
Freelancer-Kompass:
Rosige Aussichten für Freiberufler
Freelancer in der IT- und Ingenieursbranche sind nicht nur extrem gefragt. Wie eine Studie ergab, sind auch ihre Stundensätze so hoch wie nie - und dürften auch künftig noch weiter steigen.

Foto: Freelancermap
Freelancern in der IT- und Engineering-Branche ging es noch nie so gut wie jetzt. Dennoch haben sie radikale Forderungen an die Politik. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle "Freelancer-Kompass 2019", für den die Nürnberger Arbeitsvermittlungsplattform Freelancermap insgesamt 1.347 Freiberufler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt hat.
Demnach ist der typische deutsche Freiberuflicher männlich, 47 Jahre alt, hat einen akademischen Abschluss und kommt aus Nordrhein-Westfalen. Er arbeitet rund 45 Stunden die Woche und gönnt sich 26 Tage Urlaub im Jahr.Und: Im Schnitt verdient er fast 94 Euro die Stunde. Damit hat sein Stundensatz ein - vorläufiges - Allzeit-Hoch erreicht: Bei der ersten Ausgabe der Studie im Jahr 2016 konnten die Experten "nur" 82 Euro in der Stunde für ihre Dienstleistungen verlangen.
Besonders gefragt sind dabei SAP-Experten, mit einem Stundensatz von über 112 Euro verdienen sie am besten. Am wenigsten verdienen dagegen Grafiker und Content-Manager mit etwas mehr als 66 Euro in der Stunde. Auch die Berufserfahrung macht sich bezahlt: Wer älter als 69 Jahre ist, kann einen Stundentarif von rund 106 Euro einfordern. Die Unter-30-Jährigen müssen sich dagegen mit rund 74 Euro zufrieden geben. Im Schnitt blicken angehende Freelancer auf fast 13 Jahren Berufserfahrung zurück, bevor sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.
Stundensätze werden bald dreistellig sein
Offenbar sind die Unternehmen immer mehr bereit, die erbrachten Dienstleistungen ordentlich zu vergüten. "Externes Know-how, weniger Personalengpässe und hohe Produktivität in kurzer Zeit - der Einsatz von Freelancern birgt auch 2019 enorme Vorteile für Unternehmen", erklärt Thomas Maas, CEO von Freelancermap. Und da ein Ende des Fachkräftemangels vorläufig nicht in Sicht ist, sind auch die Verdienstaussichten für die Freiberufler gut: Für 2020 prognostiziert Freelancermap einen Anstieg des Stundensatzes auf über 96 Euro, in etwa fünf Jahren sollen sogar Stundensätze über 100 Euro die Regel sein.
Kein Wunder, dass die wenigsten Selbstständigen ihre derzeitige Jobsituation ändern wollen: So würden 77 Prozent der Befragten eine erneute Festanstellung ausschließen. Über 90 Prozent würden sich sogar erneut selbstständig machen. Zumal zwei Drittel der Studienteilnehmer angaben, als Freelancer mehr als im festen Beschäftigungsverhältnis zu verdienen. Auch hier ist die Tendenz steigend: Kamen 2014 52 Prozent der Befragten auf einen Bruttoumsatz von über 100.000 Euro, stieg 2018 der Anteil auf 60 Prozent. Auch der Anteil mit über 50.000 Euro Bruttogewinn ist von rund 53 Prozent in 2015 auf über 58 Prozent gestiegen.
Unterschiede zwischen Frauen und Männern
Mit nur rund elf Prozent ist der Frauenanteil unter den Freelancern in der IT- und Engineering-Branche ziemlich gering. Auch verdienen die Frauen hier weniger: Zwar ist auch bei den weiblichen Selbstständigen die stündliche Vergütung in den letzten Jahren um drei Euro gestiegen, mit einem Stundensatz von 87,63 Euro liegt er aber um 7 Euro unter dem der männlichen Kollegen. Entsprechend liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen der männlichen Freelancer bei 7.090 Euro und bei den Frauen bei 5.545 Euro im Monat.
So gut der Verdienst auch ist, die Arbeit als Selbstständiger birgt auch einige Herausforderungen, wie die Studie weiter ergab. Zwar gaben fast 80 Prozent der Befragten als Grund für die Selbstständigkeit die "Unabhängigkeit" und die Tatsache, sein "eigener Chef" zu sein, an. Und über die Hälfte genießen vor allem die freie Zeiteinteilung. Doch diese Freiheit hat auch Nachteile: So empfinden mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer die Auftragsaquise und fast genauso viele die schwankenden Einkommen als besonders unangenehm.
Abschaffung der Scheinselbstständigkeit gefordert
Was der Freelancer-Kompass noch ergab: Rund 60 Prozent der Freiberufler fühlen sich von der Politik nur sehr wenig respektiert. Um dieses Meinungsbild zu ändern, sollten Politiker daher versuchen, die Rahmenbedingungen für Freelancer zu verbessern. So wünschen sich die Befragten unter anderem die Abschaffung der Scheinselbstständigkeit (57 Prozent) oder die Reduzierung bürokratischer Hürden (54 Prozent).
Alles in allem blicken die meisten Freelancer positiv in die Zukunft. Etwas mehr als die Hälfte geht für 2019 von einer gleichen Auftragslage aus, ein Drittel erwartet hier sogar eine Verbesserung. Nur 14 Prozent dagegen rechnen mit einer negativeren Auftragslage. "Frelancing ist längst keine Nische mehr: Erfahrene Experten oder auch Neueinsteiger sollten die Herausforderung 'Selbstständigkeit' jetzt annehmen", sagt Maas.
Dass Frelancing das Arbeitsmodell der Zukunft ist, glaubt auch Angela Broer, Senior Vice President Professional Marketplaces bei Xing und zugleich verantwortlich für Hallo Freelancer, eine Plattform, die Unternehmen und Freiberufler zusammenbringt. Im W&V-Interview erklärt sie, warum.