
Kontroverse:
Pro und Contra: Ist die Ferrero-Werbung wirklich rassistisch?
Ferrero muss seine Werbung ändern: Den Spot für die weißen Ferrero Küsschen "Yes weiss can" hielten Kritiker für rassistisch. Übertreiben wir es mit der Political Correctness? Die Meinungen der W&V-Online-Redakteure Anja Janotta und Markus Weber zu dem Thema gehen weit auseinander. Zwei Standpunkte.
Den Spot für das weiße Ferrero Küsschen "Yes weiss can" hielten Kritiker für rassistisch. Ferrero hat daraufhin angekündigt, die umstrittene Kampagne zu überarbeiten. Übertreiben wir es mit der Political Correctness? Die Meinungen der beiden W&V-Online-Redakteure Anja Janotta und Markus Weber zu dem Thema gehen weit auseinander. Zwei Standpunkte.
Anja Janotta: "Etwas mehr Souveränität stünde uns gut zu Gesicht"
Ganz ehrlich? Mir hätte dieser Fauxpas auch passieren können. Ich hätte den Spot durchgewunken - ohne Wenn und Aber. Und wäre ebenso gnadenlos von der Kritik durch den Kakao gezogen worden.
Als ich das erste Mal den Ferrero-Spot gesehen habe, habe ich gelacht. Kein Gedanke an rassistische Anspielungen. Eine jubelnde Masse, die ihren Favoriten durchgesetzt hat, eine Schokoladenpackung auf der Rednertribüne. Ist nicht die alleroriginellste Idee. Aber in Wahlkampfzeiten trotzdem eine nette, beinahe schon kreative Variation, ein ironisches Weiterspinnen des ewig gleichen Spektrums von (Rot-)Rot-Grün gegen Gelb-Schwarz. Und mal ehrlich - welche Farbe ist denn in unserer politischen Palette überhaupt noch unbesetzt? Doch eigentlich nur Weiß. Und ja, weil unser Wahlkampf-Brimborium im Vergleich zu dem amerikanischen einfach nicht so telegen ist, haben sich die Kampagnenmacher ein paar amerikanische Zitate erlaubt - von plakativen Slogans bis hin zu Konfettiregen für den Sieger.
Erst mit der aufkommenden Diskussion habe ich die Kampagne auf rassistische Untertöne hin untersucht: Ja, klar: "Yes, weiss can" könnte man als Seitenhieb auf den farbigen US-Präsidenten Obama sehen, eine Anspielung auf seine Abwahl aufgrund der Hautfarbe. Man könnte, aber muss man? Nein! Es ist immer noch nur eine Schokoladenwerbung, es geht immer noch um eine Produkteinführung auf dem deutschen Markt. Und Obama wird sich gerade mit Ferrero-Küsschen-geben beschäftigen anstatt mit dem drängenderen politischen Weltgeschehen. Also: Ein bisschen mehr staatsmännische Souveränität stünde uns in dieser Diskussion wirklich besser zu Gesicht.
Liebe Kreativen, versteht mich nicht falsch, das ist kein Freibrief, um jegliche Political Correctness über Bord zu schmeißen, aber so weit herholen müssen wir die Grenzen nun auch wieder nicht.
Und noch was: Ich esse Schokolade, auch wenn sie braun ist. Oder sollte ich mir als moralisch korrekter Demokrat jetzt darüber auch Gedanken machen?
Markus Weber: "Die Reaktionen waren absolut vorhersehbar"
Wir diskutieren hier nicht über irgendwelche bösen Marktforscher, die mit ihren Tests aus genialen Ideen einen gähnend langweiligen, werblichen Einheitsbrei entstehen lassen. Hier geht es nicht um Marktforschung - hier geht es um Fingerspitzengefühl und gesunden Menschenverstand. Um ein Mindestmaß an Fingerspitzengefühl! Für jedes Kundenbriefing gibt es mindestens 100 potenzielle Ideen: Niemand zwingt einen dazu, sich am Ende ausgerechnet für die eine zu entscheiden, mit der man sich - absolut vorhersehbar - voll in die Nesseln setzt.
Ich sehe die Markenhersteller nicht in der Rolle eines seltsamen Witzbolds, der seinen schlechten Humor am Millionenpublikum austestet. Natürlich geht es hier nur um Schokoladenwerbung. Aber eine offenkundige Obama-Verarsche - verbunden mit dem Slogan "Deutschland wählt weiss" - kann doch nur nach hinten losgehen. Das Wichtigste für jeden Kommunikationsprofi ist es, sich in andere Köpfe hineinversetzen zu können. Diese Fähigkeit scheint immer häufiger verloren zu gehen. Einem nicht unerheblichen Teil der Zielgruppe vergeht in Fällen wie der Mollath-Anzeige von Sixt oder Ferreros "Yes, weiss can" schlicht und einfach der Appetit.
Natürlich geht es hier am Ende nur um Schokolade. Dennoch transportiert der Spot, in dem es - so die Idee - vordergründig ja um einen politischen Wahlkampf geht, dem Zuschauer so in etwa die Botschaft: Lieber weiß als ein schwarzer Präsident - deshalb: Ferrero.
Hey, was soll das?
Man soll Political Correctness nicht überbewerten. Und Tabubrüche sind in der Werbung durchaus erlaubt. Aber solch seltsame - wenn auch unbeabsichtigte - rassistischen Anspielungen, werden immer Protest auslösen. Zumal in einer globalisierten Welt. Und das zurecht. Deshalb: Immer über den eigenen Tellerrand hinausdenken.