Schweineattacke:
Rechtsradikale bedrohen Grünen-Agentur David + Martin
Vor zwei Wochen noch haben sie ihren Erfolg für die Grünen gefeiert, jetzt haben die Mitarbeiter von David + Martin Angst. Jemand hat einen Schweinekopf vor die Agentur gelegt. Die Kripo ermittelt.
Einschüchtern lassen wollen sie sich auf keinen Fall. "Jetzt erst recht nicht", sagt David Stephan. Der Kreative führt mit seinem alten Jugendfreund und Partner für die Beratung Martin Eggert in München die Agentur David + Martin. Vor zwei Wochen haben sie mit ihrer unkonventionellen Kampagne dafür gesorgt, dass die Grünen bei den Landtagswahlen zweitstärkste Kraft wurden. David Stephan hat sich in diesem Zusammenhang wiederholt und öffentlich gegen den Rechtsruck im Land stark gemacht. Auch eine Agentur müsse politisch Verantwortung übernehmen. Das kam offenbar nicht überall gut an.
Es ist der 24. Oktober, Mittwochmorgen, als es gegen zehn Uhr in der Agentur klingelt. Ein Umschlag, per Nachnahme. Die Kollegen wollen das Paket erst nicht annehmen, werden dann aber vom Lieferanten gedrängt. Sie lassen sich überreden, bezahlen die 12,50 Euro und öffnen vorsichtig die Sendung. Darin: Hunderte Flyer und Plakate der Partei Die Rechte.
"Aufgeregt, dann für dumm befunden und weiter im Alltag"
David Stephan reagiert sofort, schreibt der Partei, die in Dortmund sitzt, fordert sie auf, sofort seine Daten zu löschen. Laut DSGVO hat er ein Recht darauf. Die Rechte antwortet prompt: Man habe mit der Aktion nichts zu tun, wolle auch "als Partei, die für ein souveränes Deutschland und für den Erhalt der Völker steht und sich somit klar gegen die Überfremdung positioniert", mit einer Agentur, die für die Grünen wirbt, gar nichts zu tun haben - zumindest solange nicht, bis sich die politischen Verhältnisse in Deutschland änderten. "Also erst aufgeregt, dann für dumm befunden und weiter im Alltag", sagt Eggert. So schnell aber sollte der Alltag nicht zurückkehren.
Ein totes Tier vor der Agentur
Gegen 15.30 Uhr kommt eine Nachbarin hochgerannt und fragt aufgeregt, ob sie schon gesehen hätten, was da vor der Haustür liege. Wie aufgescheucht rennen die 20 Leute von David + Martin vors Haus und entdecken: den Schweinekopf (Bild). Die Folge: Polizei angerufen, zweimal Aussage gemacht, an KriPo und Verfassungsschutz übergeben. Das Gebäude, das glücklicherweise zentral und hochfrequentiert in der Altstadt liegt, steht nun unter Beobachtung. Kameras will die Agentur noch selbst anbringen. Klar, dass die Kollegen beunruhigt sind, schließlich wird hier manchmal bis spät nachts gearbeitet. Da kann es dann schonmal einsam werden. Zum Glück sitzt die Polizei gleich um die Ecke.
"Wir haben hier alle gerade so ein semigutes Gefühl, wie man sich vorstellen kann", sagt Eggert. Alle sind angespannt. Wenn es Die Rechte nicht war, war es vermutlich ein anderer Rechtsradikaler. Stephan geht es ruhiger an als Eggert; er ist es seit seiner Kindheit gewohnt. Sein Vater hat früher das Innenressort der "Süddeutschen Zeitung" geleitet und mit seinen Recherchen so manchen Nazizirkel in Bayern aufgerieben. Sein Sohn ist nicht nur einmal im Polizeiwagen zur Schule gefahren worden ("Ich fand das cool"). Und Stücke toten Schweins fanden sich regelmäßig in der Familienpost. "Ich habe das fast erwartet", sagt David. Sein Name findet sich immer wieder in rechten Foren. "Ich weiß, wie gut die hier im Süden organisiert sind."
Aktion gegen Rechts geplant
Für mehr als Drohgebärden hält der Agenturchef die Sache allerdings nicht, erwartet aber - wie die Polizei übrigens auch - noch mehr Aktionen in den nächsten Tagen. David + Martin hat sich gleich klar positioniert. Sie haben Anzeige gegen Unbekannt erstattet, schließen jetzt immer die Türen zu den Büroräumen, haben die Nachbarn informiert. Auf die Nachnahme haben sie das Hundertfache des Betrags, 1250 Euro, an die Schlauschule gespendet, die Geflüchtete unterrichtet.
Und sie wollen sich jetzt mit allen Kollegen, vielleicht auch mit anderen Agenturen in München, eine Aktion gegen Rechts überlegen. "Um zu zeigen, wozu die fähig sind, wenn es jetzt schon gegen Parteien der Mitte geht." Gute Kontakte zur Initiative "Künstler mit Herz" bestehen auch. Die haben ja vor zwei Wochen ganz intensiv gegen die AfD im Netz angesungen. Einfach zur Tagesordnung zurückkehren will David + Martin nicht, lieber klare Kante zeigen. Dafür ist ihnen allen das freie Leben, das sie führen, zu wichtig.