Kolumne:
Ohne Medienvielfalt funktioniert es nicht
Nico Lumma und Christoph Hüning vom Next Media Accelerator beschäftigen sich mit Themen, über die man im Laufe der Woche sprechen sollte. Diesmal: Medien, Startups und die Bedeutung für die Demokratie.
Diese Kolumne erscheint montags und das bedeutet, dass sie häufig am Wochenende geschrieben wird. Bei der Ideenfindung kamen wir an einem Thema nicht vorbei, das dieses Wochenende definiert hat: Die Rolle von freien Medien in demokratischen Gesellschaften. Das klingt nicht unbedingt nach einem Startup-Thema, aber uns ist es trotzdem wichtig. Der next media accelerator wurde gegründet, weil wir Medienvielfalt und ein funktionierendes Medien-Ökosystem für unabdingbar halten in einer Demokratie.
An diesem Samstag fanden in Berlin und Belarus zeitgleich politische Aktionen statt, bei denen die Rolle der Medien relevant war. Als in Berlin sogenannte “Querdenker” gegen die Corona-Maßnahmen demonstrierten, wurden zahlreiche Medienvertreter*innen bei der Arbeit behindert, beleidigt und bedroht. Öffentlich-rechtliche Moderatorinnen wurden gemeinsam mit Politiker*innen auf Plakaten im Gefängnis gezeigt. YouTube und Telegram sind die bevorzugten Kommunikations- und Informationswege der Demo-Teilnehmer*innen, während etablierte Medienmarken unverhohlen als “Staatsfunk” oder ähnliches angegangen werden. So ist es einfach, eigene Wahrheiten zu erschaffen und zu verbreiten. Es ist sicher durchaus angemessen, den Großteil der Organisator*innen und Teilnehmer*innen als antidemokratisch zu charakterisieren - auch wenn die meisten das weit von sich weisen würden. Der Zusammenhang ist aber offensichtlich, denn eine funktionierende Demokratie weist auch immer ein pluralistisches Mediensystem auf.
In Belarus, wo seit Wochen ein friedlicher Protest gegen die Regierung stattfindet, werden währenddessen westliche Journalist*innen und Reporter*innen des Landes verwiesen. Und wir alle wissen, spätestens seit den Entwicklungen in Hongkong, dass dies kein gutes Zeichen für den weiteren politischen Prozess ist. Eine Zerschlagung der Proteste mit Gewalt scheint bevorzustehen. Und gerade dann sind unabhängige Medien, insbesondere ausländische, wichtig, um die Weltöffentlichkeit zu informieren. Wir können nur vermuten, wie froh die Protestierenden in Minsk über die Freiheiten und Möglichkeiten wären, die die sog. “Querdenker” in Berlin selbstverständlich in Anspruch nehmen, um gleichzeitig gegen eine hypothetische “Diktatur” zu protestieren. Ein Paradoxon, das wir nicht wirklich erklären können.
Beim next media accelerator ist es unser Auftrag, Innovation für die Medienbranche zu finden und Startups mit etablierten Medienhäusern und Agenturen zu vernetzen. Wir sehen uns nicht in der Rolle, die Zukunft des Journalismus zu definieren, das können Redaktionen besser. So bringt unsere Arbeit auch gerne mal eher “bunte” Themen oder AdTech-Lösungen hervor. Aber alles dies hat den Anspruch, Medienhäusern dabei zu helfen, eine wirtschaftliche Zukunft zu definieren, um ihre Rolle in unserer demokratischen Gesellschaft beibehalten zu können.
Und natürlich können auch Startups dabei helfen, Situationen wie die am Wochenende noch besser zu nutzen: So bietet Indieframe aus Kopenhagen eine Plattform, auf die User*innen Fotos und Videos hochladen, die Redaktionen dann für ihre Berichte einkaufen können - technologisches Factchecking inklusive. Klipworks, ebenfalls aus Kopenhagen, ermöglicht es Redakteur*innen, Video-Statements von Menschen zu sammeln und in ihren Workflow zu integrieren, ohne selber vor Ort zu ein. Der Request erfolgt per Link, Aufnahme und Upload erfolgen webbasiert, keine separate App muss installiert werden.
Und in unserem gerade gestarteten Batch 11 findet sich mit ForTeeNews ein Startup aus London, dessen gerade 18-jähriger Gründer es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Generation der 13-18-jährigen mit tagesaktuellen Nachrichten zu versorgen. Und zwar dort, wo sich diese Zielgruppe befindet, in diesem Fall Instagram.
Wir wissen nicht sicher, ob so die Zukunft von Nachrichten aussehen wird, freuen uns aber, daran mitzuwirken! Denn eines ist auch sicher: Democracy dies in darkness.