League of Legends und Counterstrike:
Mousesports-Gründer Tüylü verkauft sein E-Sportteam
CEO Cengiz Tüylü erklärt, warum er geht, der neue Milliardenmarkt E-Sports gerade abhebt und welche Rolle Jung von Matt/Sports für die Mouse-Sportler spielt.
Mousesports ist im E-Sport das, wofür der FC Bayern steht. Rekordmeister, das erfolgreichste E-Sportteam in Deutschland und global sicherlich in der Top 20 der größten Clubs. Jetzt trennt sich Mitgründer und CEO Cengiz Tüylü von seinem Unternehmen.
W&V hat mit dem E-Sports-Pionier zu seinen Beweggründen gesprochen und wollte auch wissen, ob es verrückt ist, dass Schalke 04 satte acht Millionen Euro für eine Franchise-Lizenz an Riot Games zahlt.
Damit spielt der Verein 2019 in der League of Legends European Championship (LEC, früher: EU LCS): Zehn Teams, keine Auf- oder Absteiger. Also acht Millionen, damit fünf Gamer aus fünf Nationen am PC ein Spiel spielen.
Cengiz Tüylü, E-Sport existiert seit 2000, aber erst seit etwa zwei Jahren professionalisiert sich der E-Sport. Warum passiert das so spät?
Die Hauptgründe sind die demografische und die technische Entwicklung: Von unten wachsen neue Generationen nach – als Fans, aber auch als Spieler. Gleichzeitig kommen immer bessere Spiele auf den Markt. Das vergrößert die Basis. Die großen Hallen werden ja schon seit langem gefüllt.
Aber jetzt kommen die Investments hinzu – allen voran in Nordamerika. Dort kaufen sich Profiteam-Besitzer, etwa die der Golden State Warriors und der Washigton Capital, in E-Sport-Teams ein. Hinzu kommen Stars wie Ex-Basketball-Superstar Michael Jordan oder der Rapper Drake. Das schlägt Wellen und zieht weitere nach sich.
Trotzdem haben Sie ihren Mehrheitsanteil am Team Mousesports verkauft. Weshalb?
Ich bin nun seit 2002 dabei – eine lange Zeit. Jetzt möchte ich etwas komplett Neues im E-Sports machen. Neue Dinge, die das gesamte Ökosystem weiterbringen und auch über ein singuläres Team hinausgehen. So kann ich mein Wissen und Netzwerk mit noch mehr Stakeholdern teilen.
Also war der Zeitpunkt gut Mousesports komplett in die Hände von Stefan Wendt zu geben. Er ist bereits Ende 2016 in mein Team eingestiegen. Und Stefan ist auch seither als Chief Gaming Officer involviert. (mehr siehe unten)
Zwei Turniersiege bedeuten eine Viertel Million Dollar
Trotzdem verlassen Sie das Team in einem Moment, in dem E-Sport abhebt.
Es ist genau der richtige Moment. Der Markt steht an der Schwelle zur endgültigen Professionalisierung und das Team steht auf stabilen Füßen. Dazu gehören langfristige Sponsorships mit Vodafone und Snipes. Auf der anderen Seite haben wir rund 30 Gamer unter Vertrag, die zum Teil in Berlin und im neuen Headquarter in Hamburg optimale Trainingsbedingungen haben und von etwa acht festen Mitarbeitern betreut werden. Das hat sich in diesem Jahr auch in Erfolgen ausgezahlt.
Dazu gehören die bei den Counterstrike-Turnieren ESL One in New York (Anmerkung, Preisgeld für die Gewinner: 125.000 Dollar) und Starladder in Kiew (Sieger: 130.000 Dollar). Aktuell stellen wir zudem mit Benjamin "Problem X" Simon auch den Streetfighter-Weltmeister (Turniersieg: 35.000 Dollar). Unter dem Strich übergebe ich Mousesports als eines der Top-20-Teams der Welt.
Die Umsätze im Markt sollen laut Deloitte 2020 bereits global auf 1,3 Milliarden Euro steigen. Allein in Deutschland gelten etwa 10 Millionen Personen als E-Sport-Fans. Übersehen das die großen Marken?
Aufgebaut haben den Markt endemische Marken wie Intel, die Brand sponsert seit vielen Jahren Turniere und E-Sportler. Inzwischen zieht die Begeisterung neue, weite Kreise mit einer geradezu magnetischen Anziehungskraft.
