
Shanghai Corona Days:
Post-Corona: Hurray – wir sind wieder verreist!
Stefan Justl von Storymaker China hat 45 Tage Corona-Schockstarre in Shanghai hinter sich. In Teil 12 seiner Kolumne erzählt er vom Strandlauf ohne Maske und Temperaturmessen am Frühstücksbüffet.

Foto: Stefan Justl
Heute werde ich meine Fotos von unserem Osterurlaub bearbeiten. Osterurlaub 2020, also vor kurzem. Mit meiner Frau bin ich am 10. April für vier Tage an den Strand von Hainan im Süden Chinas gereist.
Wir hatten Strandbilder von Freunden auf WeChat Moments gesehen. Man darf wieder reisen, ohne anschließend 14 Tage in Shanghai in Quarantäne zu müssen? Das war eine echte Neuigkeit, von der sogar viele Chinesen nichts wussten. Online haben wir einen Flug mit Hainan Airlines und das Hotel, „The Sanya Edition“ in Sanya auf der Insel Hainan gebucht. Das Hotel hieß uns wirklich herzlich willkommen.
Hainan ist eine beliebte Ferieninsel, quasi das Hawaii Chinas und lebt vom Tourismus. Shanghai hat zwei Flughäfen und kann so eine kluge Trennung vornehmen: Shanghai Pudong Airport ist der internationale Flughafen, mit wenigen Inlandsflügen, der bis heute noch vergleichsweise leer ist. Über Shanghai Hongqiao Airport werden ausschließlich nationale Flüge abgewickelt. Damit versucht die Regierung, das Virus bestmöglich zu kontrollieren. Innerhalb von China gilt das Virus so gut wie besiegt, das Hauptproblem sieht die Regierung an den Außengrenzen, also in den Rückkehrern. Sie landen in Pudong, nicht in Hongqiao. Entsprechend waren die Sicherheitsvorkehrungen für uns relativ normal.
Maskenfrei die Meeresluft einsaugen!
Nachdem wir unseren grünen QR-Code der Gesundheits-App mehrfach – beim Eingang zum Flughafen, beim Check-In und Boarding – vorgezeigt hatten, durften wir einsteigen. Nur wenige Mitreisende hatten sich mit Einweg-Regenmänteln aus Plastik bedeckt; die meisten waren in Urlaubskleidung. Neu war lediglich, dass wir uns vor Abflug über einen QR-Code in eine App eintragen mussten: mit Namen, Flugnummer, Reiseziel, Adresse.
Diese Daten mussten wir bei der Landung in Hainan vorzeigen. Bei uns hat die App nicht funktioniert – Schrecksekunde! Die Kontrolleure gaben uns ein gedrucktes Formular in die Hand, das wir händisch ausfüllten. Fertig! Nach einer Stunde atmeten wir Meeresluft: Wir waren draußen! Jeden Tag mussten wir uns über die App zurückmelden. Doch wir hatten Urlaub. Das Boarding nach Shanghai wenige Tage später dauerte nur noch fünfzehn Minuten.
Wir sind dieses Jahr schon einmal verreist. Am 8. Februar kamen wir aus dem Neujahrsurlaub in Thailand zurück. Seither waren nur gut zwei Monate vergangen. Insofern war es nicht so sehr das Urlaubsgefühl, das uns überwältigt hat. Vielmehr war es das Gefühl, wieder frei reisen zu dürfen. Freiheit! Ohne Maske am einsamen Strand joggen, Meeresluft atmen. Im Hotel bestand weiterhin Maskenpflicht. Jeden Morgen, bevor wir ans Frühstücksbuffet durften, wurde auch die Temperatur gemessen. Es war erträglich.
Der Traum vom Reisen und die Quarantäne
Das Reiseangebot in China ist immer noch deutlich reduziert. Doch meines Wissens sind alle Reiseziele in Festland-China erreichbar. Als wir über die Ostertage geflogen sind, waren nur wenige Flugzeuge am Start. Chinesen haben keine Osterferien, es war also keine typische Reisezeit. Normalerweise reiht man sich mit dem Flugzeug in eine lange Schlange zur Startbahn ein, wie an einer Perlenschnur aufgereiht, geht ein Flieger nach dem anderen im Minutentakt hoch. Wir hatten lediglich zwei weiter Flugzeuge starten sehen.
Auch die Hotels sind wenig ausgelastet. Hainan lebt ausschließlich vom Tourismus. Als wir dort waren, war das Hotel maximal zu einem Drittel belegt. Auch ein paar der zahlreichen Pools waren geschlossen. Inzwischen soll der Flugverkehr wieder über 40 Prozent des alten Niveaus erreicht haben. Über die fünftägige Ferienzeit soll es 90 Millionen Reisen in China geben, im Vergleich zu 195 Millionen im letzten Jahr. Chinesische Familien schauen sich vermehrt wieder nach Reisezielen um, wenngleich das Ausland aktuell noch unerreichbar scheint.
Grundsätzlich sind Reisen ins Ausland möglich. Doch Europa und besonders die USA nehmen Chinesen als wenig sicher wahr. Eine viel größere Hürde ist jedoch, dass jeder Passagier, der wieder nach China einreist, für 14 Tage in Quarantäne muss. Für Ausländer gilt noch immer das Einreiseverbot. Würde ich jetzt nach Deutschland fliegen, wüsste ich nicht, wann ich in Shanghai wieder ins Büro könnte.
Noch ist das Virus freier als wir Menschen und reist, wohin es will. Doch die Türen zur Freiheit sind wieder einen Spalt offen. Und so werben auch Reiseanbieter und Reiseorte um Touristen. Welche Medien im Kommunikationsmix besonders gefragt sind, Online, TV, Print – darüber berichte ich in der nächsten Kolumne. Bleibt gesund.
Stefan Justl verantwortet als General Manager das Geschäft von Storymaker in China. Die Kommunikationsagentur sitzt in Tübingen, München, Berlin, Beijing und Shanghai. Direkt vom Shanghai-Homeoffice aus berichtet er nun zweimal pro Woche auf wuv.de über die Auswirkungen von Corona in China, den Umgang mit der Krise und wie es dort jetzt weitergeht. Den Pilot der Serie "Arbeiten in Shanghai: 45 Tage Corona-Schockstarre" lesen Sie hier. Hier geht's zu den Beiträgen über Einkaufen, die Gesundheits-App , Schutzmasken, Homeschooling, hilfreiche Apps, saubere Luft, Teleshopping, deutsche Unternehmen in China, Humor, Büroalltag und Marketing.