Gastbeitrag von GfK-Media-Experte Tilman Rotberg:
Programmatic Advertising: Auf valide Daten kommt es an
Programmatic Advertising hat für Werbungtreibende enorme Vorteile. Doch die Unternehmen müssen lernen, wie man den Erfolg richtig misst, sagt GfK-Mediaexperte Tilman Rotberg.
In Deutschland lag das durch Programmatic Advertising erwirtschaftete Volumen im ersten Halbjahr 2016 bei stolzen 258 Millionen Euro (Quelle: BVDW). W&V widmet dem Thema eine Artikel-Serie. Tilman Rotberg*, Head of Media & Entertainment Germany der GfK, gibt den Werbungtreibenden Tipps zur Erfolgsmessung der Programmatic-Maßnahmen.
Programmatic Advertising boomt: In den USA werden 2016 voraussichtlich rund 67 Prozent (22 Milliarden Dollar) der digitalen Werbeausgaben über diese Technologie gesteuert. Das entspricht einem Anstieg um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland sind die programmatischen Nettowerbeumsätze in 2016 um 45 Prozent auf 566 Millionen Euro gewachsen.
Angesichts der Versprechen von Programmatic Advertising ist das wenig überraschend: Werbungtreibende sollen von einem effizienten Einkauf von Werbekontakten profitieren und das häufig in Echtzeit und mit automatisierter Preisfindung. Und so treffsicher, dass sich jede Evaluation erübrigt. Werbungtreibende sollten diese Versprechungen durchaus kritisch hinterfragen. Liefern die programmatisch eingekauften Werbekontakte tatsächlich die notwendige Qualität und den gewünschten Return on Investment (RoI)? Wie lässt sich die Performance überprüfen?
Das Prinzip "Garbage in – Garbage out" kann hier Orientierungshilfe leisten: "Garbage in" zielt auf die Daten ab, die die notwendige Basis des programmatischen Einkaufs bilden. "Garbage out" deutet auf die Notwendigkeit hin, die Performance von programmatisch eingekauften und ausgesteuerten Kampagnen zu überprüfen.
Auf welcher Datenbasis werden programmatische Transaktionen vorgenommen?
Voraussetzung dieser schönen neuen Welt sind Werbe- und Verbraucherdaten, die den programmatischen Einkauf und die Aussteuerung von Werbekontaktchancen erst möglich machen. In Zeiten von Datenflut sollte das eigentlich kein Problem sein. Aber Datenmassen allein führen nicht zum Erfolg einer Kampagne. Maßgeblich ist die Datenqualität. Zunächst muss unterschieden werden, welche Art von Daten die Grundlage von Programmatic Advertising bildet. Geläufig ist eine Unterscheidung nach Herkunft der Daten (1st bis 3rd Party Data).
Entscheidend ist, dass die saubersten Daten die sind, die direkt beim Nutzer gesammelt werden (z. B. Daten, die Nutzer beim Anlegen eines Accounts angeben; häufig auch CRM-Daten). Sie sind die ideale Basis für Programmatic Advertising. Allerdings ist diese Art von Daten oft nicht – oder nur limitiert – verfügbar. Daher wird häufig auf Basis der verfügbaren Informationen modelliert, das heißt es werden per Modellberechnung fehlende relevante Parameter geschätzt. So werden zum Beispiel Nutzer, die nach hochwertigen Immobilien auf Webseiten suchen, als "vermögend" eingestuft. Modellierte Daten können sehr hochwertig sein, aber die Qualität variiert stark.
Zusammengefasst bedeutet dies: Es lohnt sich für Werbungtreibende, kritische Fragen zu den Daten zu stellen. Die Qualität variiert stark, Transparenz zur Herkunft, zur Modellierung und zur Einhaltung von Privatsphärenstandards ist häufig Mangelware. Unabhängige Marktforschungsunternehmen können bei diesen Herausforderungen wertvolle Unterstützung leisten: Mit Hilfe von Referenzdatenquellen können sie die Datenqualität entscheidend erhöhen und damit einen verlässlichen Ausweg aus der "Garbage in"-Falle bieten.
In der Marktforschung genutzte Datenquellen wie zum Beispiel Verbraucherpanels entstehen auf Basis validierter Messverfahren und unterliegen je nach Anbieter Neutralitätskriterien sowie umfassenden Qualitätskontrollen. Die Panelteilnehmer sind bekannt, ihre demografischen Daten geprüft, ihre Einwilligung zur Nutzung der Daten liegt vor. Das Vorgehen ist dabei denkbar einfach: Es werden Daten, die Werbungtreibende bzw. Anbieter gesammelt haben, durch valide Informationen aus den Verbraucherpanels (z. B. Soziodemografie, Medienverhalten, Kaufsegmente), die direkt beim Nutzer gesammelt wurden, ergänzt. Dies passiert beispielsweise durch Cookie Matching. Hochwertige Modellierungen stellen sicher, dass eine Übertragung auf den gesamten Datenbestand möglich ist. Zudem können von Werbungtreibenden oder Anbietern vorgenommene Modellierungen auf ähnliche Weise überprüft werden. Mit diesen Verfahren kann die Qualität der im programmatischen Umfeld genutzten Daten deutlich erhöht werden.