Vor zwei Jahren kam mit Vodafone das erste Telco-Unternehmen, das uns als Counterstrike-Team gesponsert hat. Offenbar entstand so ein Sog. Denn ein Jahr später folgte die Telekom mit einem Engagement. Mittlerweile haben viele Marken E-Sports auf dem Radar – aber es braucht Zeit um dieses Ökosystem auch wirklich zu verstehen.
Mousesports lässt sich seit zwei Jahren von Jung von Matt/Sports vermarkten - eigentlich eine Sportmarketingagentur unter dem Dach einer Kreativagentur. Das erscheint nicht ganz logisch.
Es war ein Bauchgefühl. Wir hatten auch mit vielen klassischen Sportvermarktern gesprochen. Aber in Bezug auf JVM/Sports haben mir vor allem die narrativen und kreativen Ansätze gefallen.
Traditionelle Bandenwerbung, Hospitality-Pakete oder schlichte Trikot-Placements passen einfach nicht zu E-Sport. Bei uns basiert Sponsoring auf vielen kleinen Geschichten und Insights. Wer in E-Sport investiert, investiert also in eine Community und nicht in Media. Das war von Beginn an der Ansatz von JvM/Sports. Daher war mein Gefühl rückblickend absolut richtig.
Fußball-Games spielen in der dritten Liga
In Deutschland ist es schwer, die drei Top-Turniertitel an Werbekunden zu verkaufen, sprich League of Legends (LOL), Dota 2 und Counterstrike. Viel dreht sich in der Wahrnehmung um das Fußballspiel FIFA, auf das auch Bundesligaclubs wie der VfL Wolfsburg setzen.
Aber Sportspiele finden aktuell sinngemäß in der dritten Liga statt, wenn es um Preisgelder und um Zuschauer geht. Warum auch sollte jemand einem Gamer beim Fußball zusehen, wenn er ein echtes Spiel sehen kann? Wirtschaftlich sind solche Spiele wie der EA-Titel FIFA zwar immens erfolgreich. Nur ist er nicht sonderlich spannend, wenn ein Spieler elf Figuren kontrolliert und immer ähnliche Spielzüge zum Erfolg führen. Wirklich spektakulär ist dagegen etwas, wie der Counterstrike-Event in der Lanxess Arena vor ausverkauftem Haus. Und das spiegelt sich auch in den Zuschauerzahlen im Web wieder.
Der ganze FIFA-Turniercircuit benötigt also eine Reform und innovativere Turnierstrukturen und Formate, um in die erste Liga der Esports-Titel zu stoßen. Möglich wäre das. Auf der anderen Seite sehen wir was viele anderen Titel betrifft - und dazu gehören auch LOL und Counterstrike - definitiv eine Öffnung im Sponsoren-Markt.
Sie sprechen beispielsweise Schalke 04 an. Der Club zahlt 8 Millionen Euro an Riot Games, um sich eine LOL-Franchiselizenz für Europa zu sichern. Ist das verrückt?
Nein, sicher nicht. Wir hatten uns im Vorfeld zwar gegen eine League-of-Legends-Lizenz entschieden. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Entwicklung in eine richtige Richtung führt. In Korea und in den USA ist LoL zweifellos ein sehr großes Geschäft. Aber wir wollten uns zunächst ansehen, wie sich dieses Modell in Europa entwickelt.
Das hängt auch mit den Einnahmen zusammen, die auf die Franchise-Nehmer aus dem Vermarktungspool der Liga verteilt werden. Und hier ist selbst in den USA, wo die Liga seit einem Jahr am Start ist, auf Vermarktungsseite noch nicht so viel passiert, wie manche sich das im Vorfeld gewünscht hätten.
Der Teaser für die neue League of Legends European Championship
Kann das bedeuten, dass die acht Millionen für den Platz in der Liga vielleicht ein Schnäppchen sind?
Schauen Sie in die USA. Dort ist im Moment viel Geld in Bewegung. Wie gesagt, dort kaufen sich jetzt Sportler, Stars aus der Musik und Teambesitzer ein. Das führt zwangsläufig zu einem Hype. Forbes hat unlängst E-Sport-Teams bewertet. An der Spitze rangiert Cloud9 mit einem Wert von 310 Millionen Dollar! Dahinter stehen aber nur 22 Millionen Umsatz.
