Markenstrategie:
Obstmarke Pink Lady: Die Barbie unter den Äpfeln
Ein australisches Unternehmen investiert weltweit in gebrandete Äpfel. Das Konzept: eine rosa Markenwelt, perfekt aussehende Äpfel, die sich gleichen wie eine Barbie der anderen, ein Club ausgewählter Lizenznehmer und ein Marketingbudget von jährlich zehn Millionen Euro allein in Europa.
Wer glaubt, Mattels Barbie hätte die rosa Markenwelt für sich gepachtet, irrt. Die australische Firma Apple and Pear Australia Ltd (Apal) baute in den vergangenen Jahren ihre Apfelneuzüchtung Cripps Pink im europäischen Markt als "Pink Lady" zur Barbie unter den Äpfeln auf. Das Konzept: eine rosa Markenwelt, perfekt aussehende Äpfel, die sich gleichen wie eine Barbie der anderen, ein Club ausgewählter Lizenznehmer und ein Marketingbudget von jährlich zehn Millionen Euro allein in Europa.
Unter dem Slogan "Viel mehr als nur ein Apfel" bewerben die Australier jährlich rund um den Valentinstag, im Juni und im November die "glamouröse Ausstrahlung" und den "verführerischen Charme der Apfeldame". Die in Rosa getauchte Webseite umgarnt "Pinkids" mit Spielen und lockt junge Frauen mit der Produktwelt "La vie en rose". Der getunte Apfel wirkt in der bodenständigen Welt von Boskop, Gala oder Elstar wie eine Großstadtzicke unter Landfrauen. Gilt doch vielen Obstbauern schon das Marketing von Anbauregionen mit Labeln wie "Bodenseeobst" oder "Südtiroler Äpfel" als neumodischer Schnickschnack.
Doch Pink Lady macht Furore: Wie Apal-Manager Jon Dunham auf dem Asiafruit Congress verriet, erzielte der gebrandete Apfel schon 2011 im Handel weltweit über eine Milliarde Euro Umsatz. Und Dunham kündigte vor drei Jahren eine aggressive Expansionsstrategie in Asien an. Den Barbie-Apfel kennen in manchen Ländern bereits über 80 Prozent der Zielgruppe Frauen zwischen 20 und 44 Jahren. In Deutschland kommt Pink Lady zwar nur auf eine Markenbekanntheit von 57 Prozent (2007: 20 Prozent), belegt damit aber nach eigenen Angaben Platz zwei hinter Golden Delicious.
Der in Aussehen, Konsistenz und Geschmack optimierte Apfel hat sich laut GfK in Deutschland einen Marktanteil von sieben Prozent erobert. "Das ist viel für einen Markenapfel", sagt Michael Weber, Geschäftsführer der Firma Varicom. Weber steuert den Markenaufbau von Obstneuzüchtungen, darunter auch solche der eidgenössischen Forschungsanstalt Wädenswil.
Doch warum muss ein Apfel zur Marke werden? "Mit einer Markenstrategie lässt sich eine Apfel-Innovation deutlich schneller im Markt einführen", sagt Marketingberater Weber. Der gelernte Gartenbauer glaubt, dass in den kommenden Jahren einige der derzeit beliebten Apfelsorten ihren Zenit überschritten haben werden. Dann könnten gut positionierte Apfelmarken im zersplitterten Apfelmarkt schnell Boden gut machen.
Über 20 Apfelmarken, sogenannte "Clubsorten", sind im Fahrwasser von Pink Lady in den vergangenen Jahren entstanden. Sie haben einen Marktanteil von um die zehn Prozent erobert, neben beliebten Sorten wie Elstar, Braeburn, Jonagold oder Royal Gala.
Keine Apfelsorte in Deutschland kann mehr als ein Fünftel der Apfelesser an sich binden – Elstar ist mit 19 Prozent Marktanteil derzeit am beliebtesten. GfK-Zahlen zeigen, dass auch die beliebtesten Apfelsorten aus der Mode kommen, wenn neue wohlschmeckende und gutaussehende Konkurrenten im Obstregal auftauchen: War vor 35 Jahren noch jeder zweite verzehrte Apfel ein Golden Delicious, schrumpfte der einstige Star in Deutschland hinter Pink Lady auf gerade noch sechs Prozent Anteil im Handel.
