganz genau hinschaut, der kann entdecken, dass viermal ganz kurz Frauen zu sehen sind (bei 00:15, 00:41, 1:17 und 1:40) - und der Chor, der bei 1:07 auftritt, ist ein Frauenchor.
Trotzdem scheint das ein sehr geringer Frauenanteil zu sein. Prompt, berichtet Wiegand, habe es Kritik gegeben: "Gleichstellungsbeauftragte mehrerer Institutionen kritisierten das Werbevideo der Staatskanzlei als peinlich fürs Land, der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte sogar, es müsse ein 'Remake' her." Obendrein war Schleswig-Holstein auch noch das erste Bundesland mit einer Ministerpräsidentin, Heide Simonis.
Vergessen? Oder unter Druck verpfuscht?
Wiegand berichtet, es habe kein Budget für diesen Werbefilm gegeben, zwei Mitarbeiter hätten das Material bei den oben erwähnten Firmen gesammelt und dann zusammengeschnitten. Gekostet habe das rund 4500 Euro.
Klingt, als habe man am falschen Ende gespart. Und macht, liebe Fachleserinnen und -leser, dann auch deutlich, dass diese Branche mit Agenturen und Werbefilmern durchaus ihre Existenzberechtigung hat.