Online-Reputation: Dichtung und Wahrheit
Trotz aller Euphorie bei Web2.0-Experten: Derzeit spielen Social Media und Online-Reputation bei der Besetzung freier Stellen faktisch nur eine bescheidene Rolle. W&V Online hat sich bei Personalern und Trendforschern umgehört. Fünf Thesen zum Thema.
Trotz aller Euphorie bei Web2.0-Experten: Derzeit spielen Social Media und Online-Reputation bei der Besetzung freier Stellen faktisch nur eine bescheidene Rolle. W&V Online hat sich bei Personalern und Trendforschern umgehört. Fünf Thesen zum Thema.
1. Hype oder Alltag: Suche in sozialen Netzwerken
Die meisten Personaler suchen derzeit – wenn überhaupt schon – fast ausschließlich auf Xing oder Linked In nach neuen Mitarbeitern und das bisher vor allem im Medienbereich. Zu aufwendig sei die Recherche, weiß Birgit Pabst, Human Resources Director bei VivaKi Deutschland (Zenith Optimedia, Zed Digital) aus Erfahrung. In Twitter und Blogs sehen viele Personaler derzeit sogar bestenfalls ein Experimentierfeld mit noch ungewisser Zukunft. Software, die es Personaler erlaubt, ihre Recruiting-Aktivitäten in sozialen Netzwerken zentral zu steuern, könnten den Trend aber zukünftig verstärken.
2. Mythos oder Realität: Online-Check von Bewerbern
Selbst viele Unternehmen der Medien- und Internet-Branche überprüfen Bewerber derzeit nicht oder nur oberflächlich im Internet. Social Media wird dabei bisher selten einbezogen. Nur für Tätigkeiten in Redaktionen und Pressestellen sowie für Führungspositionen ist dies zumindest teilweise schon der Fall. Dabei interessiert Personaler besonders, in welchen Fachgruppen der Kandidat aktiv und wie gut er beruflich vernetzt ist. Viele Personaler zweifeln auch an der Aussagekraft solcher Online-Überprüfungen. Nach ihrer Ansicht werden auch diese in Zukunft nur eine geringe Relevanz bei der Beurteilung von Bewerbern haben.
3. Persönliche Bewerbungsgespräche sind unersetzlich
Auch wenn viele Personalfachleute dem Recruiting in sozialen Netzwerken zukünftig eine große strategische Bedeutung zumessen, können sich nur die wenigsten vorstellen, deshalb auf persönliche Gespräche mit den Kandidaten zu verzichten, und messen diesem auch langfristig entscheidende Bedeutung bei. Nur so sei die realistische Einschätzung eines Kandidaten und dessen Eignung für den Job zu ermitteln. Die Besetzung von Stellen über Social Media werde in Zukunft zwar voraussichtlich zunehmen, den klassischen Bewerbungsweg jedoch nur ergänzen, nicht aber
ersetzen.
4. Gegenwart und Zukunft: die Personal Brand
Einige Personalexperten messen einer positiven Online-Reputation aktuell sogar eine höhere Relevanz als in Zukunft zu, denn derzeit kämpften viele Bewerber um rare freie Stellen. Die vergleichsweise wenigen Kandidaten, die in sozialen Netzwerken schon fachlich aktiv seien, könnten sich dadurch gerade jetzt wirkungsvoll von Mitbewerbern abheben, sofern die relevanten Personaler dort selbst schon aktiv seien. Bei den Social-Media-Beiträgen von Kandidaten ist den Personalern vor allem die fachliche Relevanz und Informationstiefe wichtig, nicht aber die Quantität. Die derzeit und auch in näherer Zukunft größte Relevanz der Online-Reputation oder Personal Brand sehen die meisten Experten für Bewerber in mittleren Beschäftigungsniveaus
im Marketing-, Medien-, Kommunikations- und ITK-Bereich. Bewerber, die noch keine aktiven Spuren im Internet hinterließen, hätten dadurch bisher aber noch keine Nachteile zu befürchten. Für die genannten Bereiche könnte
sich das in den nächsten drei bis fünf Jahren jedoch deutlich ändern.
5. Bewerbungsprozesse erfordern Selbstmarketing
Voraussichtlich müssen Berufstätige in Zukunft deutlich häufiger Job, Arbeitgeber und sogar Beruf wechseln. Dadurch werden sie in einem fast lebenslangen, permanenten Bewerbungsprozess sein. Um immer wieder erfolgreich eine Beschäftigung zu finden, müssen sie dann kontinuierliches berufliches Selbstmarketing betreiben. Einerseits um ihre fachlichen Qualitäten für möglichst viele Personalentscheider wirksam herauszustellen, andererseits um frühzeitig ein geeignetes berufliches Netzwerk aufzubauen und zu pflegen. Beides könnte ihnen bei der häufigen Jobsuche helfen. Social Media bietet für beide Aspekte grundsätzlich großes Potenzial.