Medientage München:
Printmarken erwarten "Wettbewerb der Exzellenz im Digitalen"
FAZ.net-Macher Mathias Müller von Blumencron empfindet es als "Glück" für Printhäuser, dass sich User oft nicht mehr mit kurzen Stücken im Netz zufrieden geben. Die W&V-Redakteurinnen Manuela Pauker und Petra Schwegler verfolgten die Diskussion beim Publishing-Gipfel der Medientage München.
Die Printbranche erwartet in den kommenden Jahren eine Professionalisierung der Online-Medien. "Es wird sich ein Wettbewerb der Exzellenz im Digitalen entwickeln", hat Mathias Müller von Blumencron am Donnerstag auf dem Publishing-Gipfel der Medientage München prognostiziert. Der frühere "Spiegel"-Chefredakteur und jetzige Chefredakteur Digitale Medien bei der Marke "FAZ" in Frankfurt nannte es ein "Glück" gerade für Printhäuser, dass sich die User im Netz oft nicht mehr mit unterhaltsamen und kurzen Stücken zufrieden geben würden.
Leser würden zunehmend auch digital die Qualität des bekannten Gedruckten suchen – eine Chance für Verleger, mit "besten Analysen, besten Recherchen", wie es Müller von Blumencron formulierte, doch noch Geld zu verdienen. "Die Leser müssen stärker an der Finanzierung beteiligt werden als bisher. Sie zahlen aber nur für das, was sie schätzen", so der FAZ.net-Mann. Redaktionen seien dazu aufgefordert, zu experimentieren und zu lernen. Müller von Blumencron stieß damit ins selbe Horn wie einen Tag zuvor "WiWo"-Chefredakteurin Miriam Meckel; sie hatte mit Blick auf digitale Erfolgsmodelle in den USA die deutschen Medienmacher zu einem Umdenken aufgefordert.
Dass versierter Online-Journalismus Print durchaus beflügeln kann – davon wusste Alexandra Föderl-Schmid zu berichten. Der "Standard" habe nach der Fusion der bis dato getrennten Redaktionen Print und Online im Jahr 2013 an Abos zugelegt, betonte die Chefredakteurin der Wiener Tageszeitung, die bereits seit geraumer Zeit in der Experimentierphase ist: "Die Dinge sind im Fluss, daher testen wir viele neue Formate. Live-Ticker, bei denen die Leser mitposten, funktionieren beispielsweise sehr gut."
Ein Impulsreferat des finnischen Sanoma-Managers Petteri Putkiranta zeigte eine weitere Entwicklung auf, die "zweite digitale Revolution für Publisher innerhalb weniger Jahre": "Die digitalen Gewohnheiten werden mobil", betonte der Senior Vice President der Zeitung "Helsingin Sanomat" auf den Medientagen München. In Zahlen ausgedrückt: Zwischen 2011 und 2014 haben sich die Abrufzahlen von Inhalten der finnischen Printmarke via Tablet und Smartphone um knapp 1600 Prozent erhöht. Förderl-Schmid fügte hinzu: "Wir erleben gerade die zweite Revolution von Mobile. Da kommt noch vieles, was noch gar nicht absehbar ist!"
Trotz aller Veränderungen im Journalismus, die die Digitalisierung der Welt mit sich bringt, bleiben nach Ansicht von Burda-Verlagsvorstand Philipp Welte die Verlage die letzte Bastion hochwertiger Inhalte. Journalisten würden nach wie vor "einen fundamentalen Beitrag zur Meinungsvielfalt in unserer Demokratie, zur Freiheit der Information und zur Stabilität unserer Republik", wie Welte bereits am Mittwoch auf einem Print-Panel betonte. Der Kern des Verlagsmodells habe sich nicht geändert. "Wir produzieren Inhalte und schaffen durch sie emotionale Bindungen zu Menschen, die wir auf unterschiedlichste Art und Weise monetarisieren." Was sich aber geändert habe, sei das Handwerk: "Wir müssen in unserer Industrie eine neue Dimension von Komplexität managen."
Zumal in bloßen Reichweiten mit Onlinewerbung viele Verleger auch keine Rettung sehen, rückt der Leser nun also wieder in den Mittelpunkt. Die Referenten beim Publishing-Gipfel waren sich insgesamt einig, dass die User künftig stärker an der Finanzierung beteiligt werden müssen. "Die Menschen sind durchaus bereit, Geld für Journalismus zu bezahlen, auch die jungen Menschen", sagte der Geschäftsführer der Nordwest Medien, Ulrich Gathmann. Auch er forderte Qualität ein: "Die Produkte müssen junge Menschen so begeistern, dass sie dafür zahlen!" Andere Vorschläge lauteten, dass die Zeitungen vor allem mit ihrem Pfund des Regionalen wuchern und dort für versierte digitale Inhalte Geld verlangen sollten.
Gegen staatliche Hilfen für Tageszeitungen hat sich auf den Medientagen München übrigens der Erste Vorsitzende des Verbandes Bayerischer Zeitungsverleger, Andreas Scherer, ausgesprochen. "Wir kommen alleine klar", sagte Scherer bei den Medientagen München. "Ein freier Journalismus gedeiht dann am besten, wenn die politischen Einflusskräfte möglichst weit entfernt sind von der Redaktion." Um auch in Zukunft Qualitätsjournalismus finanzieren zu können, seien allerdings positive Rahmenbedingungen für fairen Wettbewerb erforderlich. Dies betreffe etwa das Urheberrecht, das Leistungsschutzrecht und den Steuersatz für digitale Angebote.
ps/mp