Kampagnen-Aufreger:
Netz-Empörung um Marken: Die 10 größten Shitstorms des Jahres
Kampagnen-Aufreger: Photoshop-Pannen, Sexismus in Smoothie-Form und Nazi-Eklats - das Jahr 2015 bot eine ganze Reihe von Aufregern im Netz. Hier die Top Ten.
Die einen sehen ihn als Ausdruck gerechtfertigter Empörung, für die anderen ist er nur ein weiterer Beweis für die Existenz des Cyber-Mobs. Die Rede ist vom viel zitierten Shitstorm. Doch egal, wie der Einzelne auch zum Entrüstungssturm im Netz stehen mag, aus Sicht des betroffenen Unternehmens lässt er sich nicht ignorieren: Aus Angst um das eigene Image stampfen viele Marken ihre Werbekampagnen ein und geloben reuevoll Besserung. Kritiker werfen dem betreffenden Unternehmen dann gerne Rückgratlosigkeit vor.
Ob berechtigt oder überzogen, jeder Shitstorm hat Auswirkungen auf die Corporate Identity. Von daher erscheint es durchaus sinnvoll, die zehn größten Aufreger des Jahres noch einmal Revue passieren zu lassen.
1. Smart und die "Helikopter-Eltern"
Smart ist eines der jüngsten Mitglieder im Kreis der Shitstorm-Opfer. Bei der Daimler-Tochter werden die Verantwortlichen jedoch nicht mit so viel Empörung gerechnet haben. In einem Radiospot für den aktuellen Viersitzer Forfour plaudern Mutter und Vater gegenüber den Kindern eine unangenehme Wahrheit aus: Den Weihnachtsmann gibt es eigentlich gar nicht. Viele Eltern nehmen daran Anstoß - den Kleinen solle nicht der Glaube an den Weihnachtsmann genommen werden, so die Kritiker. Smart lenkt ein und stoppt seinen Spot. Ob Smart den kindlichen Glauben an Weihnachten wirklich zerstört, sei dahingestellt. Eltern dürften bereits die vielen Weihnachtsmänner in Kaufhäusern und auf Christkindlmärkten in Erklärungsnot bringen.
2. Coca-Cola und die "Nazi-Fanta"
Shitstorm statt Nostalgie. - Zum 75. Geburtstag beschert Coca-Cola seiner Marke Fanta einen Jubiläums-Spot, der manchen übel aufstößt. Der Vorwurf der Kritiker: Das Video verschweige die "braune Vergangenheit" der gelben Brause, die Geburtsstunde der Fanta falle schließlich in das Jahr 1940. Den Spot will Coca-Cola so nicht verstanden haben. Die Kritik könne man jedoch nachvollziehen, teilt das Unternehmen auf Anfrage von W&V mit. Das Ergebnis: Ein neuer und unverfänglicherer Spot mit "Flohmarkt-Atmosphäre".
3. Das Netz und der "Neger"
Seit 80 Jahren besteht das Logo der Mainzer Dachdeckerfirma Neger aus der überzeichneten Darstellung eines Afrikaners: wulstige Lippen, Ohrringe und in der Hand ein Hammer - für antirassistische Aktivisten ein Überbleibsel der Kolonialzeit, das weg muss. Die Unterstützer des Firmenchefs Thomas Neger meinen dagegen: Falsch verstandene Political Correctness. Ihren Konflikt tragen die gegnerischen Parteien öffentlich auf Facebook aus, die Fronten bleiben verhärtet.
white Bescheid!
Posted by true fruits Smoothies on Wednesday, March 25, 2015
4. True Fruits und die "hässliche Freundin"
Das Smoothie-Startup True Fruits setzt gerne mal auf Humor. Mit seiner limitierten "Black Edition" trifft das Unternehmen jedoch bei einigen einen wunden Punkt. Der Auslöser ist die auf dem Etikett gedruckte Frage "Hast du schon mal einer hässlichen Freundin, die aber total lieb ist, ein Date besorgt?". Mitglieder des verganen Netzwerks indyvegan.org werfen True Fruits Sexismus und Lookismus vor. Der Smoothie-Hersteller gibt jedoch nicht klein bei und reagiert mit Spott. Seine Haltung dürfte sich für das Startup ausgezahlt haben, die frechen Texte kommen bei den Fans immer noch gut an.
