Mipcom: Die TV-Pläne für morgen
Auf der TV-Messe Mipcom in Cannes zeigt sich, dass deutsche Produzenten global denken, deutsche Sender weiter US-Fiction shoppen, Formatklauer zum Umdenken zwingen und die Zahl der Produktions-Netzwerke zunimmt.
Teilnehmer aus fünf Kontinenten treffen sich seit diesem Montag auf der Fernsehmesse Mipcom in Cannes. Zwischen den ersten Meldungen von der Croisette zeichnet sich ab, dass deutsche Produzenten zunehmend global denken – und das wohl auch müssen.
So wird der Münchner Rechtehändler und Produzent Eos zusammen mit Frankreichs Pay-TV-Anbieter Canal Plus die blutrünstige Familiensage rund um „Die Borgias“ verfilmen. Geplant ist eine zwölf Stunden umfassende Miniserie. Als ausführende Produzenten stehen Chris Albrecht und Anne Thomopoulus hinter dem historischen Filmprojekt. Viele europäische Partner sollen dazustoßen. Das Ganze wird in Englisch gedreht, um – wie die Produzenten preis geben – die Verkaufschancen „Der Borgias“ auf dem US-Markt zu erhöhen. Das Casting für die Serie ist bereits angelaufen, im Frühjahr soll der Drehbeginn in Europa erfolgen. Das Unternehmen Eos um Geschäftsführer Jan Mojto hat eine ähnliche Konstellation bereits vor einigen Jahren für die Historien-Serie „Rom“ aufgestellt, damals unter anderem mit dem deutschen Abo-Sender Premiere an der Seite.
Auch die UFA denkt international. Basierend auf den ersten Erfolgen mit gemeinsamen Krimi-Produktionen aus der Reihe „SOKO Leipzig“ hat die UFA auf der Mipcom ein deutsch-britisches Projekt zusammen mit der Fremantle-Tochter TalkbackThames vorgestellt. Die in Berlin angesiedelte neue Division soll für Deutschland sowie Großbritannien bezahlbare TV-Dramas entwickeln und sie vor allem auch international sowie über alle Plattformen hinweg an den Mann bringen. Ein Projekt ist schon konkret: Gearbeitet wird an einem Zweiteiler namens „Laconia“, der ein U-Boot-Drama im Zweiten Weltkries thematisiert.
ProSieben indes baut seine Zusammenarbeit mit der BBC aus. Im Bereich Dokumentationen wollen der Münchner Sender und BBC Worldwide, die internationale Tochtergesellschaft der britischen BBC, in den nächsten drei Jahren eng kooperieren. 30 BBC-Dokumentationen werden ab November dieses Jahres auf ProSieben laufen. Dabei wollen der Sender und BBC Worldwide auch inhaltlich und redaktionell zusammenarbeiten und an den Erfolg von Koproduktionen wie "Walking with Dinosaurs", "Supervolcano" und "Last Days of Atlantis" anknüpfen.
Telepool, Rechtehändler mit vielen öffentlich-rechtlichen Produktionen im Portfolio, meldet diverse „finale Deals“ aus Cannes. Trotz der schwierigen Marktlage sei es gelungen, die internationalen Einkäufer für das Programmportfolio aus hochwertigen Event Movies, Spielfilmen, spannenden Serien und Dokumentationen zu begeistern, betont Irina Ignatiew, Executive Vice President International der Telepool GmbH. Unter anderem wurde die ARD-Vorabendserie „Türkisch für Anfänger“ an TVC Catalunia nach Spanien und Duna TV in Ungarn verkauft. Als „Topseller“ bezeichnet Telepool die Dokureihe „Schätze der Welt – Erbe der Menschheit“; aktuell kauft De Agostini für Russland ein, in mehr als 80 Territorien läuft die Reihe schon.
SevenOne International, Rechtehändler der ProSiebenSat.1-Familie, kann einmal mehr mit „Schlag den Raab“ punkten. Jetzt hat der ungarische Schwestersender TV2 zugeschlagen, der auch zur europäischen TV-Familie gehört. Die Show hat SevenOne-International-Chef Jens Richter bereits in 14 Länder verkauft, darunter Spanien, China und die Niederlande. Richter hat mittlerweile auch viele Formate aus dem Europa-Verbund der ProSiebenSat.1 Group im Portfolio – und kommt damit zum Zuge: ORF1 hat die niederländische Erfolgsdramedy „S1ngle“ eingekauft. Sie läuft ab dem 2. Quartal 2010 im öffentlich-rechtlichen österreichischen TV.
Freilich gehen die Deutschen zum Einkaufen nach Cannes – und eben auch ProSiebenSat.1, das erneut in der beliebten US-Fiction-Ecke fündig wurde. Am Montag wurde der Riesen-Deal mit Twentieth Century Fox bekannt. Der langfristige Lizenzvertrag sichert der TV-Familie Filme wie „Die Chroniken von Narnia“ und diverse Serien. Am Dienstag steht fest, dass sich ProSieben als einer von 100 Sendern weltweit die Disney-Top-Serie „Flash Forward“ gesichert hat. Das Sci-Fi-Mystery-Drama läuft in den USA mit großem Erfolg auf dem Disney-Sender ABC. Dass die großen Konzerne in diesem Jahr ihre Topseller erst pünktlich zur Mipcom bekannt gegeben haben, begründet Ben Pyne, Chef der Disney-ABC Worldwide Television Global Distribution. Zunehmende Piraterie bzw. der Formatklau führten dazu, dass die großen Produktionshäuser und Sender ihre einzigartigen Formate möglichst lange unter der Decke hielten – auch dies ein weltweiter Trend.
Noch ein globaler Trend ist der Hang zur Konsolidierung auf dem Produktionsmarkt. Das stark expansive Netzwerk Zodiak, das vor einem Jahr startete und in den vergangenen Monaten vor allem im skandinavischen Raum Beteiligungen sammelte, kann in Cannes gleich zwei neue Deals verkünden. Zum einen sichert sich Zodiak die Mehrheit an Dangerous, Doku- und Drama-Spezialist aus Großbritannien. Außerdem hat das Netzwerk mit dem Ziel, weltweit führend bei Inhalten und Vertrieb zu werden, zusammen mit der Ricky Martin Entertainment Group ein Joint-venture ins Leben gerufen. RM 5to Elemento sitzt in Miami und soll den lateinamerikanischen und spanischen Markt mit neuen Unterhaltungsformaten aufrollen.