Ressortleiter vs Büchner:
Palastrevolte beim Spiegel?
Die Redaktion könnte sich beim "Spiegel" hinter die Ressortleiter stellen, die Chefredakteur Wolfgang Büchner entmachten will. Spielt die Mitarbeiter-KG nun bei den Umbauplänen mit?
Die Lage beim "Spiegel" spitzt sich zu. Dem Chefredakteur Wolfgang Büchner steht ein echter Machtkampf ins Haus, nachdem am Mittwochmorgen durchgesickert war, dass er in Print wie Online alle Ressortleiterstellen neu ausschreiben lassen will. Die "Berliner Zeitung" hatte von Büchners Aussagen gegenüber der mächtigen Mitarbeiter KG berichtet, wonach die künftigen Inhaber der Ressortleiter-Posten sowohl Magazin- als auch Online-Inhalte zu verantworten hätten. Die Vorgänge kommentiert der Spiegel Verlag auf Anfrage von W&V Online nicht.
Am Mittwochnachmittag deutet nun einiges auf eine Palastrevolte hin: Es zeichne sich ab, dass sich die Redakteure hinter die Ressortleiter stellen, heißt es aus dem Umfeld des "Spiegel". Es wird damit gerechnet, dass die Redaktion eine Resolution aufsetzt. Ihrem Chefredakteur Büchner dürfte dann in den nächsten Stunden offiziell das Misstrauen ausgesprochen werden. Auch von Arbeitsniederlegung und Demo ist die Rede. Auf jeden Fall wolle Wolfgang Büchner am Mittwochabend den Ressortleitern sein Konzept vorstellen, ist aus Hamburg zu hören.
"Spiegel"-Geschäftsführer Ove Saffe und Wolfgang Büchner, zuletzt vor einigen Wochen hart von den Ressortleitern kritisiert, stehen mit ihren Entscheidungen den fünf geschäftsführenden Vertretern der Mitarbeiter KG gegenüber, die 50,5 Prozent der Anteile am Verlag hält. In der Ressortleiter-Frage soll die Mitarbeiter-KG noch beraten, heißt es. Fällt ihre Abstimmung nun doch gegen Büchner und seinen Kurs aus, dann könnten Saffe und er seinen Hut nehmen. Ob eine Gesellschafterversammlung am Freitag eine Entscheidung fällen wird? Unklar.
Hinter den geplanten Umstrukturierungen steckt der große Umbau hin zum "Spiegel 3.0". Ein Teil davon ist das "Projekt Eisberg", das Saffe im April ausführlich in der Printausgabe der W&V skizziert hat. Dabei wird der digitale Spiegel, der inzwischen deutlich mehr als 50.000 zahlende Kunden erreicht, in Teilen völlig neu konzipiert und auf der Website Spiegel Online präsenter als bisher platziert. "Alle Geschichten und Meldungen des Spiegel werden künftig auf Spiegel Online zu finden sein, und zwar dort, wo sie thematisch hinpassen. Sie führen direkt zum Heft und zeigen den Lesern so, dass man beim Spiegel ein noch attraktiveres Angebot bekommen kann - wofür man allerdings bezahlen muss. Die Gesamtheit aller Spiegel-Geschichten bildet so also den neuen Paid-Content-Bereich bei Spiegel Online", erklärte Saffe. Dafür muss Büchner nun auch den personellen Rahmen schaffen. Bleibt abzuwarten, ob Ressortleiter und Redaktion den von ihm avisierten Weg einschlagen werden.
ps/mp