5. Clickbaiting: Krebs-Raten mit "TV Movie"
Im Oktober erfährt die Öffentlichkeit von der Krebserkrankung des Moderators Roger Willemsen. Diesen traurigen Anlass nutzt "TV Movie" auf Facebook für einen grenzwertigen Post. "Einer dieser Moderatoren muss sich wegen Krebserkrankung zurückziehen. Wir wünschen, dass es ihm bald wieder gut geht", teasert die Bauer-Programmzeitschrift unter einem Bild von Willemsen, Stefan Raab, Günther Jauch und Joko Winterscheidt. Der digitale Entrüstungssturm bleibt natürlich nicht aus, und "TV Movie" bittet im Social Web um Entschuldigung.
6. Cindy Crawford und der "Wabbelbauch-Leak"
Auch an Supermodels nagt der Zahn der Zeit, in der auf Jugendlichkeit getrimmten Fashion-Branche haben größere oder kleinere Makel jedoch kleinen Platz. Bestes Beispiel ist ein Shooting, das Cindy Crawford schon 2013 für das Fashion-Magazin "Marie Claire" absolviert hat. Aus dieser Fotostrecke gelangte im Februar dieses Jahres ein unretuschiertes Bild ins Netz: Es zeigt den Bauch der damals 48-Jährigen in seiner Natürlichkeit - und zwar mit Bauchspeck, Altersflecken und Narben. Was folgt, sind ein veritabler Shitstorm und jede Menge Sympathie für Crawford. (Das Bild zum "Wabbelbauch-Leak" kann man hier betrachten.)
7. Photoshop-Panne bei Victoria's Secret
Photoshop, die Zweite: Auch Victoria's Secret schwingt schon gerne mal den Retuschepinsel. Bei der linken Pobacke des Models übertreibt es die britische Lingerie-Marke im September jedoch ein wenig. Auf Facebook gibt es dafür natürlich Häme. Da Victoria's Secret seinen Post nicht vom Netz genommen hat, liegt der Verdacht nahe, dass die Marke die Aufregung vielleicht bewusst einkalkuliert hat. Sei es, wie es ist: In Sachen Shitstorm hat Victoria's Secret bereits Erfahrung.
8. Joko und Klaas und der Granini-Spot
Dreistes Plagiat oder gelungene Parodie? - Ein TV-Spot der Agentur Thjnk für Eckes-Graninis "Die Limo" spaltet im Juni die Gemüter: Das Moderatoren-Duo Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf nimmt einen bekannten Mentos-Werbeclip mit den BVB-Kickern Kevin Großkreutz, Marco Reus und Mats Hummels aufs Korn. Für manche W&V-Leser ist die Parodie ein echter Reinfall. "Peinlich für Granini und noch peinlicher für Thjnk", lautet einer der Kommentare unter unserer Meldung, und sogar Thjnk-Chef Michael Trautmann mischt sich in die Diskussion ein. Die Aufregung um den Spot ist zudem Anlass für eine satirische Entschuldigungs-Pressekonferenz mit Joko und Klaas. Scheinbar zerknirscht kündigt das Duo neue Limo-Spots an. Sie sollen, so Heufer-Umlauf, "familienorientiert" und "harmonisch" rüberkommen. Dass den Moderatoren die Provokation nicht fremd ist, beweisen sie auch in ihrer Show "Duell um die Welt": Jokos Drogenrausch in Ecuador beschäftigt aktuell die Medienaufsicht.
9. Müllermilch und der "Schoko-Gate"
Der Shitstorm um die Müllermilch-Kampagne ist wahrscheinlich noch jedem in Erinnerung geblieben: Die neuen PET Flaschen mit leicht bekleideten Damen, allen voran das Motiv für die Sorte "Schokolade, sorgt für Aufregung. Auf Facebook und Twitter beschweren sich Nutzer unter dem Hashtag #ichkaufdasnicht. Das Unternehmen selbst kann die Kritik nicht nachvollziehen.
10. Hetero-Brause
Keine Limo für Schwule: Der Getränkeherstellers TMW Kern GbR bietet der Boots Westernbar sein neues Produkt, die Waldmeister-Limonade "Phantasia", an. Als die Bestellung einläuft, hat es sich das Füssener Unternehmen jedoch schon anders überlegt. Man habe nicht gewusst, dass es sich bei dem potenziellen Kunden um eine Schwulenbar handle, so die Begründung von TMW Kern GbR. Von der Lieferung sehe man deshalb ab. Die Empörung ist erwartungsgemäß groß.
Sie vermissen den ein oder anderen Shitstorm in den Top Ten? 2015 sorgte auch der Kabarettist Dieter Nuhr für einen Eklat im Social Web, Hervé Léger empörte mit Lesben- und Dicken-Verbot, während Spreadshirt sich über einen Candystorm freuen konnte.
Wer von der Aufregungskultur im Netz nicht genug kriegt, dem sei abschließend die Doku "Shitstorm" empfohlen. Sie ist über die Feiertage in der Mediathek des ZDF zu sehen.