Nach dem Neustart :
Münchner "Abendzeitung" fährt in die Gewinnzone
Eineinhalb Jahre nach der Übernahme melden die neuen Besitzer Erfolge: Man können nun wieder aktueller sein, habe die Zahl der Mitarbeiter aufgestockt und an Auflage zugelegt.
Knapp eineinhalb Jahre nach der Übernahme der "Abendzeitung" (AZ) durch die Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung und den Münchner Unternehmer Dietrich von Boetticher befindet sich das Münchner Boulevardblatt auf Kurs. Im dritten Quartal 2015 lag die verkaufte Auflage der "AZ" laut IVW bei rund 51.300 Exemplaren (Mo.-Sa.) und damit über der Gewinnschwelle. Rund 43 Prozent der verkauften Auflage entfielen dabei auf Abonnenten. Beim Neustart Mitte 2014 hatte die verkaufte Auflage bei gut 40.000 Exemplaren gelegen (genauer: bei 48.445/Q3/2014).
Verleger Martin Balle, Mitherausgeber der "AZ": "Die Entwicklung der 'AZ' hat meine Erwartungen deutlich übertroffen. Nach dem nicht einfachen Start aus der Insolvenz des früheren AZ-Verlags heraus hat die Zeitung deutlich an Profil gewonnen und ist heute eine publizistische Bereicherung für unsere Verlagsgruppe. Die zufriedenstellende Auflagenwicklung in dem nach wie vor hart umkämpften Münchner Zeitungsmarkt zeigt, dass Tageszeitungen - allen Skeptikern zum Trotz - sehr wohl profitabel geführt werden können, wenn ein überzeugendes journalistisches Konzept mit einer schlanken Kostenstruktur verbunden wird."
Sogar die Personaldecke, zur Übernahme massiv ausgedünnt, ist wieder verstärkt worden: Derzeit arbeiten rund 70 Mitarbeiter für die "AZ". Das seien mehr als doppelt so viele, wie beim Neustart zunächst maximal vorgesehen waren. Im Juni 2014 hatten die meisten der damals rund 100 Beschäftigten des AZ-Verlags in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft wechseln müssen. Die Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung hatte zur Übernahme angekündigt, maximal 25 Mitarbeitern ein Angebot zu unterbreiten.
Michael Schilling, "AZ"-Chefredakteur: "Ich bin dankbar, dass unsere Eigentümer die personellen und finanziellen Ressourcen zur Verfügung stellen, damit wir unser redaktionelles Angebot ausweiten und kontinuierlich verbessern können. Diesen Weg wollen wir weitergehen, denn die Ideenliste der Redaktion ist noch lang."
Redaktionell hat sich seit der Übernahme einiges geändert. Die Entscheidung, im ersten Teil der Zeitung mit der ausführlichen München-Berichterstattung anstatt der Weltpolitik zu beginnen, sei von den Lesern positiv aufgenommen worden, heißt es in der Pressemeldung von MHBK Rechtsanwälte Müller-Heydenreich Bierbach & Kollegen. Axel Bierbach hatte 2014 die Insolvenz der Abendzeitung verwaltet.
Neben der lokalen Berichterstattung hat die "AZ" den Politikteil ausgeweitet. Die Freitagsausgabe wurde um eine Kinderzeitung und die Samstags-"AZ" um ein Wochenendmagazin aufgewertet. Ab Mitte Dezember werde der "AZ" auch wieder ein eigenes wöchentliches Fernsehjournal beiliegen. Eigene Aktionen der Marke "AZ", zum Beispiel der Modelwettbewerbs "Die schöne Münchnerin" oder der Kunst- und Kulturpreis "AZ Sterne", seien "erfolgreich weitergeführt" worden. Der Verlag betont außerdem, dass alle redaktionellen Texte des Blattes "exklusiv für die 'AZ' produziert" würden, die Feuilletonredaktion sogar "andere Zeitungen der Verlagsgruppe mit Berichten über die Münchner Kulturszene" beliefere.
Mit dem Online-Auftritt zeigt sich der Verlag ebenfalls zufrieden. Das Internetangebot liege mit rund 2,4 Mio. Unique Usern (Juli 2015, Quelle: Agof Digital Facts) auf Platz zehn unter den reichweitenstärksten Tageszeitungen in Deutschland, bei den Regionalzeitungen sogar auf Platz fünf. Das "AZ"-Angebot (Internet und Mobile) kommt demnach derzeit monatlich auf rund 30 Mio. Seitenaufrufe und sechs Mio. Visits. Im kommenden Jahr wird der Verlag gezielt in den Ausbau des Internetangebots investieren.
Kritisiert worden war unmittelbar nach der Übernahme, dass durch den Druck in Straubing die "AZ" so früh in Druck gehe, dass die Aktualität massiv leide. Damit ist nun offenbar Schluss: Verleger Balle druckt die Abendzeitung künftig in seinem neuen Druckzentrum in Landshut. Dort könne die gesamte Auflage um 23 Uhr, aus aktuellem Anlass sogar später, gedruckt werden. "Somit kommen alle Leserinnen und Leser in den Genuss aktuellster Informationen, nicht zuletzt aus dem Sport. Bisher konnte aus technischen Gründen nur ein Teil der Auflage am späten Abend aktualisiert werden." Der Druck war vor der Übernahme schon das größte Problem der "AZ": Der Vertrag mit der Süddeutsche Societäts-Druckerei GmbH (FAZ-Gruppe) hatte deutlich über Marktpreis gekostet und letztlich zur Insolvenz der "AZ" geführt. Der Druckerei in Maisach war mit der "AZ" rund die Hälfte des Auftragsvolumens weggebrochen.
Die Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung gehört zu den größten Verlagshäusern Süddeutschlands und hat ihren Stammsitz in Straubing. Der Verlag gibt 16 Regionalzeitungen und sieben Anzeigenblätter heraus.