Die Bewertung kommt aber nicht von ungefähr. Cloud9 hat bereits zwei oder drei Investitionsrunden hinter sich, weil sich E-Sport im Aufbau befindet. Allein der Platz in der amerikanischen League of Legends Championships Series (LCS) kostete etwa 10 Millionen Dollar, die Overwatch-Franchise-Lizenz kolportierte 20 Millionen Dollar.
Kurz gefragt, woher kommt das Geld in den Teams?
Wir alle setzen auf eine bunte Mischung. Dazu gehören natürlich Sponsoring-Einnahmen, Advertising, Verkauf von Medienrechten, Antrittsprämien aber auch Merchandising und Werbeerlöse, etwa über Influencer-Marketing und aus Streamings über Plattformen wie Twitch.
Hinzu kommen Erlöse aus Turnieren, Ligen und zum Teil auch aus Spieler-Transfers. Wobei Preisgelder – und hier gibt es diverse Modelle - in der Regel an die Gamer gehen.
Monatsverdienst: eine Million Dollar
Im Markt gibt es unabhängige Turnier- und Ligabetreiber wie die E-Sports-Firma ESL (Turtle Entertainment aus Köln) bei denen quasi jeder mitmachen kann. Auf der anderen Seite versuchen einige Spiele-Publisher Ligen nach dem Franchise-Prinzip aufzubauen, in dem Einnahmen geteilt werden. Was ist das Modell der Zukunft?
Ich bin selbst gespannt. Manche Publisher bilden die komplette Wertschöpfungskette ab, manche präferieren ein offenes System. Die Franchise-Mechanik halte ich durchaus für etwas Gutes. Im Sinne der Vermarktung bringt so ein System sicherlich Vorteile.
In den USA sind einzelne Ligen schon seit ein zwei Jahren so organisiert, dennoch sehe ich für Ligen wie etwa der LCS noch Vermarktungspotenzial nach oben. Auch lassen sich Events und der Ligabetrieb einheitlicher und transparenter gestalten, als bei offenen Ökosystemen, die Publisher wie Valve für ihre Titel Dota2 und Counterstrike präferieren. Hier agieren viele Drittveranstalter parallel im Markt. Der Vorteil für die Counterstrike- und Dota-Spieler: Sie können alle zwei Wochen irgendwo an Turnieren teilnehmen.
Am Ende haben beide Modelle ihre Berechtigung – es bleibt spannend.
Letztlich hängt es auch vom Spiel ab. Was ist ein gutes Game?
Je einfacher, desto besser. Deshalb sind vermeintlich alte Spiele weiter erfolgreich. Nehmen sie die drei Top-E-Sport-Titel: League of Legends, Dota 2 und Counterstike – alles vergleichsweise alte Titel, auch wenn sie es nie geschafft haben, eine Brücke zum Mainstream zu schlagen. Das gelingt jetzt offenbar Games wie Fortnite. (Anm.: Der größte Streamer auf Twitch ist Fortnite-Spieler Ninja, der vermutlich in der Gegend von einer Million Dollar im Monat verdient.)
Daneben spielen Dutzende Fußballer das Spiel wie etwa Mesut Özil. Und manche wie der französische Weltmeister Antoine Griezmann oder Serge Gnabry zeigen in den Stadien als Torjubel Fortnite-Posen. Sie sehen, E-Sport wird Mainstream. Eine spannende Entwicklung.
Cengiz Tüylü hat Mousesports 2002 mitgegründet und gesteuert. Über die Jahre hinweg sind für das Team rund 250 Gamer auf professioneller Basis auf Turnieren für mehr als 20 Spieletitel angetreten. Ende des Jahres ist für den CEO Schluss. Seine Anteile hat er jetzt für eine siebenstellige Summe komplett an die Familie Wendt verkauft, die maßgeblich an einem der großen Baukonzerne in Deutschland beteiligt ist. Die neuen Eigner stiegen bereits 2016 in das E-Sport-Unternehmen ein.
Stefan Wendt, der den CEO-Posten bei Mousesports übernimmt, kam 2016 als Chief Gaming Officer in die Geschäftsführung. Formal ist er auch Geschäftsführer der Motorsport Arena Oschersleben, die nach einer Insolvenz von den Wendts zusammen mit Partnern gerettet und übernommen wurde. Stefan Wendt war lange Jahre im Porsche Carrera Cup als Rennfahrer unterwegs.