Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach:
PR im Kreativrausch: Schluss mit Klickibunt!
Dass man laut und aufmerksamkeitsstark sein muss, um mit den eigenen Botschaften durchzudringen, ist ein moderner Irrglaube. Das gilt vor allem für die PR. Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach über die Grenzen kreativer PR.
Dass man laut und aufmerksamkeitsstark sein muss, um mit den eigenen Botschaften durchzudringen, ist ein moderner Irrglaube. Das gilt für alle Kommunikationsdisziplinen – aber am stärksten für die PR. Denn "laut und auffällig" mag Reichweite bringen. Aber was nutzt Reichweite allein?
Der Unterschied zwischen selbstreferenziellem Art-Directors-Weihrauch und effizienter Kommunikation liegt ja vor allem in der Relevanz. Und zwar der Relevanz für die und mit denen ich für meine Kunden ein Gespräch suche (oder denen ich etwas verkaufen will). Es klingt trivial, aber der wichtige Teil von Public Relations – der Disziplin, für die ich am meisten brenne – ist das "Relations". Und nicht eigentlich das "Public".
Manchmal habe ich den Eindruck, dass in der PR gerade die Fehler wiederholt werden, die am Anfang der Welle des "Viral Marketing" gemacht wurden. Irgendwie absurd, finde ich. Sollten wir es nicht besser wissen? Damals gab es viele wunderhübsche, beeindruckende, handwerklich exzellente Clips und Games, die wie verrückt "liefen". An die sich auch viele Menschen erinnern konnten. Die aber nichts für die Marke oder das Unternehmen taten. Oder erinnert sich noch jemand außerhalb unserer Kommunikationsblase daran, für wen Moorhuhn werben sollte? Oder hat das auch damals irgendwer außerhalb dieses Blase gewusst? Eben.
Als ich neulich mit jemandem über Insights redete, vor allem darüber, dass menschliche Insights so wichtig sind, um zu einer strategisch relevanten Plattform für PR-Kommunikation zu kommen, war die Reaktion: "Insights, ist das nicht ein bisschen konservativ?"
Das hat mich tatsächlich etwas bestürzt, um es mal freundlich auszudrücken.
Marc Pritchard, Global Brand Building Officer von Procter & Gamble, hat eine wunderbare Definition von "human insight", die ich teile und die Grundlage meiner Arbeit ist: Ein Insight, sagt er, sei eine grundlegende emotionale Wahrheit, die so unmittelbar einleuchtend ist in Bezug auf die menschliche Natur, dass es uns so vorkommt, als hätten wir sie schon immer gekannt und als sei sie uns schon immer bewusst gewesen.
Da drunter will ich es nicht machen.
Seriöse PR kann das gut und ist genau dafür ausgebildet: den Perspektivwechsel vom Absendeblick auf den Zielgruppenblick hinzubekommen. Vielleicht wird das, was dabei herauskommt, dann nicht so spektakulär sein und keine Kreativpreise gewinnen. Aber es wird wirksam sein. Und relevant. Und mir ermöglichen, nachhaltige Beziehungen zu bilden. Public Relations.
Call me konservativ, my ass. Macht dann nix.
* Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach ist seit April Managing Director Cohn & Wolfe Germany in Hamburg und im Social Web als @luebue bekannt. Die PR-Agentur gehört zum WPP-Netzwerk.