Wenigstens für einen guten Spruch auf dem Grabstein muss ja wohl noch Zeit sein. Und dann: Flashback! Der gute Bob-Hoffmann-Post wird hervorgekramt, in dem aus allen Rohren auf Display Advertising geschossen wird. Der Post hat vor zwei Jahren schon die Runde gemacht und war auch damals nur ein Teil der ganzen Wahrheit. Genauso wie es die anderen Studien sind, die Koch in seiner Grabesrede anführt.

Was aber ist nun von seinen Worten zu halten?

Ist die Online-Marketing-Branche frei von Betrug, schwarzen Schafen und Ungenauigkeiten bei Messungen und Abrechnungen? Nein, natürlich nicht. Das galt und gilt für die Media-Branche aber schon immer. Auflagenbetrug, Kickback-Vereinbarungen bei Media-Agenturen und ungenaue Reichweitenmessungen kennt die Branche auch in der nicht-digitalen Welt seit Jahrzehnten.

Jetzt darf aber die Schwäche der anderen Gattungen natürlich nicht eine Rechtfertigung der Online-Marketing-Branche für ihre eigenen Probleme sein. Vielmehr muss die gesamte Branche - vom Advertiser über die Agenturen, Adtech-Anbieter und Publisher - den richtigen Umgang damit finden.

Die gute Nachricht ist: Einen guten Teil des Weges ist man hierzu auch schon gegangen. Bot-Traffic lässt sich immer besser erkennen und filtern. Immer mehr Publisher tun das. Ob freiwillig oder aufgrund von Zwang durch Kunden und Agenturen sei dahingestellt. Immer mehr Agenturen und Advertiser verstehen auch, dass RTB-Kampagnen (Real-Time-Bidding) eben nicht blind eingebucht, sondern die entsprechenden Umfelder sauber ausgewählt und kontrolliert werden müssen. Zumindest dann, wenn man Premium-Preise zahlt und diese Premium-Leistung auch erwarten darf. Wenn man Low- und Lowest-TKP im Cent-Bereich bezahlt, bekommt man eben auch Low-Quality.

Zum Schluss kommt das immer wieder hervorgekramte Argument der sinkenden Klickraten als ein Indikator für die Ineffizienzen von digitalem Marketing. Und wie so oft werden hier die Zusammenhänge nur unzureichend hinterfragt.

Liegt die sinkende Click-Through-Rate tatsächlich daran, dass Anzeigen ausgeliefert, aber gar nicht mehr gesehen werden? Oder liegt es einfach an einer Inflation des Werbeinventars, das deutlich stärker wächst als das Zeit- und Aufmerksamkeitsbudget der Zielgruppe in diesen Kanälen? Und liegt es nicht vor allem an der hinter dem Werbemittel liegenden Strategie?

Glücklicherweise dürfen wir ja jeden Tag tolle Kampagnen sehen und erarbeiten, die mit signifikant höheren Performance-Werten beeindrucken. Warum? Weil sie sich durch exzellente Kreation, Relevanz und die mittels Technologie ideale Einbindung in die Customer Journey auszeichnen. Kurzum: Sie erreichen ihre Zielgruppe mit genau der richtigen Botschaft in genau dem richtigen Moment am richtigen Ort.

Und nicht zuletzt verlassen sich zum Glück immer weniger Kunden rein auf Klickraten, sondern bewerten ihre Kampagnen mit weit darüber hinausgehenden Technologien , Attributionsmodellen und Kennzahlen.

Und weil genau das alles passiert, beruhigt sich mein von der Rennradtour immer noch leicht erhöhter und durch den Koch'schen Schreck in ungesunde Höhen aufgeschreckter Puls wieder.

Zurück zur Tortilla - noch einen Cortado, bitte. Und dazu das beruhigende Gefühl: Digitales Marketing ist also doch nicht am Ende. Vorbei sein sollten nur möglichst bald die Zeiten schlecht durchdachter, nicht mit ausreichendem Risikomanagement versehenen und unzureichend kontrollierter Digitalkampagnen.

Ob der Surfshop nebenan wohl eine Online-Marketing-Strategie hat?


Autor: W&V Gastautor:in

W&V ist die Plattform der Kommunikationsbranche. Zusätzlich zu unseren eigenen journalistischen Inhalten erscheinen ausgewählte Texte kluger Branchenköpfe. Eine:n davon habt ihr gerade gelesen.