Interview: Michael Strubel:
Safe-Harbor-Urteil: "Erheblicher Einfluss aufs Marketing"
Der Europäische Gerichtshof hat die Vereinbarung zur einfachen Datenübermittlung in die USA für ungültig erklärt. Michael Strubel, Anwalt bei CMS Hasche Sigle, erklärt, wie Unternehmen jetzt reagieren müssen und was auf sie zukommen kann. "Das Urteil hat enorme Breitenwirkung."
Der Europäische Gerichtshof hat die Vereinbarung zur einfachen Datenübermittlung in die USA (Safe Harbor) für ungültig erklärt. Die Entscheidung des Gerichts betrifft gleichermaßen deutsche und amerikanische Unternehmen, die Daten in die USA fließen lassen. Michael Strubel, Anwalt bei CMS Hasche Sigle, erklärt, wie (schnell) Unternehmen jetzt reagieren müssen.
Für viele Internetnutzer gilt Facebook als Buhmann in punkto Datenschutz, aber das Urteil betrifft ja auch andere Unternehmen, oder?
Das Urteil hat enorme Breitenwirkung. Alle Unternehmen, die eine Datenübermittlung von personenbezogenen Daten in die USA vornehmen, werden von der Entscheidung betroffen sein. Die Wirkung ist dabei branchenübergreifend. Sowohl internationale Konzerne, die ihre Mitarbeiterdaten konzentriert in den USA speichern, als auch kleine Onlinemarketing-Agenturen, die zur Speicherung ihrer Daten einen Server eines in den USA lokalisierten Unternehmens nutzen, müssen sich mit der heutigen Entscheidung intensiv auseinandersetzen. Letztlich darf dabei aber nicht verkannt werden, dass nicht jede Übermittlung von Daten in Zukunft voraussichtlich verboten sein wird. Die Entscheidung betrifft nur die Übermittlung von personenbezogenen Daten.
Wirkt sich das Urteil vor allem auf größere Unternehmen aus?
Sicherlich ist das Urteil vor allem für große Unternehmen problematisch, denn allein aufgrund des umfangreichen Datenvolumens, das bei größeren Unternehmen anfällt, wird eine Anpassung an die Auswirkungen des Urteils deutlich schwerer sein. Gleichzeitig wird das Urteil auch erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen haben, deren Geschäftsmodell darauf aufbaut, personenbezogene Daten in die USA zu transferieren. Ein solcher Datentransfer wird voraussichtlich in Zukunft nur noch unter engen Voraussetzungen möglich sein.
Wie schnell rechnen Sie mit konkreten Auswirkungen?
Ein konkreter Zeitraum, ab wann die Unternehmen reagieren müssen, ist noch nicht voraussehbar. Entscheidend wird dabei sein, wie und wann sich die deutschen Aufsichtsbehörden dazu positionieren. Die nationalen Datenschutzbehörden müssen nun feststellen, ob nach ihrer Einschätzung das Datenschutzniveau in den USA mit dem Europäischen Datenschutzniveau vergleichbar ist. Da die deutschen Datenschutzbehörden aber schon in der Vergangenheit den Datentransfer in die USA und das dortige Datenschutzniveau als kritisch angesehen haben, ist davon auszugehen, dass auch die Datenschutzbehörden rasch zu dem Urteil kommen und ebenfalls ein vergleichbares Datenschutzniveau in den USA verneinen werden.
Es empfiehlt sich für jedes Unternehmen daher, proaktiv zu überprüfen, ob ein Datentransfer in die USA im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit vorgenommen wird und welche Daten übermittelt werden. Darüber hinaus sollte überprüft werden, ob einfache Alternativen in Betracht kommen, um auf einen Datentransfer von personenbezogenen Daten verzichten zu können.
Was bedeutet das z.B. für die Datenschutzerklärungen zur Verarbeitung von persönlichen Daten; müssen diese sofort umgeschrieben werden?
Auch über die Frage, ob die Datenschutzerklärungen auf die neue Rechtslage angepasst werden müssen, kann erst entschieden werden, wenn in Deutschland die nationalen Datenschutzbehörden oder der Gesetzgeber eine Aussage darüber treffen, ob der Datentransfer in die USA weiterhin möglich ist.
Inwiefern wird das Urteil auch betriebsinterne Marketingstudien und generell die Arbeit der Marketingabteilungen beeinflussen?
Hierzu lässt sich generell sagen, dass bei Marketingstudien, insbesondere aufgrund des weiten Verständnisses der Personenbezogenheit eines Datums, oftmals personenbezogene Daten erhoben und analysiert werden. Sobald diese Daten zum Zwecke der Speicherung oder Weiterverarbeitung in die USA transferiert werden, hat die heutige Entscheidung des Gerichtshofs auf die Arbeit von Marketingabteilungen erheblichen Einfluss.