"Die Marktanteile der Apfelmarken steigen", bestätigt Hans-Christoph Behr, Geschäftsführer der Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI). Dabei essen die Deutschen seit Jahren immer weniger Äpfel – im vergangenen Jahr 17,8 Kilogramm pro Haushalt. Die Apfelbranche ist sich jedoch uneins, wohin die Reise geht. Die einen meinen, der Kuchen im Apfelmarkt sei verteilt und der Wettbewerb finde nur unter den neuen Apfelmarken statt. Apfelmarketer Weber glaubt an die Kraft von Innovationen und professionellem Marketing: "Ich bin überzeugt, dass man sogar verloren gegangene Apfelesser mit einer Markenstrategie wieder zurückholen kann." Die Apfel-Clubber hoffen zudem, mit Qualitätsmarken höhere Preise durchzusetzen und so dem Preisdruck im Markt zu begegnen.
Positionierung als Pausen-Snack
Die holländische Marketingexpertin Marleen Stegeman hat für eine Schweizer Neuzüchtung aus den Sorten Ideared, Maigold und Elstar die Marketingstrategie aufgebaut. Unter dem Markennamen Junami vermarktet die holländische Inova Fruit Company den Apfel als erfrischende Zwischenmahlzeit für Partys, auf Reisen, beim Sport oder beim Arbeiten. Junami hat eine Markenpersönlichkeit – als "sportlicher, junger, frischer Freund, der vor Gesundheit strotzt".
Stegeman will damit in Europa junge, gesundheitsbewusste Konsumenten zwischen 18 und 35 Jahren ansprechen: "Nur über eine Marke und ihre Geschichte, die sie über Geschmack, Qualität oder Rezepte zu erzählen hat, kann ich mit den Konsumenten ins Gespräch kommen."
In Holland verfolgt Inova für den Junami-Apfel zudem eine ungewöhnliche Vertriebsstrategie: Der Snack-Apfel liegt als Alternative zu Schokoriegeln im Kassenbereich von Tankstellen.
Willkommen im Club
Sie heißen Kanzi, Pinova (Evelina), Kiku (Claim: "Fresh Apple Emotion"), Mairac, Juliet, Opal, Diwa (Claim: "Nie ohne meine Diwa") oder Sweetango. Etwa 20 Apfelmarken gibt es derzeit in Europa. Wer sie anbauen will, muss dem Sortenclub beitrete und Lizenzgebühren zahlen. First Mover Pink Lady ist mit sieben Prozent Marktanteil im Gesamtmarkt der erfolgreichste unter den Markenäpfeln. Nur wer beim Züchter eine Lizenz erwirbt, darf einen Markenapfel anbauen und gehört zum Sortenclub. Die Äpfel müssen einem gleich bleibenden Qualitätsstandard genügen. Die Clubs steuern zudem die angebaute Menge. So beugen sie einem Preisverfall durch unkontrollierten Anbau vor.
Die Apfelmarke Opal soll die schwächelnde Sorte Golden Delicious in Europa angreifen. Die Kreuzung aus Topaz und Golden Delicious ist süß, golden und knackig und derzeit in Deutschland und Österreich auf dem Markt. Michael Weber von Varicom hat die Opal-Positionierung mit der Schweizer Agentur Werbestadt entwickelt. Derzeit wird Opal in Großbritannien eingeführt, zunächst über die Supermarktketten Tesco, Waitrose und Marks & Spencers – mit Promotion-Aktionen, Verkostungen, eigener Webseite und Youtube-Filmen. "Mit Opal wollen wir in Europa eine neue, schmackhaftere Goldkategorie einführen", sagt Weber. Der Experte schätzt, dass sich nur fünf bis acht Markenäpfel am Ende durchsetzen.