Wie kann der Erfolg von Programmatic Advertising kontrolliert werden?
Ohne Erfolgsmessung von Kampagnen kann der ROI von Werbung nicht maximiert werden – dies gilt unabhängig davon, ob programmatisch eingekauft wird oder nicht. Bei Programmatic Advertising ist dies jedoch noch einmal wichtiger. Zwei Aspekte spielen hier eine Rolle:
- Besonders im verbreiteten "Open Auction"-Verfahren ist nicht immer klar, wo die Werbung genau ausgespielt wird. Der Erfolg von Werbung hängt aber entscheidend vom Werbeumfeld ab (Stichwort "Brand Safety").
- Im Umfeld von Programmatic Advertising kann es in Bezug auf das Werbeformat nur eingeschränkte Flexibilität geben, da oft der kleinste gemeinsame Nenner gefunden werden muss, um die automatisierte Ausspielung gewährleisten zu können. Kompromisse beim Werbeformat können den Werbeerfolg beeinträchtigen.
Es empfiehlt sich daher für Werbungtreibende, besonders bei programmatisch eingekauften und ausgesteuerten Kampagnen den Erfolg ihrer Werbung objektiv messen zu lassen. So kann überprüft werden, ob das schwer zu kontrollierende Werbeumfeld und Kompromisse beim Werbeformat den Erfolg der Kampagne negativ beeinflussen – und damit den ROI der Werbung reduzieren.
Marktforscher können dabei helfen, den ROI von Werbung zu messen. Zwei Aspekte sind hierbei entscheidend: Zum einem sollte der Kontakt zur (programmatisch ausgespielten) Kampagne möglichst passiv gemessen werden, um eine hohe Messgenauigkeit zu ermöglichen. Zum anderen sollten die programmatischen Elemente als integrativer Teil einer crossmedialen Gesamt-Kampagne betrachtet werden. Crossmediale Single-Source-Verbraucherpanels sind daher für die Erfolgsmessung von besonderem Wert. Denn sie messen in der Regel für jeden einzelnen Kanal, welche Werbekontakte die gleichen Konsumenten hatten.
In Summe ermöglicht diese Art von Erfolgsmessung beispielsweise einem großen E-Commerce-Portal, genau zu erkennen, welcher Kanal einer Kampagne mehr Besucher auf eine Website lockt, wer am ehesten kauft (Conversion) und welche der programmatisch eingespielten Online-Werbeelemente am stärksten wirken. Sowohl bei der Datengrundlage als auch bei der Erfolgsmessung von Programmatic Advertising kann die Verwendung von Marktforschungsdaten wie Verbraucherpanels also ein entscheidender Erfolgsfaktor sein.
Allerdings ist dies nur dann eine erfolgversprechende Strategie, wenn diese qualitativ auch hochwertig sind. Entscheidend ist beispielsweise die repräsentative Abdeckung aller Zielgruppen (z. B. auch junger Konsumenten), die Größe des Panels, Kennziffern zur Panelpflege und Panelmortalität oder auch in welchem Umfang passiv gesammelte Informationen erfasst werden.
Zusammenfassend wird deutlich: Programmatic Advertising bietet für Werbungtreibende enorme Vorteile. Gleichzeitig müssen Werbungtreibende darauf achten, dass nur valide Daten zum programmatischen Einkauf und zur Aussteuerung genutzt werden. Zudem muss die Erfolgskontrolle ein wesentlicher Bestandteil sein. Mit anderen Worten: Werbungtreibende können hiermit das Prinzip "Garbage in – Garbage out" in "Quality Data in – High ROI out” umwandeln. Und damit den Erfolg und ROI von Programmatic Advertising maximieren.
*Über den Autor:
Tilman Rotberg ist Head of Media & Entertainment Germany beim Marktforscher GfK. Er ist seit 2003 für die Nürnberger tätig.
Alle Artikel der Serie stammen aus dem "Programmatic Advertising Kompass" des BVDW. Ihn gibt es auch als kostenlosen Download. Lesen Sie auch "Jegliches Marketing wird programmatisch" und "Google und Facebook als Programmatic-Supermächte".
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