Smartphone :
Mobile: Die Digitale Revolution frisst ihre Kinder
Juhu, die Smartphone-Nutzung steigt: Unreflektiert bejubeln weite Teile der Branche die rasante Zunahme mobiler Online-Nutzung. "Zum Teufel mit Mobile" meint dagegen "Mr. Media" Thomas Koch. Denn wer den Boom zu Ende denkt, erkennt plötzlich eine ganz neue Bedeutung für das Wort "Killer Application". Gegen das, was Medien und Marketern durch Mobile blüht, ist die gute alte Printkrise Kindergeburtstag.
Mobile ist in aller Munde. Schon seit Jahren verkünden die Experten, dass Mobile der neue Hype wird. Doch jetzt geht tatsächlich die Post ab. Laut der jüngsten ARD-/ZDF-Onlinestudie 2013 steigt die mobile Internetnutzung rasant an und treibt die tägliche Nutzungsdauer auf den neuen Rekordwert von 169 Minuten. Es sind die Smartphones und Tablets, deren "Unterwegs-Nutzung" sich innerhalb eines einzigen Jahres auf 41 Prozent fast verdoppelte.
Ganz weit oben auf der Liste der mobilen Nutzung steht, kaum verwunderlich, die Kommunikation: E-Mail und Facebook, gefolgt von Suche, Navigation, Wetter und - darüber dürften sich vor allem die Medien freuen - "aktuelle Nachrichten/News/Onlinezeitungen". Tatsächlich kommt bereits jeder dritte bis vierte Zugriff auf die Websites der Medien über mobile Devices. Doch die Freude wird nicht lange währen. Denn eine Zunahme des Traffics macht nur dann Sinn, wenn er sich monetarisieren lässt. Genau das ist jedoch das Hauptproblem der Printmedien, seitdem sie das Internet betraten.
Früher war die Welt noch in Ordnung. Das Geld sprudelte aus allen Quellen, allen voran die Erlöse aus Vertrieb und Anzeigen - und machte die Verleger, sagen wir mal, ziemlich reich. Seit einigen Jahren versiegen jedoch beide Quellen. In den vergangenen fünf Jahren verloren die deutschen Tageszeitungen mehr als zehn Prozent ihrer Auflagen. Und alleine in den letzten drei Jahren mehr als zwölf Prozent ihrer Werbeeinnahmen. Das tut weh.
Der Geldsprudel versiegt
Dass es ihnen nicht gelingt, diese Verluste durch Paywalls und Online-Werbeumsätze auszugleichen, ist allgemein bekannt. Inzwischen haben zwar 56 Zeitungen Paywalls eingerichtet, doch was sie daran verdienen, gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen der Verlagsbranche. Selbst Springer, der gerade bei digitalen Themen am lautesten schreit, äußert sich nur sehr zaghaft zu den Erfolgen von Bild Plus. Da wir annehmen dürfen, dass tatsächliche Erfolge nach allen Regeln der PR-Kunst unters wissbegierige Werbevolk gebracht würden, kann es damit nicht weit her sein.
Eines dürfte inzwischen klar sein: Nur eine Handvoll Medien wird mit Paid Content ernsthaft Erfolg haben. Nach Spiegel, Zeit und ein paar großen Tageszeitungen, die einzigartigen und hochwertigen Content monetarisieren könnten, wird die Luft dünn. Die meisten regionalen Tageszeitungen werden leer ausgehen.
Mit der Zunahme an Online-Usern sind die Verlage durchaus zufrieden. Sie sind nicht nur die Hauptlieferanten für Internet-Content, sie bekommen auch einen ordentlichen Anteil der Nutzer auf ihre Seiten. Nur leider nicht genügend Werbegeld dafür. Nur wenige wagen es, von einem Ausgleich für verlorenes Print-Geld zu träumen. Und die Verlage, die sich über hohe Digital-Umsätze freuen, allen voran Springer und Burda, verdienen ihr Geld keinesfalls mit Online-Werbung auf ihren Medienseiten, sondern ganz banal mit zugekauften E-Commerce-Portalen.
Der letzte Hoffnungsschimmer
Doch nun startet Mobile durch, der vielleicht letzte Hoffnungsschimmer der deutschen Verlage. Mobile macht zwar derzeit nur knapp drei Prozent an den weltweiten Werbespendings aus, wächst jedoch rasant. In Deutschland soll das Mobile-Wachstum in diesem Jahr 70 Prozent betragen, womit ein Umsatzsprung auf 105 Millionen Euro gelänge. Doch schon die Summe zeigt, dass Mobile Werbung in Deutschland noch nicht angekommen ist.
Man darf sogar die Frage stellen, ob sie überhaupt ankommt. Während sich immer mehr Verbraucher von der Online-Werbung gestört fühlen und inzwischen 30 Prozent der User Adblocker-Software installiert haben, sieht es für die Mobile Werbung nicht besser aus. Im Gegenteil: Das Smartphone ist das persönlichste Gerät, das wir bei uns tragen und das alle unsere Geheimnisse enthält. Ob die Verbraucher hier mehr oder weniger Werbung (und Datensicherheit) zulassen, kann nur die Zukunft beantworten. Man darf skeptisch sein.
Zum Teufel mit Mobile
Soweit es die Gegenwart betrifft, bin ich schon reichlich bedient. Die Watchever-Anzeige, die sich in der TVSpielfilm-App meines iPads seit Wochen über das ARD- und ZDF-Programm legt und es komplett verdeckt, ist entweder eine Verschwörung der Privatsender oder der Programmpresse. Ich erwäge bereits den Einsatz eines Voodoo-Priesters, um die Verantwortlichen bei Watchever zum Teufel zu jagen.
Der Audi-Banner oberhalb meiner Wiwo-Kolumne hat eine Abmessung von 0,8 x 5 cm, auf deren Mini-Fläche es die Kreativen schaffen, vier Textzeilen zu platzieren. Mediengerechte Adaption? Fehlanzeige. Oder eine Verschwörung der Kreativen, die keine Lust auf Mini-Banner haben und die Kunden so von ihrer Unwirksamkeit überzeugen wollen.
Doch genau hier kommt das Problem für die Medienportale ins Spiel. Auf ihren mobilen Websites fehlt schlichtweg der Platz für Werbung. Und je mehr Platz der Werbung hier eingeräumt wird, desto schneller wird der User davonlaufen.
Fazit: Print brachte den Verlagen Vertriebs- und Werbe-Umsätze in Hülle und Fülle. Vorbei. Paid Content ist eine Fata Morgana. Aus die Maus. Online brachte wenigstens noch maue Werbeumsätze. Mobile steigert zwar die Zugriffszahlen, aber deswegen Chancen auf einen Anteil an den Mobile Spendings? Null.
Jammerten die Verlage bereits über Online, wird es jetzt Zeit über den Bau von mobilen Seufzerbrücken nachzudenken.
Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, "Wirtschaftswoche"-Kolumnist, Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt für W&V. Er ist "Mr. Media".